Nicht alles Geschirr zerschlagen
05.07.2024 MuriDicke Luft bei Muri kultur
Renato Bizzotto als Leiter von «Musik im Festsaal» entlassen
Gute klassische Konzerte bieten wollen beide Seiten. Nur die Vorstellung des Weges zu diesem Ziel könnte aktuell nicht unterschiedlicher ...
Dicke Luft bei Muri kultur
Renato Bizzotto als Leiter von «Musik im Festsaal» entlassen
Gute klassische Konzerte bieten wollen beide Seiten. Nur die Vorstellung des Weges zu diesem Ziel könnte aktuell nicht unterschiedlicher sein.
Annemarie Keusch
Es ist so gekommen, wie es niemand der Beteiligten wollte. Murikultur und Renato Bizzotto sind kein Team mehr, dem langjährigen Ressortleiter von «Musik im Festsaal» wurde gekündigt. Pascal Hüppi ist sein Nachfolger. Die Geschichte geht also weiter. «Fortan nach einem saisonübergreifenden, klaren, konzeptionellen roten Faden», erklärt Robert Häfner, Stiftungsratspräsident von Murikultur. Es brauche diese Schärfung unbedingt, auch angesichts der verschiedenen Veranstalter von klassischen Konzerten in der nahen und weiteren Region. Mit «Muri Classics» kommt nun ein weiterer Anbieter auf den Markt. Denn trotz Kündigung bei Murikultur macht Bizzotto weiter. «Das ist keine Trotzreaktion», betont er.
Was ihn ermutigt, ist die Tatsache, dass sein ganzes bisheriges Team von «Musik im Festsaal» nach seiner Kündigung freiwillig ging. Und dass auch grosszügige Geldgeber ihm ihre finanzielle Unterstützung zusagten. Dazu gehört auch die Stiftung für klassische Musik Muri, deren Stiftungsrat Urs Pilgrim ist. Er fasst die schwierige Situation ganz einfach zusammen: «Eigentlich wollen alle dasselbe: für das Publikum gute Konzerte organisieren», sagt er. Wie? Da prallen Welten aufeinander. Bizzotto sagt: «Ich bin ein Künstler. Mich muss man machen lassen. Ich passe in keine Vorgaben.» Vorgaben, vor allem nach steter Entwicklung, die Murikultur aber brauche, um sich als Leuchtturm weiterzuentwickeln, sagt Heidi Holdener, Geschäftsführerin von Murikultur.
Murikultur und Renato Bizzotto gehen vorerst getrennte Wege – nicht ohne Nebengeräusche
Zumindest temporär gibt es in Muri zwei Reihen für klassische Musik. Dies, nachdem Renato Bizzotto als Ressortleiter von Musik im Festsaal entlassen wurde. Er – mit seinem Team und vielen Geldgebern im Rücken – lanciert eine neue Reihe: Muri Classics.
Annemarie Keusch
Urs Pilgrim bräuchte es gar nicht auszusprechen. Dass ihm wehtut, was aktuell passiert, ist ihm deutlich anzusehen. «Ja, aus meiner Sicht gibt es aktuell nur Verlierer», sagt Pilgrim. Pilgrim war Stiftungsratspräsident von Murikultur. Auch jetzt sagt er: «Ich bin nach wie vor mit viel Herzblut mit Murikultur verbunden.» Gleichzeitig ist Pilgrim Teil der Stiftung für klassische Musik Muri. Einer der grössten Unterstützer von Renato Bizzotto und seinen Konzerten in Muri. Auch weiterhin. Auch ohne dass er Musik im Festsaal leitet. «Ich bin Freund beider Parteien», drückt Pilgrim sein Dilemma aus. Weh tut es ihm darum vor allem als Privatperson.
«Verstehe das alles nicht»
Dass es überhaupt zwei Parteien gibt, ist das, was Pilgrim als Situation beschreibt, die nur Verlierer kenne. Renato Bizzotto, der jahrelang für hochstehende klassische Konzerte im Rahmen der Reihe Musik im Festsaal besorgt war, der The Muri Competition ins Leben rief, wurde vor wenigen Wochen entlassen. «Mir wurde gesagt, ich erfülle meine Aufgabe nicht. Die Reihe sei wiederholend. Es brauche eine Schärfung des Profils.» Er hätte diese Argumente alle widerlegen können. «Ich verstehe das alles nicht. Die Konzertreihe lief bestens, wir zogen immer mehr Publikum an. Entsprechend weh tat die Kündigung.»
Problem in der Kommunikation
Wieso es trotzdem zum Bruch kam? Es geht um zwischenmenschliche Differenzen. Zwischen Renato Bizzotto und Heidi Holdener, Geschäftsführerin von Murikultur. «Um Kommunikationsprobleme», betont Urs Pilgrim. «Zuhören, reflektieren, die Argumente der Gesprächspartner abwägen und erst dann reden. Das hat nicht mehr funktioniert und das ist ein deutliches Zeichen dafür, dass menschlich etwas nicht stimmt.» Von Schuldzuweisungen will er nichts wissen. Pilgrim formuliert es neutral: «Es gab viele Sitzungen, an denen die Stiftung für klassische Musik Muri beigezogen wurde und an denen das Thema diskutiert wurde. Nur, Renato Bizzotto sass nie am Tisch. Erst, als es schon zu spät war.» Muri Classics war zu diesem Zeitpunkt schon gegründet – die neue Reihe an klassischen Konzerten, die es in Muri gibt.
Renato Bizzotto betont, diese keinesfalls als Trotzreaktion gegenüber Murikultur und Musik im Festsaal verstanden haben zu wollen. «Ich will einfach weiterhin gute Konzerte machen», sagt er. Und er habe sich getragen gefühlt, diesen Weg weiterzugehen. Getragen, weil das ganze bisherige Team nach seiner Kündigung ebenfalls ging. Getragen, weil wichtige Geldgeber hinter ihm stehen, ihn weiterhin unterstützen, auch im neuen Projekt. Dass er weiter Konzerte organisieren will, das sei für ihn auch nach der Kündigung klar gewesen. «Aber wir haben Murikultur vorgeschlagen, dass Muri Classics unter ihrem Patronat laufen kann. Wir hätten alles organisiert, Murikultur also entlastet. Aber sie wollten nicht.»
Persönlichkeiten, die aufeinanderprallen
Muri hat fortan also zwei Reihen für klassische Musik – Musik im Festsaal unter neuer Leitung und Muri Classics. «Dass das nicht gut ist, das wissen wohl alle», sagt Urs Pilgrim. «Auch das Publikum versteht diesen Schritt kaum. Für mich ist klar, dass beide Seiten dasselbe Ziel verfolgen: qualitativ hochstehende Konzerte für ein hoffentlich zufriedenes Publikum zu organisieren. Nur die Wege dorthin sind unterschiedlich und momentan ist es nicht möglich, dass sie parallel verlaufen.»
Urs Pilgrim spricht von Persönlichkeiten, die aufeinanderprallen. Renato Bizzotto und Heidi Holdener seien «starke, verdiente Persönlichkeiten, die beide über grosse Stärken verfügen und die beide viel für die Kultur in Muri machen».
Nur sind sie eben ganz offensichtlich zu unterschiedlich. Das weiss auch Renato Bizzotto. «Ich bin Künstler, ich funktioniere nicht in starren Schemata und lasse mich nicht kontrollieren.» Man müsse ihn einfach machen lassen. Denn das habe in den letzten Jahren gut funktioniert. Musik im Festsaal lässt Murikultur überregional strahlen, The Muri Competition gar international.
Pilgrim ist vorsichtig optimistisch für ein Miteinander
Es ist einiges an Geschirr zerschlagen zwischen Bizzotto und Murikultur. Nicht nur, dass er mit Muri Classics eine eigene Konzertreihe gründet, sondern auch, dass The Muri Competition ein eigener Verein ist, also nicht mehr unter dem Schirm von Murikultur läuft. «Wir bedauern das natürlich auch», sagt Bizzotto. Urs Pilgrim bezeichnet es als Absetzbewegung. Als Klosterführer weiss er, dass auch dort eine gewisse Distanz zu Murikultur entstanden sei. Bizzotto ist also nicht der Einzige. «Einfach der Erste, der weichen musste», sagt Bizzotto.
Die Wogen sind längst noch nicht geglättet, auch wenn die Kündigung mittlerweile mehrere Wochen her ist. Und trotzdem betonen beide: «Es ist nicht die Idee, dass es in Muri über längere Zeit zwei Reihen mit klassischer Musik gibt.» Dies sei zwar temporär die beste Lösung, aber das Ziel sei, die beiden Reihen möglichst bald wieder zusammenzuführen – in einem ersten Schritt unter dem Patronat von Murikultur und in einem nächsten Schritt als Ressort. «Das wäre meiner Meinung nach die beste Lösung, vor allem für das Publikum, und das wäre doch am wichtigsten», sagt Urs Pilgrim. Dass dies nach den jüngsten Differenzen kein Ding der Unmöglichkeit ist, davon ist Pilgrim überzeugt. «Es wird Zeit brauchen, vielleicht ein paar Monate, vielleicht ein Jahr, vielleicht drei Jahre, aber das wird funktionieren – funktionieren müssen», sagt Pilgrim. Er sei vorsichtig optimistisch.
Personelle Veränderung als Chance
Und wie sieht dies Renato Bizzotto? «Ich reiche die Hand zur Versöhnung», sagt er. Dass sich alle an einen Tisch setzen, sich aussprechen, einander zuhören, aufeinander eingehen – das wünscht er sich. Für welche Kompromisse wäre er denn bereit? «Berechtigte und fundierte Kritik nehme ich gerne auf. Ich sage nicht, dass es an Musik im Festsaal überhaupt nichts zu ändern oder zu verbessern gäbe.» Ob ein Miteinander mit gleicher personeller Besetzung möglich ist, das verneinen beide nicht. «Auch wenn personelle Wechsel immer auch Chancen sind», sagt Urs Pilgrim und spricht damit den angekündigten Rücktritt von Robert Häfner als Stiftungsratspräsident von Murikultur an. «Ein äusserst verdienter Mann, der viel für Murikultur geleistet hat. Das will ich überhaupt nicht in Abrede stellen», betont Pilgrim. Er wolle vorwärtsblicken, im Interesse von Murikultur, im Interesse des Publikums, im Interesse der Sache.