Super Bowl und Ibrahimovic

  12.01.2021 Sport

Aarau-Verteidiger Jérôme Thiesson lebt in Rudolfstetten und hat zwei Jahre in den USA gespielt

Der Vater ein Franzose, die Mutter eine Schweizerin. Seine Ehefrau hat serbisch-montenegrinische Wurzeln und er hat zwei Jahre lang in den USA gespielt. Es scheint, als kann sich Jérôme Thiesson überall auf der Welt schnell einfügen. So auch im Freiamt, wo er seit 2015 lebt. Und ebenso beim FC Aarau, wo er aktuell spielt.

Josip Lasic

Obwohl er 33 Jahre alt ist, hat Jérôme Thiesson nichts von seinem Ehrgeiz eingebüsst. Sein Ziel für die Rückrunde: «Ich bin zum FC Aarau gekommen, um vorne mitzuspielen», sagt der Abwehrspieler. Thiesson, der Routinier aus Rudolfstetten, führt das Team aus der Kantonshauptstadt im Aufstiegskampf an.

Aufgewachsen ist er in Hombrechtikon am Zürichsee. Ins Freiamt geführt hat ihn die Liebe. Seine Frau, mit der er seit zehn Jahren zusammen ist, ist in Rudolfstetten aufgewachsen. «Ich war viel auf dem Mutschellen, weil wir häufig bei ihrer Familie zu Besuch waren. 2015 haben wir ein Haus in Rudolfstetten gefunden, das uns gefällt.»

Auf nach Amerika

Für zwei Jahre hat die Familie aber dem Haus den Rücken gekehrt. Das war von 2017 bis 2019, als der Verteidiger in den USA spielte. Ende 2016 hat Thiesson eine neue Herausforderung gesucht – und wollte eine neue Kultur kennenlernen. Der Sohn eines Franzosen und einer Schweizerin ist bereits in zwei Kulturen aufgewachsen und hat durch seine Frau eine dritte kennengelernt.

Damals stand er beim FC Luzern unter Vertrag. Er kannte Super und Challenge League. «Ich habe mich nach Vereinen aus der 2. Bundesliga und der 2. spanischen Liga umgesehen. Plötzlich ergab sich das Angebot von Minnesota United.» Ihm gefiel die Idee. Und da seine Frau sehr USA-affin ist, musste er bei ihr keine grosse Überzeugungsarbeit leisten.

Abenteuer Minnesota

Zwei Jahre spielte Thiesson für das Team aus dem US-Bundesstaat Minnesota. Der Fussballclub ist in der Metropolregion der Zwillingsstädte Minneapolis und Saint Paul beheimatet. Vor Ort durfte der Wahlfreiämter erfahren, dass es für US-Amerikaner eher eine Region ist, wo sie ungern spielen. «Es ist im Norden, es ist kälter, für amerikanische Verhältnisse ist es eher klein. Einheimische spielen lieber für Vereine aus Miami, New York oder Los Angeles. Für uns war es eine grossartige Erfahrung.»

Thiesson erzählt, dass Minnesota der Staat der 10 000 Seen genannt wird und die Natur unglaublich ist. «Ich hätte noch 50 Jahre in Minnesota leben können und hätte nicht alle Seen gesehen.» Er berichtet, wie die Stadt Minneapolis herausgeputzt wurde, weil sie 2017 Gastgeber des Super Bowl war. Die Fussgängerzone mit zahlreichen Pubs und Essensständen war ein Genuss zum Ausgehen. Und er erinnert sich, dass die Stadien der Teams aus den grossen US-Sportarten alle in der Nähe seiner Wohnung waren und er oft Basketball- und Eishockeyspiele sowie American Football besucht hat.

Zwischen Stars und «No Names»

Die Erwartung des Athleten war, dass die Zeit in den USA eine Lebenserfahrung sein soll. «Ich kam aber fussballerisch auch voll auf meine Kosten», erzählt er. «Taktisch ist die MLS nicht auf dem Level der Super League und es gibt Spieler, die hätten kein Niveau für den Schweizer Profifussball. Dafür hat die MLS einige Ausnahmefussballer in ihren Reihen.»

So kam es während seiner Zeit in den USA zu Duellen mit Wayne Rooney, Bastian Schweinsteiger, Andrea Pirlo oder David Villa. Sie alle waren Gegner von Jérôme Thiesson. Ebenso sein grosses Vorbild, der ehemalige englische Nationalspieler Ashley Cole. Was nie zustande kommen sollte, war ein Duell gegen Zlatan Ibrahimovic. «Im ersten Aufeinandertreffen zwischen Minnesota und Ibrahimovics Club Los Angeles Galaxy war er verletzt. Im zweiten sass ich nur auf der Bank. Aber selbst von dort konnte man seine Ausstrahlung wahrnehmen. Ich war nur auf ihn fixiert und so ging es fast dem ganzen Stadion. Was für ein Fussballer.»

Zwischenstopp Rapperswil

Nach zwei Jahren war das Abenteuer USA vorbei. Als sein Vertrag in Minnesota kurz vor dem Auslaufen war, führte der Wahlfreiämter Verhandlungen mit dem FC Aarau und hat ab Juli 2019 unterzeichnet. Der Fussballer und seine Familie konnten in ihr Haus in Rudolfstetten zurückkehren. Da die Saison in den USA im Winter zu Ende ging, spielte er für ein halbes Jahr noch bei Rapperswil-Jona, ehe er zum Vollzeit-Aargauer wurde.

Der zweifache Vater hat noch zwei Jahre Vertrag bei den Aarauern, absolviert nebenbei den Bachelor in Sportmanagement und diverse Trainerdiplome. Aktuell denkt er noch nicht ans Karriereende. In Aarau macht ihm der Fussball grossen Spass. «Wir haben eine gute Mischung aus alten und jungen Spielern. Die Jungen sind sehr ehrgeizig und wollen lernen. Das gefällt mir.» Auch wenn die Karriere eines Tages zu Ende ist: Mit seiner Erfahrung und seinem Geschick, sich in ein neues Umfeld einzuführen, wird er eine Tätigkeit finden, die zu ihm passt.


Freiamt ans Herz gewachsen

Thiessons Zukunft könnte auch fussballerisch im Freiamt liegen

Jérôme Thiesson ist das Freiamt ans Herz gewachsen. Er sagt, dass er sich sogar vorstellen könnte, in ein paar Jahren bei den Senioren des FC Mutschellen zu spielen. «Nach der Profi-Karriere sehe ich mich eher bei den Senioren als in einer tieferen Liga. Weil meine Kollegen von früher und ich uns nicht entscheiden können, habe ich scherzhaft den FC Mutschellen vorgeschlagen», sagt Thiesson.

Da Hombrechtikon keinen eigenen Verein hat, musste er als Junior in den Nachbarort, um Fussball zu spielen. Sein Stammclub ist der FC Stäfa. Ein Teil seiner Jugend-Kollegen sind aber beim FC Meilen und beim FC Männedorf gross geworden. «Bevor wir also gross diskutieren, zu welchem Verein wir bei den Senioren wechseln, wäre Mutschellen doch ein Kompromiss. Momentan sind es noch Sprüche, aber wer weiss, wie es kommt.» --jl


Thiessons Stationen

Junioren: FC Stäfa, FC Zürich
2006–2007: FC Zürich
2007–2008: FC Wil
2009–2011: AC Bellinzona
2011–2017: FC Luzern
2017–2019: Minnesota United
2019: FC Rapperswil-Jona
2019–aktuell: FC Aarau


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