Pi mal Daumen
21.11.2023 Muri«Hart auf Hart» duellierten sich wortreich im Cabarena
Was treibt einen kinderlosen Schweizer und eine langzeitforschende Deutsche Woche für Woche auf einen Spielplatz? Die Antwort gibt «Wollen Sie wippen?» während 80 umwerfend komischen ...
«Hart auf Hart» duellierten sich wortreich im Cabarena
Was treibt einen kinderlosen Schweizer und eine langzeitforschende Deutsche Woche für Woche auf einen Spielplatz? Die Antwort gibt «Wollen Sie wippen?» während 80 umwerfend komischen Minuten. «Hart auf Hart» brillierten mit ihrem (versöhnlichen) deutsch-schweizerischen Schlagabtausch.
«Haben Sie eigentlich einen Namen?», fragt er irgendwann. «Ja», sagt sie. Damit hat sich das Thema erledigt. Der reichlich umständliche Schweizer und die etwas zickige Deutsche unterhalten sich auf ihrer Parkbank, auf der sie sich Woche für Woche «zufällig» treffen – über was eigentlich? Das Grosse im Kleinen, würde sie wohl sagen. Denn davon handelt offenbar die Langzeitstudie, an der sie arbeitet. «Wie lange?», will er wissen. Achselzucken. «Na, so Handgelenk mal Pi», setzt er nach. «Man sagt Daumen mal Pi», kommt die Antwort aus der deutschen Ecke. Er: «Wir sagen Handgelenk mal Pi.» Sie: «Wie ungenau.» Und das muss sich ausgerechnet ein Schweizer sagen lassen.
Das Lachen vergeht nicht
Dass sie dieselbe Sprache sprechen und sich trotzdem oft nicht verstehen, ist der Running Gag von «Wollen Sie wippen?», der «Spielplatzsatire» des deutsch-schweizerischen Duos «Hart auf Hart». Sie handelt von einer Schauspielerin und einem Schauspieler, die ein Stück vortragen, das sie selber geschrieben haben. Die Akteure: ein (kinderloser) Schweizer, der sich am Elend der Eltern labt, die auf dem Spielplatz «mit oder an ihren Kindern leiden», und eine Deutsche, die das Treiben nicht bloss beobachtet, sondern auch schelmisch manipuliert – für ihre Langzeitstudie.
Die Leipziger Schauspielerin Elisabeth Hart und der Oltener Schauspieler Rhaban Straumann, die erst kurz vor der Pandemie künstlerisch zusammenfanden, haben «Wollen Sie wippen?» von Lockdown zu Lockdown entwickelt und geschrieben. Weshalb es nicht erstaunt, dass das Stück auch mal von schwierigen Zeiten handelt.
Allerdings gelingt es den beiden, jedes noch so brisante Thema derart augenzwinkernd rüberzubringen, dass keine Sekunde die Gefahr besteht, in den Coronakoller zurückzuverfallen. Dem Publikum vergeht das Lachen jedenfalls selbst bei 80 Minuten Stück am Stück nicht.
Sackmesser, aber nicht Sacktuch
Als Glücksfall erweist sich dabei auch die Zusammenarbeit über die Landesgrenzen hinweg: «Hart auf Hart» bedeutet auch ein bisschen Kollision der Kulturen, ein wenig Deutschland gegen die Schweiz. Oder umgekehrt. Auf jeden Fall bedienen sich die beiden lustvoll im Fundus deutsch-schweizerischer Klischees und sprachlicher Eigenheiten. Dazu gehört, dass die Schweizer nun mal Sackmesser statt Taschenmesser sagen, aber nicht Sacktuch statt Taschentuch, dass in der Schweiz von Elternteilen gesprochen wird, aber nicht ihre Arme und Beine gemeint sind, oder dass es Hühnerhaut statt Gänsehaut heisst. «Ist das wieder so eine Verniedlichung auf falsche Art?», fragt sie. «Bei uns ist eben alles ein bisschen kleiner», kontert er. «Ausser die Löhne.» Dieser Punkt geht definitiv an die Schweiz. Aber ansonsten endet «Wollen Sie wippen?» unentschieden – mit Bestnoten für beide Seiten. --zg