Powerfrau auf Kufen

  05.03.2021 Sport

Lia Egger aus Muri spielt bei den Frauen des SC Reinach in der Nationalliga A

Die Murianerin Lia Egger ist erst 17 Jahre alt und hat bereits den Sprung in die höchste Schweizer Eishockey-Liga geschafft. Auf dem Weg dorthin musste die Sportlerin mit – für ihr junges Alter enorm vielen – Rückschlägen kämpfen.

Josip Lasic

Lia Egger sitzt zu Hause in Muri mit ihren Eltern Oliver und Monica am Esstisch. Die 17-Jährige lächelt zufrieden. Für die Eishockey-Spielerin ist eine besondere Saison zu Ende gegangen. Begonnen hat sie beim EHC Sursee, wo die Murianerin für die Nationalliga-B-Mannschaft der Frauen gespielt und teilweise bei der U17 ausgeholfen hat. Die Meisterschaft wurde in diesen beiden Ligen, wie in zahlreichen anderen, wegen der Coronapandemie abgebrochen. «Als wir dort nicht mehr weiterspielen konnten, kamen die Frauen des SC Reinach auf mich zu und fragten an, ob ich bei ihnen in der Nationalliga A spielen will», sagt Egger. «Ohne Corona hätte ich diese Chance vermutlich nicht bekommen.»

Sie hat die Chance genutzt. Ihre Leistungen haben Eindruck in der NLA hinterlassen. Reinach hat ihr für nächste Saison einen Vertrag angeboten. Die Freiämterin ist noch keine 18 Jahre alt und hat den Sprung in die höchste Liga geschafft. Zu verdanken hat sie das nicht irgendeinem Virus, sondern in erster Linie ihren Fähigkeiten, ihrem Ehrgeiz und ihrem Durchhaltevermögen.

Kampf mit Vorurteilen

Lia Egger ist schlank, wirkt filigran und agil. Mit dem Eishockey-Sport verbindet man häufig andere Eigenschaften. Kraft und Muskelberge sind das entsprechen da eher dem Klischee. «Es sind nach wie vor viele Vorurteile mit dem Frauen-Eishockey verbunden», sagt ihr Vater Oliver Egger. «Es sind auch bei den Männern nicht alle Spieler riesige Kraftpakete. Genauso sind die Spielerinnen alles normale, sportliche Frauen.» Und seine Tochter bestätigt schnell, dass der Schein trügt und die Sportart sehr gut zu ihr passt. «Am Eishockey gefällt mir die Härte», sagt Lia Egger und ergänzt lachend: «Es wird nicht so simuliert und rumgejammert wie im Fussball.»

Zum Eishockey-Sport kommt sie durch ihren Vater und den zwei Jahre älteren Bruder. Der Vater, Oliver Egger, ist grosser EV-Zug-Fan und hat früher selbst einmal in einer Plauschmannschaft gespielt. «Ich kam relativ spät zum Sport. Erst durch einen Chef bei der Arbeit, der glühender EVZ-Fan war.» Einmal vom Eishockey-Virus infiziert, gibt er es auch an seine Kinder weiter. Luca, der ältere Bruder von Lia Egger, ist drei Jahre alt, als er zum ersten Mal an ein EVZ-Spiel mitdarf. Irgendwann darf auch die Tochter mit an die Spiele. Und als Luca Egger in der Eishockeyschule des HC Wohlen Freiamt mit dem Sport anfängt, folgt die Schwester auch bald. Mittlerweile spielt der Bruder nicht mehr. Sie hingegen ist nach wie vor Feuer und Flamme für das Eishockey. Und durch den Sprung in die NLA ist die Leidenschaft nicht kleiner geworden.

Förderung nicht immer optimal

Der Weg dorthin war aber nicht immer leicht. Dass Reinach ihr die Chance gab, weil Sursee pandemiebedingt nicht weiterspielen durfte, mag mit ein wenig Glück verbunden sein. Lia Egger hatte in ihrer jungen Karriere bisher aber schon genug Pech. Das Talent wurde in seiner Entwicklung früh zurückgeworfen. Nachdem sie bei Wohlen Freiamt und den Argovia Stars ausgebildet wurde, wechselt sie im Alter von 13 Jahren ein erstes Mal zu den Frauen des SC Reinach, weil diese Spielerinnenmangel haben. «Damals war die NLA noch eine Nummer zu gross für mich», sagt sie.

Nach einer Saison wird sie nur noch bei der U17 mit den Jungs eingesetzt – vorausgesetzt, sie wird überhaupt eingesetzt. In einem Jahr bei der U17 von Reinach kommt sie gerade auf vier Spiele. «Diese Zeit war nicht gerade förderlich für ihre Entwicklung», kommentiert Vater Oliver Egger. Sie wird auch für Sichtungstrainings der U13- und U16-Nationalmannschaft aufgeboten. 86 Mädchen sind jeweils in diesen Trainings. Nur rund 20 werden wirklich für das Nationalteam aufgeboten. Der Rest – unter anderem Lia Egger – wird ohne Erklärung nach Hause geschickt. «Das hat an ihr genagt. Besonders, dass sie nicht wusste, woran es liegt», sagt Mutter Monica Egger. Erst mit dem Wechsel zu Sursee spielt Lia Egger wieder regelmässig. «Dort wurde ich dann parallel im NLB-Team und der U17 eingesetzt und habe grosse Fortschritte gemacht.» Monica Egger: «Bei städtischen Vereinen wie den ZSC Lions verläuft die Entwicklung von jungen Spielerinnen viel besser. Sie stellen genug Teams, in denen die Sportlerinnen ausgebildet werden. In ländlichen Gebieten ist es viel schwieriger, einen Verein zu finden, wo eine junge Frau je nach Team nicht über- oder unterfordert wird.»

Eine weitere Schwierigkeit, mit der sich Lia Egger konfrontiert sieht: Während männliche Altersgenossen, die so talentiert sind, meistens Sportschulen besuchen, absolviert sie ganz normal das Gymnasium an der Kantonsschule Wohlen. «Es gibt schlichtweg keine Sportschulen in der Nähe, die Frauen aus dem Eishockey aufnehmen», erklärt Mutter Monica Egger. Dementsprechend nimmt die Kantonsschule Wohlen auch weniger Rücksicht auf Trainingszeiten als Sportgymnasien. Kein Problem für die junge Frau. Die Noten stimmen. «Ich komme nach der Schule nach Hause, esse etwas und erledige die Hausaufgaben. Danach geht es ins Training.» Oliver Egger: «Ihr sind gute Noten wichtig. Von ihrer Disziplin können sogar wir Eltern uns noch eine Scheibe abschneiden.»

Fitnesscoach mit NHL-Erfahrung

Mit ihrer Disziplin und ihrem Willen hat Lia Egger allen Schwierigkeiten getrotzt. «Als Frau im Eishockey lernt mal ‹ellbögle›», kommentiert Mutter Monica. Das hat ihre Tochter definitiv gelernt. «Ich möchte bei Reinach eine tragendere Rolle spielen und mich in der Nationalliga A etablieren», nennt Lia Egger ihre Ziele. «Vielleicht kann ich eines Tages zu einem Club wechseln, mit dem ich um den Titel mitspielen kann, oder sogar den Sprung ins Ausland schaffen.» Als sportliche Vorbilder nennt sie die Schweizer Nationalspielerinnen Sarah Forster und Lara Stalder, die beide in Schweden spielen.

Der SC Reinach treibt mittlerweile bei den Frauen die Professionalisierung weiter. Das Team hat zwar nur den letzten Rang erreicht, kann wegen dem Saisonabbruch in den unteren Ligen aber nicht absteigen. Nächste Saison spielt Lia Egger definitiv in der NLA. Für das Fitnesstraining im Sommer haben die Wynentalerinnen den ehemaligen NHL-Spieler Besa Tsintsadze engagiert, der regelmässig NHL-Profis trainiert. Die Richtung im Fraueneishockey in der Schweiz scheint zu stimmen. Und obwohl sie schon viel hinter sich hat, scheint der Weg von Lia Egger erst richtig zu beginnen.


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