«Suchende statt wissende Kirche»
01.12.2023 MuriHarmonische «Gmeind» der katholischen Kirche im Dachtheater des Klosters
Der Abstimmungskampf um die «Inspiration Matterhaus» war nochmals Thema an der Kirchgemeindeversammlung, doch nun klang es von beiden Seiten versöhnlicher.
...Harmonische «Gmeind» der katholischen Kirche im Dachtheater des Klosters
Der Abstimmungskampf um die «Inspiration Matterhaus» war nochmals Thema an der Kirchgemeindeversammlung, doch nun klang es von beiden Seiten versöhnlicher.
Thomas Stöckli
«Sie sitzen ja bequem», schickte Thomas Kron, Präsident der katholischen Kirchenpflege Muri, seinem Jahresbericht voraus, der etwas länger ausgefallen ist als üblich. Tatsächlich, die Kinosessel im Dachtheater des Klosters Muri sind für eine Gemeindeversammlung ausserordentlich komfortabel. Das Jahr 2022 war noch geprägt von den Nachwehen von Corona, vom Hin und Her ums Projekt «Inspiration Matterhaus», aber auch von vielen personellen Wechseln. Erwähnt seien die Demission von Pastoralraumleiter Stephan Stadler aus gesundheitlichen Gründen, seine interimistische Nachfolge durch Daniel Kyburz bis zum Start des neuen Leiters Karl Scholz, aber auch weitere Wechsel im Seelsorgeteam, in der Kirchenpflege und Verwaltung.
«Ein sehr intensives Jahr»
Derweil schrumpft die Kirchgemeinde. 103 Austritte wurden im letzten Jahr registriert. Und eine Trendwende zeichnet sich nicht ab: «Im laufenden Jahr haben wir das bereits übertroffen», verriet Kron. Als Hauptgrund nannte er die Pilotstudie zu Missbräuchen im katholischen Milieu. Ein Rückgang zeichnet sich auch bei den Sakramenten ab: Bei den Firmlingen lag die Zahl mit 46 deutlich über jenen der Erstkommunikantinnen und -kommunikanten (37) oder gar der Täuflinge (21).
Vor diesen Herausforderungen hat die Kirchenpflege ihre konstituierende Sitzung schon auf Mitte Dezember 2022, also vor dem Legislaturstart, angesetzt, um im Jahr 2023 gleich loslegen zu können. Kron sprach von einem «sehr intensiven Jahr», betonte aber auch, dass es innerhalb der Kirchenpflege nun sehr gut laufe.
Überschuss erwirtschaftet
Die Rechnung 2022 weist bei einem Aufwand von 3,43 Millionen und einem Ertrag von 4,11 Millionen Franken einen Überschuss von knapp 681 000 Franken aus. Budgetiert war ein Aufwandüberschuss von 142 000 Franken. Als Gründe fürs Plus nennt Finanzverwalterin Maria Küng nebst den über Erwarten hohen Steuereinnahmen und der Budgetdisziplin, auch – weniger erfreulich – die Stellenvakanzen. Von der Finanzkommission wurde ihre Buchhaltung als «ausserordentlich sauber geführt» gelobt, von der Versammlung die Rechnung einstimmig abgenommen. Der Ertragsüberschuss wird für die Bautätigkeit zurückgestellt, konkret für die Liegenschaften Kirchbühlareal. Auch nach dem Nein zur «Inspiration Matterhaus» bleibt dort Sanierungsbedarf. Fürs kommende Jahr rechnet die Kirchenpflege bei einem Steuerfuss von 21 Prozent wieder mit einem ausgeglichenen Ergebnis.
Der Finanzplan bis 2028 wurde mit dem Nein zur «Inspiration Matterhaus» zur Makulatur. Erwähnt seien hier die 750 000 Franken, die 2026 für die Fassadensanierung des Klosters eingeplant sind. Im Hinblick auf die Massnahmen vor dem Klosterjubiläum haben die Eigentümerschaften ein gemeinsames Koordinationsgremium zusammengestellt, wie Thomas Kron verriet.
Neue Auslegeordnung
Brigitte Keusch, in der Kirchenpflege unter anderem für die Finanzen zuständig, musste über fünf Abschiede von lang jährigen Mitarbeitenden orientieren. Pfarreisekretärin Carmen Rey wurde nach 18 Jahren in den Ruhestand verabschiedet, Joy Räber war gar 19 Jahre Präses von Blauring und Jungwacht. Sie durfte aber auch zwei Jubilare ehren: Josef Kunz amtet seit zehn Jahren als Archivar, Reinhard Keusch seit über 16 Jahren als Stimmenzähler, sein Jubiläum war im Vorjahr untergegangen. Verdankt wurde zudem der Einsatz von Hans Keusch als Aushilfssakristan.
Vier Jahre Planungsarbeit – von der Bedarfsabklärung bis zur Detailplanung – seien offenbar ein Irrtum gewesen, nahm Hans-Peter Frey, in der Kirchenpflege unter anderem für die «Inspiration Matterhaus» zuständig, unter «Verschiedenes» nochmals Bezug auf die verlorene Urnenabstimmung. Es tue ihm persönlich weh, die 500 000 Franken Planungskosten und den 300 000-Franken-Beitrag der Kabelfernsehgenossenschaft in den Sand gesetzt zu haben. «Ich bin enttäuscht, aber nicht demotiviert», stellte Frey klar, dass man nun nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern mit den Inputs der Gegnerschaft gute Lösungen für die Kirchgemeinde und deren Mitarbeitende finden wolle. So solle etwa der Archivar endlich einen zumutbaren Arbeitsplatz bekommen.
Karl Scholz, im Oktober deutlich zum neuen Gemeindeleiter gewählt, appellierte an die Mitglieder, eine suchende und nicht eine wissende Kirche sein zu wollen. Die entsprechenden Leitsätze seien derzeit in Arbeit, die Visualisierungen dazu werden in den Kirchen aufgehängt und fortlaufend aktualisiert.
«Regi-Chor» vor dem Jubiläum
Das letzte Wort hatte dann Bea Klausner, Dirigentin des «Regi-Chors». Aus der Jugendseelsorge Muri entstanden, feiert der Chor 2024 sein 45-jähriges Bestehen. Als Highlight bleibt das «Gospel-Christmas» mit John Brack aus dem Jahr 1999 in Erinnerung. Aktuell singen 24 Frauen und acht Männer mit, neue Stimmen seien willkommen, so Bea Klausner. Geprobt wird am Donnerstag abends von 20 bis 22 Uhr im Pfarreisaal. Nebst dem gemeinsamen Singen sei aber auch das Gesellige wichtiger Bestandteil des Vereinslebens. Dazu gehöre auch etwas Schabernack, wie die Dirigentin verriet und gleich einige Beispiele folgen liess.
Zu hören sein wird der Chor am Adventssingen vom 10. Dezember in der reformierten Kirche Muri. Das Jubiläum wird am 9. und 10. November 2024 gefeiert. An der Kirchen-«Gmeind» demonstrierte der Chor seine Vielseitigkeit. Auf das adventliche «Zünd a Liacht für di an» folgte der rockige «Beach Boys»-Klassiker «Barbara Ann», zu dem die Versammlungsteilnehmenden rhythmisch mitklatschten, ehe Thomas Kron sie kurz vor 21.30 Uhr mit guten Wünschen für eine besinnliche, angenehme Adventszeit in den Apéro entliess.
Die Beschlüsse
Genau 3524 Stimmberechtigte zählt die katholische Kirchgemeinde Muri. Mit 65 Anwesenden wurde das 20-Prozent-Beschlussquorum an der Kirchgemeindeversammlung deutlich verfehlt. Die Beschlüsse unterliegen somit dem fakultativen Referendum. Umstritten war allerdings keines der traktandierten Abstimmungsgeschäfte. Das Protokoll, die Verwaltungsrechnung und der Voranschlag mit einem Steuerfuss von 21 Prozent wurden einstimmig angenommen, der Finanzplan bis 2028, nach dem Nein zur «Inspiration Matterhaus» nicht mehr aktuell, ohne Gegenstimmen zur Kenntnis genommen. --tst