Stabilität statt Lotterie
21.11.2025 Region Oberfreiamt, KolumneAUS DEM GROSSEN RAT
Flurin Burkard, SP, Waltenschwil.
Beim Steuerwesen ist einiges im Gange: die Abschaffung des Eigenmietwerts, kantonale Steuergesetzrevisionen, die Neubewertung der Aargauer Liegenschaften. ...
AUS DEM GROSSEN RAT
Flurin Burkard, SP, Waltenschwil.
Beim Steuerwesen ist einiges im Gange: die Abschaffung des Eigenmietwerts, kantonale Steuergesetzrevisionen, die Neubewertung der Aargauer Liegenschaften. Und am Dienstag brütete der Grosse Rat über eine weitere Vorlage. Der Regierungsrat schlug vor, im Steuergesetz einen neuen Mechanismus zu verankern, der es dem Parlament bei guter Finanzlage und Jahresüberschuss erlaubt, Steuerrückvergütungen auf das folgende Steuerjahr zu beschliessen. Jedes Jahr hätte der Grosse Rat damit entscheiden können, ob und wie viele Steuerfussprozente rückvergütet werden sollen.
Auf den ersten Blick erscheint ein solches Instrument attraktiv. Systemisch ist es jedoch falsch. Schon heute legt der Grosse Rat jährlich den Steuerfuss im Rahmen des Budgets fest – und damit gleichzeitig auch, wofür die Steuereinnahmen verwendet werden sollen. Er hat dafür zu sorgen, dass sich Einnahmen und Ausgaben im Gleichgewicht befinden.
Die Ausgleichsreserve dient dabei als Puffer für konjunkturelle Schwankungen über die Jahre – ganz im Sinne des Prinzips: «Spare in der Zeit, so hast du in der Not.» Der Aargau ist mit diesem System gut gefahren und war in der Vergangenheit bereits auf gut gefüllte Reserven angewiesen.
Ein Instrument zur Rückerstattung von Steuern ist überflüssig und schwächt den Anreiz zu solider Budgetierung. Überschüsse könnten schliesslich kurzerhand wieder verteilt werden.
Und damit folgt das nächste Problem: Eine jährlich variierende Rückerstattung würde die Planbarkeit im Steuersystem untergraben. Die Steuerlast schwankte von Jahr zu Jahr. Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen wüssten erst im Nachhinein, wie viel Steuern sie tatsächlich zu bezahlen haben. Doch gerade stabile Rahmenbedingungen im Bereich der Steuern sind für Unternehmen und Private als Standortfaktor zentral.
Hinzu kommt: Neuzuzügerinnen und Neuzuzüger würden Rückerstattungen erhalten, die im Vorjahr von Leuten finanziert wurden, die aus dem Kanton Aargau weggezogen sind. Und Spitzenverdienende und Unternehmen könnten ihre Einkünfte und Gewinne dahingehend planen, dass sie in Jahren mit mutmasslichen Rückvergütungen anfallen. Von Gleichbehandlung der Steuerzahlenden kann darum überhaupt keine Rede sein.
Bei den nachträglichen Steuerrückerstattungen handelt es sich zudem um ein kurzfristiges Instrument mit unmittelbaren Auswirkungen auf mittel- und langfristige finanzpolitische Zielgrössen. Die Kohärenz der gesamten kantonalen Fiskal- und Finanzpolitik würde infrage gestellt. Ganz abgesehen vom administrativen Aufwand, den ein solches System verursachen würde.
All diese Argumente vermochten die Mitteparteien und die Liberalen nicht zu überzeugen – wenig erstaunlich, stammt die Idee doch ursprünglich aus ihren Reihen. Immerhin fand die SVP zur Vernunft und half am letzten Dienstag im Grossen Rat mit, diese überflüssige, systemfremde und bürokratiefördernde Vorlage zu versenken.

