TikTok, Titel und grosses Turnier
02.06.2023 Sport, FussballPilgrim mit Titelchance
Die Murianerin Alayah Pilgrim könnte mit den Frauen des FC Zürich ihren ersten Titel gewinnen. --red
Fussball, Womens Super League, Play-off-Final: Alayah Pilgrim will den Titel mit den Frauen des ...
Pilgrim mit Titelchance
Die Murianerin Alayah Pilgrim könnte mit den Frauen des FC Zürich ihren ersten Titel gewinnen. --red
Fussball, Womens Super League, Play-off-Final: Alayah Pilgrim will den Titel mit den Frauen des FC-Zürich (Freitag, 20 Uhr)
Stürmerin Alayah Pilgrim aus Muri blickt auf eine Glanzsaison zurück. Nach der Champions League und dem Nati-Aufgebot könnte sie heute Freitag eine weitere Premiere feiern: den ersten Meistertitel. Im Play-off-Final spielt der FC Zürich gegen Servette. «Wir alle wollen diesen Sieg mit allen Mitteln erreichen», erzählt die 20-Jährige, die von der WM im Juli träumt.
Stefan Sprenger
Tanja Pilgrim kommt nach Hause. Das Mami der Profifussballerin Alayah Pilgrim ist wie die Tochter: fröhlich, positiv, freundlich. Der Lachs und das Gemüse stehen schon bereit und werden sofort gekocht. Mit dem Kochlöffel in der Hand sagt die Mama stolz: «Sie ist fokussiert. Bodenständig. Ein sehr herzlicher Mensch.»
4,3 Millionen Menschen schauen sich ihr Video an
Alayah Pilgrim ist gerührt. Und schmeisst das Kompliment zurück: «Meine Mutter macht unglaublich viel für mich. Sie ist inspirierend. Wir sind wie beste Freundinnen, ein starkes Team. Sie ist irgendwie auch meine Managerin.» Nicht nur früher, als es darum ging, die Tochter ins Training zu fahren. Sondern auch heute noch, wenn es ums Kochen geht, um Organisation, um Entscheidungen – oder um Social Media.
Denn dort ist Alayah Pilgrim ein kleiner Star. Ihr folgen 60 000 Menschen auf TikTok und 118 000 Menschen auf Instagram. Vor wenigen Wochen erreichte sie mit einem Beitrag ihre persönliche Rekordreichweite. 4,3 Millionen Leute schauten sich ihr Video an.
Sie lebt vom Fussball und Social Media
Die Fotos und Kurzvideos, mit denen sie ihre Follower «füttert», werden oft von ihrer Mutter gemacht. «Das ist aufwendiger, als viele meinen», meint die 20-Jährige. Und es ist wohl auch lukrativer, als viele glauben. Denn den Job als Krankenschwester hat Alayah Pilgrim vor einem halben Jahr endgültig zur Seite gelegt. Ihr Leben finanziert sich zu einem Teil durch ihr Engagement als Profifussballerin, zu einem anderen, grösseren Teil durch die Einnahmen auf den sozialen Plattformen. Bezahlte Partnerschaften nennt sich das. Pilgrim wird von Firmen angeschrieben und gefragt, ob sie bereit wäre, für ein bestimmtes Produkt zu werben. «Wichtig ist, dass ich dahinterstehen kann», sagt sie. Hafermilch oder umweltfreundliches Shampoo: Pilgrim achtet auf ihre Werte. «Für junge Mädchen bin ich ein Vorbild. Und ich will diese Rolle auch wahrnehmen. Für mich ist es auch wichtig, den Frauenfussball populärer zu machen mithilfe von TikTok und Instagram.» Pilgrim sagt, sie werde oft in Städten wie Luzern oder Zürich auf der Strasse von jugendlichen Frauen erkannt und um ein Autogramm oder ein Selfie gebeten.
Es gibt auch üble Sprüche und ungewollte Hausbesuche
Dies sei eine weitere positive Eigenschaft der sozialen Medien. «Es gibt aber auch negative Aspekte.» Hasskommentare. Üble Sprüche gegen sie oder den Frauenfussball. Oder Leute, die plötzlich bei ihr zu Hause in Muri aufgetaucht sind. Doch dies bringt die junge Frau nicht aus der Ruhe, dafür ist sie viel zu positiv. «Solche Dinge ignoriere ich.»
Ihr Leben ist ein Balanceakt zwischen den sozialen Medien, dem Fussball und ihrem Privatleben. Dort hat sie nebst ihrer Mutter Tanja, der Schwester Aileen und Bruder Jalil ebenfalls grossen Rückhalt von ihrem Freund Elijah Okafor. Der Bruder von Nati-Spieler Noah Okafor spielt beim FC Biel und weiss deshalb bestens, was der Fussball alles mit sich bringt.
«Unglaubliche Erfahrung»
Und dieser Fussball hatte in dieser Saison so einige Überraschungen für die junge Freiämterin bereit. Nach ihrem Wechsel vom FC Basel zu den FC-Zürich-Frauen durfte sie in der Champions League ran. Arsenal, Lyon und Juventus Turin hiessen die Gegnerinnen. «Das war eine unglaubliche Erfahrung.» Und in der Königsklasse merkte sie auch, wohin ihr Weg vielleicht gehen könnte. «Im Gegensatz zu uns waren das alles Vollprofi-Spielerinnen. Sie waren stärker, schneller, cleverer. Einfach top.» Ihr Ziel wäre es auch einmal, im Ausland zu spielen, am liebsten natürlich bei einem Topclub. Doch sie nimmt ihre Karriere Schritt für Schritt. Und in dieser Saison hatte sie eigentlich nur ein grosses Ziel: verletzungsfrei bleiben. Letzte Saison beim FC Basel kämpfte sie oft mit muskulären Problemen. Beim FC Zürich wurde gezielter trainiert, langsam herangeführt. «Das brauchte Geduld, aber es hat sich gelohnt.» Pilgrim, die einen Vertrag bis 2025 beim FCZ hat, ist wohl so stark wie nie zuvor.
«Es wird eine enge Kiste, aber wir sind topmotiviert»
Und das will sie heute Freitag im Play-off-Final beweisen. Im Kybunpark in St.Gallen spielt der FC Zürich gegen Servette FC Chênois Féminin. Nebst Alayah Pilgrim wird mit Verteidigerin Julia Stierli eine weitere Akteurin aus Muri beim FCZ auflaufen. Es wird ein hochspannendes Duell um den Meistertitel erwartet. Servette setzte sich im Halbfinal gegen den FC St.Gallen knapp mit dem Gesamtskore von 4:3 durch. Der FCZ seinerseite besiegte im Derby die Grasshoppers deutlich mit 3:2 und 5:1. In den beiden Duellen in den regulären Meisterschaften siegte Servette 4:2 und einmal gab es ein Unentschieden (1:1). «Die beiden besten Teams der Schweiz stehen im Final. Es wird eine enge Kiste, aber wir sind topfit, topmotiviert und wir wollen diesen Pokal unbedingt», sagt Pilgrim, die in dieser Saison sieben Tore erzielt hat.
Traum von der WM
Der Lachs ist durch. «Essen ist fertig», sagt Mutter Tanja. Sie wird natürlich heute im Stadion sein. Ehrensache. «Meine drei Kinder sind mein ganzer Stolz.» Alayah Pilgrim muss etwas sagen. «Sie hat mich von Anfang an unterstützt. Bei meinen ersten Jahren beim FC Muri, beim FC Aarau, beim FC Basel und jetzt beim FC Zürich. Mama war immer da. Ihr Support ist riesig. Und dafür bin ich sehr dankbar.» Da fällt der Mutter beinahe der Kochlöffel aus der Hand. Tanja Pilgrim, als schulische Heilpädagogin tätig (gerade an der Schule in Fischbach-Göslikon), ist mehr als gerührt. «Sorry, Mama, dich finden einfach alle toll», sagt die Tochter.
Zum Schluss wird Alayah Pilgrim noch gefragt, wie denn ihre Chancen stehen für eine Teilnahme an der Fussball-Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland. Im letzten November erhielt die Nachwuchs-Nationalspielerin erstmals ein Aufgebot für die A-Nati (konnte aber krankheitsbedingt nicht dabei sein). Darf sie an die WM? «Ich rechne nicht damit», sagt sie beim Gespräch vor 10 Tagen. Gestern Donnerstag sieht die Welt aber anders aus. «Ich bin bei der ersten WM-Vorbereitungswoche bei der Nati mit dabei», schreibt sie in ihrer Nachricht. Und das freut sie riesig. «Ich werde Vollgas geben, ohne Druck», sagt die Stürmerin. Es ist noch kein definitives Aufgebot für die Weltmeisterschaft, aber es ist eine Chance, die sie erhält. Wenn sie dann im Verlauf der WM-Vorbereitung aus dem Kader gestrichen wird, «dann ist es eben so». Ihre freie Zeit im Sommer würde sie jedenfalls sinnvoll nutzen: Ferien mit dem Freund und der Familie.