Neuer Zugang für aktuelle Fragen
16.08.2023 MuriDie neue Ausstellung «Rolling Stones» im Singisenforum ist eröffnet
Seit März beschäftigt sich das zweiteilige Ausstellungsprojekt «Landschaftsveränderung im Blickfeld der Kunst» mit den Auswirkungen des Menschen auf die Natur. Mit ...
Die neue Ausstellung «Rolling Stones» im Singisenforum ist eröffnet
Seit März beschäftigt sich das zweiteilige Ausstellungsprojekt «Landschaftsveränderung im Blickfeld der Kunst» mit den Auswirkungen des Menschen auf die Natur. Mit «Rolling Stones» feierte nun der zweite Teil Vernissage. Die Ausstellung dauert noch bis 12. November.
Celeste Blanc
Mit den Gummistiefeln durch den Schlamm stapfen, mit den Füssen Kieselsteine beim Laufen verschieben, Sandburgen bauen oder zu einem besonderen Anlass einen Baum pflanzen: Die Art und Weise, wie wir Menschen auf die Landschaft wirken, ist vielschichtig, so wie der Boden selbst. Der Boden, konkret der Stein als eines seiner Elemente, steht in der aktuellen Ausstellung «Rolling Stones» im Singisenforum im Zentrum.
Kuratiert wird diese von der Künstlerin Sadhyo Niederberger. «Der Stein, der Boden und seine Schichten sind nicht nur aus künstlerischer Perspektive interessant, sondern ermöglichen durch die Auseinandersetzung in der Kunst dem Betrachter einen neuen Zugang, ein anderes Verständnis für aktuelle Fragen.» Die Ausstellungsobjekte von neun zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern greifen die natürlichen, vor allem aber die durch den Menschen hervorgerufenen Veränderungen des Bodens auf. Und lassen erkennen, wie vielschichtig sein Einfluss ist – ob bewusst oder nicht.
Gegensätzlichkeit und zwei unterschiedliche Pole
Risse in der Erde, fein sichtbare Anfänge oder alte Spuren – die Landschaftsveränderung ist mannigfaltig. Es sind Manifestationen der Veränderung, des Flusses von Zeit und Raum, die sich im Gestein sowie in der Erde zeigen. «Das Gestein verbindet der Mensch mit zwei Polen. So steht es für ihn einerseits für über Jahrmillionen gewachsene Beständigkeit und Festigkeit. Auf der anderen Seite gibt es aber auch die Brüchigkeit, mit der die Festigkeit ins Schwanken gerät», erläutert Niederberger. Geomorphologische Prozesse wie Vulkanausbrüche, aber auch Erosionsprozesse und daraus folgende Steinbrüche spielen mit der Stärke. Hinzu kommt der Mensch, der durch den Abbau und die Umschichtung von Roh- und Abfallstoffen seine unwiderruf liche Spur auf der Erde hinterlegt.
Zahlreiche Formen
Zu sehen sind unter anderem Werke des im Glarus lebenden Künstlers Patrick Rohner, der sich mit Prozessen und Materialablagerungen beschäftigt, aus denen er Ölmalerei anfertigt. In Schichten wie bei den Gesteinsschichten selbst arbeitet er über Jahre mit den Ölfarben, um sich schliesslich dem natürlichen Erscheinungsbild von Moosen, Steinen oder Gesteinsschichten zu nähern. In seiner Arbeitsweise erschliesst er Wissensgebiete aus der Geologie, welche er zusätzlich auf Wanderungen und Begehungen präsentiert. So auch am 10. September im wild-romantischen Söriker Tobel in Muri, wo bereits auch der Künstler Kaspar Wolf arbeitete. Es ist nur eine von vielen Brücken, die die aktuelle Ausstellung zu den ausgestellten Werken des Murianer Malers schlägt.
Begeistert von den zahlreichen Fotografien, Videoaufnahmen, Bleistiftskizzen und Gemälden sowie verschiedenen Inszenierungen waren die an der Vernissage erschienenen Besuchenden. Genutzt wurde die Gelegenheit, mit den Kunstschaffenden selbst tiefer in die Werke einzutauchen. So begutachtete etwa eine Interessierte gemeinsam mit der deutschen Künstlerin Christiane Hamacher ihre Werke. Die Porträtaufnahmen von einzigartigen Steinen, die prägend sind für ihre Landschaften, sind dabei so individuell und einzigartig, wie es der Mensch ist. Gleichzeitig manifestieren sie aber auch die Gegensätzlichkeit von Stein und Mensch: Verletzend und verletzbar oder etwa weich und hart. Und erinnern dabei gleichzeitig noch an Steine des Protestes. Als Protest und Revolution kann auch das Werk des Luzerner Künstlers Stephan Wittmer gesehen werden. Mit einer Fotografie einer Feuerstelle auf einer Flagge sowie einer in zwei Pneus inszenierten Feuerstelle stehen beide Werke sinnbildlich für die Spuren des Menschen. Spuren, die zeigen, dass man da war. Die Feuerstelle einerseits, die weiter genutzt werden kann oder auch bedeutet, dass der Ort, an dem sie steht, schon jemandem gehört. Die Entromantisierung der Feuerstelle als Zentrum der Gemeinschaft lässt gesellschaftskritische Fragen zu, vereint Protest und Unmut.
Obwohl so unterschiedlich in der Herangehensweise und im Endprodukt, zeigen die Werke von weiteren Künstlern wie Werner Casty, Tatjana Erpeb, Andi Rieser, Corina Rüegg, Franziska Rutishauser und Stephan Wittmer schliesslich vor allem eins: Veränderungen passieren unweigerlich und in zahlreichen Formen.
Werke können Antwort liefern
Im Rahmen ihres eigenen künstlerischen Forschungs- und Ausstellungsprojektes «Grand Tour Caspar Wolf» legte Sadhyo Niederberger ein umfangreiches künstlerisches Archiv an. Dabei gab die erste Teilausstellung «Sedimentieren, kristallisieren, kondensieren – Landschaftsveränderung im Blickfeld der Kunst» einen Einblick in die Werke von rund 140 Künstlerinnen und Künstlern. «Es ist dadurch ein unglaublicher Kunstschatz entstanden», freut sie sich. Dies sowie die Reichweite des Projekts, das Künstlerinnen und Künstler aus der ganzen Schweiz nach Muri reisen lässt, seien eine wahre Bereicherung. «Es sind Vernetzungen und Begegnungen entstanden. Gleichzeitig geht das künstlerische Projekt auch nach Abschluss des zweiten Teils noch weiter.» So wird der Open Call, Werke einzureichen, weitergeführt. Das bisherige Fazit zur Ausstellung sei äusserst positiv. Und könne sogar weitere Ausstellungen in Zukunft ermöglichen. «Viele Fragestellungen zur Landschaftsveränderung sind noch offen, zu denen die Werke Antworten liefern können.»