Nichts tun ist für ihn kein Thema
15.03.2024 MuriDem Abfall auf der Spur
Michael Moeser hat sich dem Umweltschutz verschrieben und lanciert «Muri putzt sich raus»
Am 23. März sammeln Interessierte gemeinsam in Muri Abfall. Hinter dem Projekt steht Michael Moeser.
...Dem Abfall auf der Spur
Michael Moeser hat sich dem Umweltschutz verschrieben und lanciert «Muri putzt sich raus»
Am 23. März sammeln Interessierte gemeinsam in Muri Abfall. Hinter dem Projekt steht Michael Moeser.
Annemarie Keusch
Er kann traurige, aber auch lustige Geschichten erzählen davon, was er schon aus Seen und Flüssen gefischt hat. «Dass vor einem Privatgrundstück in Vitznau vier Tauchgänge nötig waren, bis wir alle Glasflaschen eingesammelt hatten, war schockierend», sagt er. Oder Ölfässer, LKW-Batterien, Essensverpackungen. Angesprochen auf kuriose, lustige Fundstücke, nennt er haufenweise Sexspielzeug, das einmal an einem Ort gefunden wurde. Wobei lustig der falsche Ausdruck ist. «Es ist unglaublich tragisch. Und das in der Schweiz, in einem gebildeten und hoch entwickelten Land.»
Dass das Einsammeln von Müll nichts daran ändert, dass andere dort wieder rücksichtslos ihren Abfall entsorgen, das weiss Michael Moeser. «Aber der Abfall liegt zumindest nicht mehr in der Natur und richtet dort Schaden an.» Aber die Frage, warum er das mache, stelle er sich immer wieder. Dann, wenn zwei Wochen später das Bünzufer in Muri wieder genauso übersät ist mit Abfall wie vorher. «Vielleicht haben wir als Gesellschaft mal genug Kindern beigebracht, wie mit der Natur umgegangen werden soll.»
Genau das will er auch mit seiner geplanten Aktion in Muri erreichen. «Die Idee dazu kam spontan und ich habe sie in den sozialen Medien in zwei aktiven Gruppen gestreut. Die Resonanz war noch nicht riesig. Aber immerhin ist es ein Anfang.»
Michael Moeser lanciert den Anlass «Muri putzt sich raus» und will gegen Littering ankämpfen
vom Abfall befreien. Das will Michael Moeser und so organisiert er auf privater Basis am 23. März eine Clean-up-Aktion. «Im Herzen bin ich Vollzeitumweltschützer», sagt der Murianer. Dass er nun auch im Dorf, wo er lebt, etwas auf die Beine stellt, ist für ihn nur logisch.
Annemarie Keusch
Er kennt die neuralgischen Punkte. Zumindest jene der Quartiere, in denen er täglich mit seinem Hund unterwegs ist. «Ein Beagle. Er hat die Schnauze immer am Boden, schnuppert an allem, was er findet, und versucht auch vieles zu essen», sagt Michael Moeser. Dass er also besonders aufmerksam sein muss auf den Gassirunden, ist die Folge. Besonders aufmerksam dem gegenüber, was Mitmenschen einfach am Strassenrand entsorgen. «Entlang der Bünz hinter der Klosterfeldstrasse ist es oft ganz schlimm», sagt er. Zig mal hat er schon eigenhändig aufgeräumt, teils auch mit Hilfe von Nachbarn. «Dadurch ist mir erst bewusst geworden, wie viel Mist überhaupt herumliegt.» Und Moeser weiss, dass dies keine Taschentücher sind, die vielleicht aus Versehen aus einer Jackentasche gefallen sind. «Es ist Hausrat, der mutwillig hier entsorgt wird. Das nervt unglaublich.»
Im Café Stern auf Abfalltaucher gestossen
Mit Umwelt-Themen und auch mit Littering beschäftigt sich Michael Moeser seit 18 Jahren. Er kann es ganz genau sagen. «2006 und die Geburt unseres Kindes.» Die Fertigprodukte wurden aus der Küche verbannt, stattdessen brachte er mehr Zeit auf, um Verpackungen und deren Inhalt mal genau anzuschauen und Dinge zu hinterfragen. «Seither lässt mich das Thema nicht mehr los.» Anfangs – damals noch in Deutschland lebend und bei einer Reederei auf einer Nordseeinsel arbeitend – war es maritimer Naturschutz, der für Moeser im Zentrum stand. Mittlerweile deckt er die ganze Palette des vielfältigen Themas ab. Er taucht nach Abfall, organisiert Cleanups, engagiert sich bei Sea Shepherd Schweiz, bei den Trash Heroes, bei Ärzte gegen Tierversuche, hilft bei der Resozialisierung von Labor-Beagles. Abschliessend ist diese Aufzählung nicht. Moeser arbeitet in der Eventund Medienbranche, trotzdem sagt er: «Im zweiten Teil meines Herzens bin ich Vollzeitumweltschützer.»
Besonders viel Zeit nimmt dabei das Abfalltauchen in Anspruch. Bis vor wenigen Wochen sass der Murianer im Vorstand der nationalen Organisation. Noch immer taucht er rund zweimal wöchentlich in verschiedensten Gewässern nach Abfall. «Wie ich dazu kam? Tauchen war schon früher ein grosses Hobby von mir. 2015 lebte es nach grosser Pause wieder auf, was dazu führte, dass wir 2017 im Café Stern die Abfalltaucher kennen lernten.» Michael Moeser grinst, an einem kleinen Tischlein in ebendiesem Café sitzend. Überhaupt sei das auch der Grund, weshalb Muri seit zehn Jahren sein Zuhause ist. «Meine Frau führte das Café und hier kam sie 2017 mit dem Präsidenten der Abfalltaucher ins Gespräch», erklärt er.
Zusammen etwas bewegen
Am 23. März, 13 Uhr ist Treffpunkt bei der Coop-Tankstelle. «Auch ein Ort, wo unglaublich viel Abfall achtlos weggeworfen wird», findet Moeser. Von dort gehts durch Muri, auf der Suche nach Abfall. «Ich weiss, dass dies nicht die grossen Probleme rund um den Umweltschutz auf dieser Welt lösen wird. Wenn wir uns aber gemeinsam daran machen, dass der Ort, wo wir leben, von Abfall befreit wird, dann ist das ein erster Schritt.» Moeser sieht zwei Aspekte – den gesellschaftlichen und den erhofften Nachahmungseffekt. «Miteinander etwas bewirken, das macht besonders viel Spass und wenn wir die Kinder von klein auf sensibilisieren können, dann verändert sich vielleicht tatsächlich einmal etwas.»
Entsprechend hofft Moeser, dass auch die eine oder andere Familie dabei ist, wenn Muri rausgeputzt wird. Sensibilisieren, aufmerksam machen, Themen ansprechen – das tut er laufend, auch dank seiner Faszination für Fotografie. Zusammen mit Jens Herre zeigte er Fotografien und Exponate kürzlich an der Photo Schweiz und als Nächstes an der Photobastei in Zürich. «Eine weitere Art, unser Anliegen zu zeigen.» Neue Wege sucht Moeser immer wieder, stillsitzen tut er selten. «Ja, manchmal fühlt es sich an, als müsste mein Tag 48 Stunden haben. Aber ich mache das freiwillig, will das so und mit viel Koordination geht das auch. Dafür ist mir der Umweltschutz einfach viel zu wichtig.»
Schon Kleinigkeiten können entscheiden
Dass er auf seinem Weg immer wieder Gegenwind ausgesetzt ist, daran hat sich Moeser quasi gewöhnt. «Ja, wir fahren mit dem Auto zum Abfalltauchen. Ja, ich gehe auch in die Ferien. Wer nicht nackt im Wald leben will, für den oder die ist es fast unmöglich, zu hundert Prozent umweltgerecht zu leben. Aber wir versuchen dort etwas zu verändern, wo wir das können und wollen. Wenn das alle tun würden, dann wäre schon viel erreicht.» Oft seien schon die Kleinigkeiten ausschlaggebend. «Und irgendwann müssen wir uns auf den Weg machen. Die Signale, die uns die Natur immer wieder sendet, werden laufend deutlicher.»
Darum will er auch in Muri etwas lancieren. Im Ort, wo er seit zehn Jahren wohnt, immer noch daran ist, sich einzuleben. «Mit meinen Arbeitszeiten ist das nicht immer einfach.» Moeser ist mittlerweile Mitglied der GLP, engagiert sich auch politisch für Umweltthemen, liest Studien. Das hält ihn aber nicht davon ab, auch bei ganz trivialen Einsätzen dabei zu sein, diese zu lancieren und am 23. März mit einem Bollerwagen voller Abfall durch Muri zu ziehen.