Spannender Dialog

  30.06.2020 Muri

Lesung mit Klaus Merz und Beat Wismer

Der Schweizer Schriftsteller Klaus Merz tauschte sich im Caspar-Wolf-Museum in Muri mit Kunsthistoriker Beat Wismer in einem Gespräch über Hugo Suter aus.

Klaus Merz gehört seit vielen Jahren zu den ausserordentlichen Stimmen der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. Sein Schaffen wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Merz hat immer im Aargau gelebt, er hat sich in diversen Texten mit bildenden Künstlern und deren Schaffen beschäftigt. Das Werk Caspar Wolfs ist ihm ebenso gut bekannt wie jenes von Hugo Suter. Der Schriftsteller Klaus Merz und der Kunsthistoriker Beat Wismer, Kurator der aktuellen Ausstellung «Hugo Suter zu Besuch bei Caspar Wolf», waren beide mit Suter befreundet. Der spannende Dialog zeigte Gemeinsamkeiten zwischen Wolf und Suter auf. --sus


«Eine grosse Liebe»

Matinee mit Beat Wismer und Klaus Merz

Eine genussvolle Morgenstunde im Museum Caspar Wolf mit Kunsthistoriker Beat Wismer und Schriftsteller Klaus Merz. Beide waren mit dem aktuell ausstellenden Künstler Hugo Suter befreundet und zeigten in einem Dialog interessante Perspektiven auf.

Susanne Schild

Es war ein besonderer Anlass an diesem Sonntagmorgen im Museum Caspar Wolf. Am 14. März wurde die aktuelle Ausstellung «Hugo Suter zu Besuch bei Caspar Wolf», kuratiert von Beat Wismer, eröffnet. «Das war der letzte Anlass vor dem Lockdown. Die heutige Matinee mit Beat Wismer und Klaus Merz ist die erste nach dem Lockdown», freute sich Heidi Holdener, Geschäftsführerin Murikultur, bei der Begrüssung der Gäste. Caspar Wolf (1735 bis 1783) und Hugo Suter (1943 bis 2013) haben vieles gemeinsam. Wolf war der erste Aargauer Maler überhaupt, zweihundert Jahre später war Hugo Suter ein Protagonist der jungen Aargauer und Schweizer Kunst der letzten Jahrzehnte. «Denkt man bei Wolf zuerst an die Berge, so ist es bei Suter der See, der ihn ein Leben lang beschäftigt hat», erklärt Wismer. Auf den Dialog mit dem Schweizer Schriftsteller Klaus Merz freute er sich deshalb besonders. «Klaus Merz ist ein Autor, der sich intensiv mit der bildenden Kunst auseinandersetzt. Er sieht die Kunst aus einer anderen Perspektive als ich als Kunsthistoriker.»

«Das eine existiert im anderen»

In seinem ersten Brief an Beat Wismer schrieb Hugo Suter, dass man in den Sempachersee schiessen müsse, um das Meer zu treffen. Er schrieb über das Glück, sich in kleine Dinge zu versenken, um das Grosse zu fnden. Man müsse sich auf einen Ort beziehen, um die Welt zu fnden. «Das eine existiert im anderen.» Diese Sichtweise Suters auf das Leben bestätigt auch Klaus Merz: «Einmal hat Hugo mir geschrieben, dass wir nichts anderes zur Verfügung haben als den Alltag. Aus diesem müsse man alles machen.» Hugo Suter, ein Hauptvertreter der Schweizer Kunst, habe sich in seinem Werk immer mit der Erscheinung der Dinge in der Umwelt und dem des Sehens auseinandergesetzt, unterstreicht Wismer. Oft habe er sich ausdrücklich auf Werke der Kunstgeschichte bezogen und sich mit der Sicht älterer Meister auf die Welt beschäftigt. Auch Caspar Wolf hat er einige Werke gewidmet. Wie Suter hat sich auch Klaus Merz mit Caspar Wolf intensiv auseinandergesetzt. In einem Text über den Maler beschreibt er Wolf als «einen Vermesser der Alpenwelt, der sich selbst vermisst, doch er vermisst sich niemals. Er hält die Alpen auf erstaunlichen Formaten fest, ohne Gigantismus, auf kleinen Leinwänden liefert er einen präzisen Eindruck in die Alpenwelt. Er fasziniert und berührt.» Berührt haben Wolfs Werke auch Hugo Suter. «Bis zu seinem Tod 2013 hat er sich immer wieder intensiv mit Wolf auseinandergesetzt. Es war eine grosse Liebe», so Merz weiter.

Das Bild im Bild

Für das Prinzip des Bildes im Bild verwendet die Kunstwissenschaft den Begriff «Mise en abyme». Dieses Prinzip, so Merz, habe Suter sehr angesprochen. Der Künstler hat hierbei mit unterschiedlichen Materialien experimentiert. Auf einen Stein projizierte er beispielsweise eine Hand, die den Stein hält. Die Collage «ganze Scherbe», mit sechzehn Foto-Bildern von Caspar Wolf, der zeichnet, sei eigentlich schon ein Widerspruch in sich selbst. «Die Scherbe ist der Albtraum einer Hausfrau, aber der Traum eines Archäologen», verdeutlicht Merz. Oder die Briefmarke mit dem Motiv eines Briefträgers. Auch Caspar Wolfs Meisterwerk «Beatushöhle mit dem Efeubaum» band Suter in eines seiner Werke ein, indem er ein Selbstbild des Malers zeichnet, der zeigt, wie er den Eingang zur Beatushöhle skizziert.

«Hugo Suter wollte so seine alte Liebe zu Caspar Wolf mit seinen gestalterischen Möglichkeiten auffrischen», meint Merz. Kunst, wenn sie denn was taugt, stelle neue Verbindungen her, lote sozusagen in die Leere hinein. «Der Hunger nach Bildern kommt von immer wieder neuen Entdeckungen des Alltäglichen. Ein neuer Augenaufgang vor neuen Bildern.»

Ein Augenaufgang vor neuen Bildern

Vor oder hinter einem Kunstwerk steht der Schöpfer, der Mensch. Früher oder später stelle sich der Wunsch ein, mehr über den Schöpfer zu wissen. «Wer ist der Mensch dahinter, welche Bilder von Kollegen hat er aufgehängt, wie lauten seine Einträge in seinem Tagebuch?» Seine Kollegin Marie-Louise Lienhard hat einmal treffend gesagt: «Kunst ist wie ein Spinnennetz, an allen vier Enden mit dem Leben verbunden.» Dies treffe auch auf Hugo Suter zu. Er wollte das Wesen der Dinge in seinen Bildern offenbaren, genau wie Caspar Wolf. Zwei Aargauer Künstler, die sich über zwei Jahrhunderte hinweg die Hand reichen. Eine grosse Liebe.


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