Schlaflos in Luzern
18.07.2025 Sport, FussballTrotzdem EM-Teilnehmerin
Laura Schneider ist Teil von «Host City Luzern»
Im Idealfall hätte die Aristauerin Laura Schneider heute Freitag, wenn die Schweizer Frauen-Nati auf Spanien trifft, zwischen den Pfosten stehen können. Die ...
Trotzdem EM-Teilnehmerin
Laura Schneider ist Teil von «Host City Luzern»
Im Idealfall hätte die Aristauerin Laura Schneider heute Freitag, wenn die Schweizer Frauen-Nati auf Spanien trifft, zwischen den Pfosten stehen können. Die Torhüterin des FC Luzern stand als Goalie Nummer vier auf Abruf für die EM-Endrunde. Den Sprung ins Team von Trainerin Pia Sundhage hat sie nicht geschafft. Dafür ins Projekt «Host City Luzern», das Werbung für den Innerschweizer Austragungsort macht. --jl
Frauenfussball, EM: Die Aristauerin Laura Schneider zum Viertelfinalspiel Schweiz – Spanien (Fr, 21 Uhr, Stadion Wankdorf)
Laura Schneider gehört zum erweiterten Kader des Frauenfussball-Nationalteams. Den Sprung ins EM-Team hat sie verpasst. Dafür ist sie Teil des Projekts «Host City Luzern». Sie spricht über ihre Rolle und über die Chancen der Schweizerinnen.
Josip Lasic
Die letzten Wochen waren intensiv für Laura Schneider. Oft schlief die 29-Jährige weniger als vier Stunden. Sie ist Teil des Projekts «Host City Luzern». Alle acht Gastgeberstädte der Frauenfussball-Europameisterschaft haben solche Projekte, mit denen der Bevölkerung das Turnier nähergebracht werden soll, der Mädchen- und Frauenfussball langfristig gefördert und auch Tourismus, Gastronomie und Gewerbe in der Stadt durch die EM einen zusätzlichen Schub erhalten sollen.
Als Goalie der Luzern-Frauen passt die Freiämterin perfekt in dieses Projekt. «Es ist enorm spannend», sagt sie. «Der Aufgabenbereich ist vielseitig. Beim ‹One Year To Go Event› ein Jahr vor Turnierstart wurde der Stadt und dem Kanton präsentiert, was auf die Region zukommt. Weitere Countdown-Anlässe folgten, um das Turnier und die Stadt zu promoten. Luzern hat beispielsweise einen eigenen Host-City-Song erhalten, wo ich bei der Auswahl des Liedes in der Jury dabei sein durfte. Es ist viel Arbeit, aber gleichzeitig erhält man nur einmal im Leben die Chance, Teil von so einem Projekt zu sein.»
Spielerinnen haben alles gegeben
Schneider engagiert sich stark bei der EM-Endrunde. Die Aristauerin hätte sogar Teil des Schweizer Kaders werden können. Sie stand bis zuletzt auf der Pikettliste und hätte als vierte Torhüterin in der Hierarchie bei einem Ausfall nachrücken können. Neben den Murianerinnen Alayah Pilgrim und Julia Stierli wäre sie die dritte Freiämterin im Aufgebot geworden. Dass es nicht in den finalen Kader gereicht hat, ist für sie kein Weltuntergang. «Natürlich wäre es schön gewesen. Ich konnte meine Leistungen und die Situation aber realistisch einschätzen. Es hat sich abgezeichnet, dass ich nur auf Abruf sein werde, sofern sich keine andere Torfrau verletzt. Und ich kann auch so enorm viele Eindrücke sammeln.»
Als jemand, der mehrere Trainingslager und Nati-Zusammenzüge miterlebt hat, kennt Schneider das Schweizer Team aber so gut wie kaum jemand, der nicht zum aktuellen Kader gehört. Sie versucht die bisherigen Leistungen einzuordnen. «Ich wusste, dass das Team viel Qualität hat – trotzdem wurde ich noch einmal positiv überrascht. Das letzte Jahr verlief ergebnistechnisch nicht gut, aber das kann auch Vorteile haben. Wenn niemand etwas erwartet, kannst du nur positiv überraschen.» Die Freiämterin sagt, dass ausserdem kaum eine der Schweizer Spielerinnen mit so einer Euphorie im Land gerechnet hat. «Das ist ein einmaliges Erlebnis. Deshalb bin ich auch nicht überrascht, dass das Team nach dem Rückstand gegen Finnland noch einmal zurückgekommen ist. Jede Spielerin hat alles an Energie reingeworfen, was sie noch hatte. Jede Einzelne dachte sich: ‹Ich will nicht, dass diese Reise jetzt schon zu Ende geht. Ich will weiter auf dieser Bühne performen können.›»
Viele positive Einflüsse
Obwohl sie nicht zum Kader gehört, hat die Aristauerin alles gegeben, um ihre Nati-Teamkolleginnen dabei zu unterstützen. Sie war bisher bei allen Spielen der Schweiz sowie bei allen Partien in Luzern vor Ort. «Ich bin in einem Gruppen-Chat mit einigen Spielerinnen und habe ihnen Videos von Fanmärschen und Emotionen geschickt. Sie sollen spüren, dass das ganze Land hinter ihnen steht.» Das wird heute Freitag, 21 Uhr, beim Viertelfinal gegen Spanien erneut notwendig sein. Die amtierenden Weltmeisterinnen sind in der Favoritenrolle. Die Freiämterin ist aber davon überzeugt, dass das Team noch einmal alles geben wird. Unabhängig vom Abschneiden der Schweiz sieht Schneider viele positive Einflüsse der EM. «Das spielerische Niveau ist gestiegen. Zuschauerrekorde wurden gebrochen. Solche Dinge sind notwendig, um den Frauenfussball in der Schweiz zu pushen.»
Sie berichtet von Gruppen von jungen Männern, die sie an den Spielen angetroffen hat. «Nicht, weil die Freundin von einem von ihnen mitspielt, sondern weil sie sich tatsächlich für das Spiel interessiert haben.» Schneider erzählt von Welschen Fans, die wissen wollten, was die Deutschschweizer singen. «Da war kaum ein Wort korrekt», sagt sie lachend. «Aber es war so viel positive Energie da. Gemeinsam feiern, gemeinsam jubeln.» Sie sieht Mädchen, die Trikots von Spielerinnen wie Sydney Schertenleib tragen. «In meiner Jugend hatten wir nur männliche Vorbilder. Ich trug Trikots von David Beckham oder Iker Casillas. Frauenfussball war zu wenig präsent, um weibliche Vorbilder zu kennen.»
Kann der Hype konserviert werden?
Trotz dieser Beobachtungen hat Schneider Respekt vor dem Ende der EM. Am 27. Juli findet der Final in Basel statt. Einen Monat später startet die Women’s Super League. «Schaffen wir es, den Hype zu konservieren, damit die Zuschauer auch während der Meisterschaft kommen? Oder verpufft der Effekt schnell?» Bei einem Podiumsgespräch der Host City Luzern präsentierten Vertreter des Eishockey-Clubs EV Zug ihre Konzepte zur Förderung von Frauen im Spitzensport. «Leider hinken wir dem Eishockey hinterher. Der Schweizer Frauenfussball hat Potenzial, aber wir müssen jetzt handeln, wo der Fokus so gross ist.»
Aktuell läuft die Europameisterschaft aber noch. Schneiders Fokus liegt auf dem heutigen Spiel der Schweizerinnen. Und wenn die EM vorbei ist, kann sie vielleicht endlich ausschlafen, bevor sie sich neuen Aufgaben und dem bevorstehenden Saisonstart mit dem FC Luzern widmet.