Sie bringt Ruhe und Sicherheit
31.01.2025 Mühlau, Region WohlenSicherheit und Ruhe geben
Anna Maria Schärer macht Notfalleinsätze
Das Care-Team hilft, wenn eine Ausnahmesituation besteht. Anna Maria Schärer aus Mühlau leitet in ihrer nebenberuflichen Tätigkeit ein Care-Team. ...
Sicherheit und Ruhe geben
Anna Maria Schärer macht Notfalleinsätze
Das Care-Team hilft, wenn eine Ausnahmesituation besteht. Anna Maria Schärer aus Mühlau leitet in ihrer nebenberuflichen Tätigkeit ein Care-Team.
Wenn sie zum Einsatz kommt, ist etwas Aussergewöhnliches passiert. Seit einigen Jahren gibt es Care-Teams in den Kantonen, die zum Einsatz kommen, wenn jemand einen Suizid begeht oder wenn ein Arbeitsunfall einen Menschen aus dem Leben reisst. Sie werden gerufen, wenn es Begleitung bei einer Identifizierung benötigt.
Ihre Einsätze haben viel mit dem Tod und der Betreuung der Angehörigen zu tun. Die Freiämterin Anna Maria Schärer arbeitet im Care-Team mit der Polizei zusammen. Aus ihrer Arbeit weiss sie um die Wichtigkeit, Menschen, die in Ausnahmesituationen geraten, beizustehen. Sie sagt: «Wir bringen Ruhe, Orientierung und Sicherheit. Das ist wichtig, damit die Menschen spüren, sie sind nicht allein.» --vaw
Anna Maria Schärer aus Mühlau betreut Menschen in aussergewöhnlichen Situationen
Wenn Anna Maria Schärer aus Mühlau zum Einsatz kommt, geht es um den Tod und Ausnahmesituationen. Für die Expertin ist es eine Herzensangelegenheit, Menschen in Ausnahmesituationen Ruhe, Sicherheit und Orientierung zu geben.
Verena Anna Wigger
Auf die Frage, warum sie ihre Arbeit macht, sagt Anna Maria Schärer: «Weil es wichtig ist, Menschen in schwierigen Situationen beizustehen.» In ihrer Jugendzeit hat sie selbst erlebt, wie ihre Nachbarn sich in einer Notsituation befanden und auf sich allein gestellt waren, da ihnen keine Unterstützung angeboten wurde. Damals gab es die Care-Teams noch nicht. Dabei hätten sie diese dringend nötig gehabt. Dies hat Schärer geprägt. «Menschen in schwierigen Lebenssituationen zu unterstützen, für sie da zu sein und ihnen das Gefühl zu vermitteln, dass sie während dieser Zeit nicht alleine sind, sondern jemand da ist, das ist meine Herzensangelegenheit», sagt sie. Als gelernte medizinische Praxisassistentin ist die Mühlauerin Mitglied der Notorganisation im Nachbarkanton. Nach einem Vortrag wurde sie gefragt, ob sie dem Care-Team beitreten möchte. Das ist nun 24 Jahre her. Die Ausbildung und diverse Weiterbildungen in psychologische Notfallversorgungen haben ihr den nötigen Background gegeben. Heute leitet sie ein Team und ist für dessen Fortbildung zuständig. «Ich will mein Team und meine Arbeit im Care-Team nicht missen müssen. Das ist eine wertvolle und sinnstiftende Arbeit.»
Wo ist das Care-Team eingebunden?
Wenn eine Alarmierung der Polizei kommt, quittiert sie diese an ihrem Telefon. Gleichzeitig wird sie einer Telefonkonferenz zugeschaltet. Dort erhält sie Informationen zur aktuellen Situation, was geschehen ist, wo der Einsatz stattfindet und wie viele Leute involviert sind. Anschliessend macht sie den Appell an ihr Team, welches ebenfalls nebenberuflich diese Einsätze leistet. Danach koordiniert sie den Einsatz und entsendet je nach Anzahl Betroffene und Fall «Care Giver» (Mitarbeitende des Care-Teams) zum Einsatzort. Dazu wird das Backoffice besetzt, sollten weitere Helfer benötigt werden. Dann macht sich das Mitglied des Care-Teams auf den Weg. «Wenn wir am Einsatzort eintreffen, sind wir eine Entlastung für die Blaulichtorganisation. Sie kann sich dann mit gutem Gewissen zurückziehen», sagt Schärer.
Die betroffenen Personen entscheiden selbst, ob sie das Angebot des Care-Teams annehmen oder ablehnen möchten. «Wir sind nur so lange da, wie die Betroffenen unsere Unterstützung wünschen, danach ziehen wir uns zurück», so die Notfallexpertin. Vom Moment des Ereignisses bis zur Verarbeitung des Geschehens braucht es laut Expertin ungefähr vier Wochen. Dabei sei es wichtig, dass die Betroffenen sich Zeit geben. Traumareaktionen wie Gereiztheit, sensibler in Alltagssituationen sein oder nicht mehr gut schlafen können treten sofort oder im Nachgang zum Ereignis auf. Schärer weiss: «Es gibt keine Regel ohne Ausnahme.» Das Care-Team gibt beim Einsatz einen Flyer mit Informationen und einer Telefonnummer ab. Da können die Betroffenen anrufen, wenn Bedarf ansteht. «Vielen ist nicht bewusst, dass es uns gibt», sagt Schärer. Das Care-Team steht 365 Tage 24 Stunden in Einsatzbereitschaft.
Was es braucht, um Menschen beizustehen
Die Mitglieder des Care-Teams werden gerufen, wenn es um den Tod oder Ausnahmesituationen geht. Bei Bedarf begleiten sie die Polizei bei der Überbringung der Nachricht nach einem Todesfall, bei Suizid oder bei aussergewöhnlichen Todesfällen. Auch sind sie Begleiter bei der Identifizierung eines verstorbenen Angehörigen. Auf Wunsch begleiten sie Angehörige beim Abschiednehmen. Bei einem Kindstod oder nach tödlichen Arbeitsunfällen kommen sie ebenfalls zum Einsatz. Das Team wird auch bei grösseren Ereignissen angefordert. «Dies war bis jetzt zum Glück nicht der Fall», erzählt die Care-Spezialistin.
Zu der Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Menschen in extremen Situationen sagt sie: «Körper und Psyche hangen zusammen.» Menschen, die Extremsituationen erleben, fühlen sich oft ohnmächtig, überfordert oder haben das Gefühl vom Kontrollverlust. «Manche Betroffene wünschen sich Informationen zu den nächsten Schritten, die es zu unternehmen gilt. Es kommt vor, dass wir mit den Angehörigen die Situation schweigend aushalten. Unser Ziel ist es, die Handlungsfähigkeit der Betroffenen wieder zu aktivieren.» Dabei informieren sie über mögliche Reaktionen nach einem belastenden Ereignis und ziehen sich zurück, sobald das soziale Umfeld der Betroffenen aktiviert sei. «Es braucht nicht viel, um für Menschen da zu sein, die betroffen sind», sagt Schärer. Eine solche Situation ziehe Menschen oft den Boden unter den Füssen weg. Hier sei es wichtig, den Menschen das Gefühl zu geben, dass sie nicht allein sind. Dann sei es gut, wenn sie Ruhe, Sicherheit sowie Orientierung erhalten und offen Fragen beantwortet werden.
Wie bleibt man mental fit in schwierigen Situationen?
Wer sich mit Menschen in Ausnahmesituationen engagiert, der muss eine Strategie haben, um sein inneres Gleichgewicht zu halten. Man müsse auch Selbstfürsorge pflegen. Schärer sagt. «Es ist wichtig, sich abgrenzen zu können. Was nicht heisst, dass uns all die Schicksale nicht betroffen machen.» Was bei Einsätzen mit Kindern sicher schwerer fällt. So führt sie mit ihrem Team nach jedem Einsatz eine Nachbesprechung. Hier wird der Einsatz, was gut lief und was verbessert werden kann, besprochen. Ein fixer Punkt der Besprechung ist die Befindlichkeit des Teams und jedes Einzelnen. Der Austausch nach aufwühlenden Einsätzen, die fordern und anspruchsvoll sind, wird auch als Thema für interne Weiterbildungen genutzt.
Nachfragen und zuhören
Auch die betreuten Personen werden nach zwei Tagen kontaktiert und nach ihrer Befindlichkeit gefragt und ob sie noch etwas brauchen. Nach vier Wochen nimmt Schärer zum letzten Mal telefonisch Kontakt mit den Betroffenen auf. «Wir stellen fest, dass die Informationen, die wir den Betroffenen geben, was für Reaktionen ein solches Ereignis auslösen kann, zur Beruhigung der Person beitragen.»
Die Care-Spezialistin sagt: «Ich sehe es in meiner Verantwortung, dass es mir gut geht.» Sie selbst hat sich persönliche Rituale angeeignet. «Obwohl ich nicht gross spirituell bin, gehe ich nach einem Einsatz in die Kirche. Es ist für mich ein Ort der Ruhe und der Stille. Ich zünde für jeden betroffenen Menschen eine Kerze an.» Duschen und anschliessend frische Kleider anziehen, joggen oder in die Natur gehen gehören ebenfalls zu ihrem Ritual.