Sie nannten ihn Fussballgott

  10.07.2020 Sport

«Unsere Regionalfussball-Helden»: Franz Schmid spielte beim FC Wohlen, FC Bremgarten und FC Muri

Mit 16 Jahren gab er sein Debut in der ersten Mannschaft beim FC Wohlen – und erzielte gleich ein Tor. Er wechselte zu Bremgarten und kehrte zu seinem geliebten FC Wohlen zurück. Und die Fans nannten ihn anschliessend Fussballgott.

Stefan Sprenger

Eckball für Wohlen. Beim Wurststand an der Paul-Walser-Stiftung rücken die Menschen zusammen. Die Stimmung steigt. Franz Schmid holt sich den Ball und wird den Corner ausführen. «Fussballgott. Mach ihn direkt rein», ruft es von aussen. Schmid muss innerlich lachen, bevor er den Ball zur Mitte tritt. «Geschafft habe ich dieses Kunststück nie», meint der heute 44-Jährige.

Als Fünfjähriger beginnt der Sohn des Wohler Turnlehrers Tomi Schmid mit Kicken. Natürlich beim FC Wohlen. Franz Schmid durchläuft alle Juniorenstationen. Als 16-Jähriger – im Jahr 1992 – wird er vom damaligen Trainer Hanjo Weller in die erste Mannschaft berufen. «Ein Kulturschock. Ich wurde ins kalte Wasser geworfen», erinnert sich Schmid an seine erste Zeit im «Eis». Er selbst hatte grösstenteils nur Jungwächtler-Freunde und war in der ersten Mannschaft der Jüngste. Trainer Hanjo Weller sei hart und direkt gewesen. «Er hat mir gezeigt, wo der Hammer hängt.» Doch er schenkte dem jungen Eigengewächs auch viel Vertrauen. «Bei mir ging der Knopf auf. Weller sorgte dafür, dass wir vor nichts Angst hatten», meint Schmid. Bei seinem Debut erzielt das Talent ein Tor.

Zwischen 1992 und 1997 spielt er für den FC Wohlen in der 2. und 1. Liga. Drei Mal Cupsieg, zwei Mal Meister. «Ich habe die alte Garde noch erlebt», meint Schmid. Auch wenn es sportlich und menschlich für ihn als junger Bursche nicht einfach war, biss er sich durch. «Es waren nicht immer einfache, aber tolle Zeiten», wie Schmid sagt.

«Super Zeit in Bremgarten»

Bis zum 18. Juni 1997. Der FC Wohlen besiegt vor 900 Zuschauern in Wädenswil den FC Witikon mit 3:0. Die letzte Kiste erzielt Franz Schmid. Wohlen steigt unter Trainer Arne Stiel in die 1. Liga auf. «Das war ein geniales Spiel. Trotzdem habe ich danach die Lust etwas verloren.»

Es kommt zur Trennung. Hampi Sch läpfer, Trainer des FC Bremgarten, lotst den jungen Wohler auf die Bärenmatt. Viele haben diesen Wechsel nicht begriffen. Von seinem Stammverein, der gerade den Aufstieg in die 1. Liga schaffte zum FC Bremgarten in die 3. Liga. «Es war ja auch nicht ganz logisch», sagt Schmid heute. Doch in Bremgarten kriegt er wieder Lust am Fussball, das Selbstvertrauen wächst. Mit Schläpfer als Trainer steigt Schmid und der FCB in die 2. Liga auf. «Bremgarten war damals ein toll geführter Verein. Viele meiner Mitspieler waren Freunde im gleichen Alter. Es war auf und neben dem Feld eine super Zeit.»

Nach Kanada trotz Aufstiegsspielen

1999. Trainer Martin Rueda kommt zum FC Wohlen. Er und Präsident Andy Wyder wollten Franz Schmid, den talentierten Wohler Fussballer, wieder in ihrem Reihen haben. Und Schmid kehrt zurück zu seinem geliebten FCW. Im ersten Training sagt Rueda zu Schmid: «Du hast einen genialen Linksfuss.» Schmid meint rückblickend: «Diese Aussage gab mir einen Schub.» Der verlorene Sohn war wieder in der Paul-Walser-Stiftung. Eine beidseitige Wiedergutmachung.

Es folgten die fetten Jahre beim FC Wohlen. «Im Verein herrschte ein cooler Drive.» In der Saison 99/00 schafft es der FCW in die Aufstiegsspiele zur NLB. Chênois wird bezwungen. Franz Schmid spielt. In den entscheidenden Spielen gegen Locarno fehlt jedoch der Name Franz Schmid auf dem Matchblatt. «Ich bin kurz vor diesen Spielen abgereist. Ich machte einen Auslandaufenthalt und ging ein halbes Jahr nach Kanada.» Es reicht (noch) nicht zum Aufstieg.

Gastspiel beim FC Muri

Im dritten Jahr nach Schmids Rückkehr folgt dann «die sportlich beste Saison meiner Karriere». Schmid meint heute: «Ich wusste gar nicht, dass ich so gut Fussball spielen kann. Es überraschte mich selber.» Am 8. Juni 2002 steigt der FC Wohlen in die Nationalliga B auf. In jener Nacht der Aufstiegsfeier sei – der Legende zufolge – auch der Ausdruck Fussballgott entstanden. «Ich weiss nicht, wer damit angefangen hat. Vermutlich waren es meine Freunde an der Eckfahne. Oder es war bei einer der unzähligen Feiern nach den Heimspielen.» Ist auch egal. Was bleibt, sind die Erinnerungen an eine prägende Zeit.

In der Saison 2002/03 startet der FC Wohlen in der Nationalliga B. Schmid arbeitete zu 100 Prozent und trainiert oft. «Ich stand da und hatte plötzlich das NLB-Emblem auf dem Trikot. Ich habe bewiesen, dass ich das Niveau habe. Es war aber auch eine sehr kräftezehrende und intensive Zeit.» Im Winter holt der Verein dann Sergio Colacino. Der Trainer setzt auf ihn und Franz Schmid musste auf die Bank. «Der Aufwand war riesig und ich spielte nicht mehr. Ich war frustriert.» Mitten in der Saison hört er auf.

«Schön, wie alles gelaufen ist»
In dieser Zeit lernte er seine Frau Andrea kennen, mit der er heute drei Kinder hat. «Der Rücktritt während der Saison war wohl die richtige Entscheidung», sagt Schmid. Es lenkte sein Leben in glückliche Bahnen. Doch ohne Fussball konnte er nicht lange sein. Roger Wehrli, Trainer des FC Muri, holte ihn auf die Brühl in die 2. Liga interregional. Auch hier erlebt der Wohler einen tollen Verein. Der Höhepunkt: das Cupspiel gegen seinen FC Wohlen. «Ich machte das beste Spiel im Trikot des FC Muri.» Die Murianer drängten die Wohler an den Rand einer Pleite. Im Jahr 2005 beendete er dann seine Karriere definitiv. Mit 29 Jahren.

Als Franz Schmid angefragt wurde von dieser Zeitung, bei der Serie «Unsere Regionalfussball-Helden» mitzumachen, fühlte er sich geehrt. Und kramte in Zeitungsartikeln und Erinnerungen von damals. «Schön, wie alles gelaufen ist», sagt er. «Wohlen, Bremgarten, Muri – das waren drei tolle Stationen. Ich habe coole Leute kennengelernt und hatte ein spannendes Fussballerleben.» Heute engagiert er sich im Vorstand des VJF (Verein für Jugend und Freizeit) und arbeitet als Leiter der Logistikadministration bei der Planzer AG in Villmergen. Schmid hat drei Söhne, 14, 7 und 5 Jahre alt. Der älteste Sohn ist sehr talentiert. Franz Schmid, der heute nur noch als Notnagel bei den Senioren manchmal mitkickt, stellt sich dann die Frage: «Was wäre gewesen, wenn ich auf die Karte Fussball gesetzt hätte?» Hätte es für eine Profikarriere gereicht? Schmid meint: «Ich habe zu wenig an meine Chance geglaubt. Zu Hause erhielt ich Unterstützung, aber ich war ein Typ, der gerne auch mal ein Bier trinkt, das Leben locker sieht und mir hätte so vermutlich der letzte Biss gefehlt.» Allerdings schaffte er es innert weniger Jahre von der 3. Liga bei Bremgarten bis in die Challenge League beim FC Wohlen. «Auch nicht schlecht», lacht Schmid.

Er geht nach wie vor an die Heimspiele seines FC Wohlen. «Schön, dass der Verein wieder näher an das Dorf rückt und trotzdem Ambitionen hat.» Heute steht er selbst beim Wurststand im Stadion Niedermatten. Und dort nennen sie ihn auch heute noch Fussballgott. «Ich höre es aber nicht gerne.»


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