Tradition weiterleben
11.11.2022 MuriAdelburger feiern 250-jähriges Bestehen
Wie die Fasnacht vor 250 Jahren in Muri war, das kann der aktuelle Adelburger Schultheiss Simon Waltenspühl nicht sagen. Dass sie heute anders ist, das liegt auf der Hand. Die Fasnachtsgesellschaft hat eine bewegte Geschichte hinter ...
Adelburger feiern 250-jähriges Bestehen
Wie die Fasnacht vor 250 Jahren in Muri war, das kann der aktuelle Adelburger Schultheiss Simon Waltenspühl nicht sagen. Dass sie heute anders ist, das liegt auf der Hand. Die Fasnachtsgesellschaft hat eine bewegte Geschichte hinter sich – mit Hochs, wie der beliebten Coop-Fasnacht, aber auch mit Tiefs, wie den Kriegs- und Krisenjahren. --ake
Einst warens über 30 Stadträte
Die Fasnachtsgesellschaft Muri-Adelburg gibt es seit 251 Jahren – heute steigt die grosse Feier
1771 taucht die Fasnachtsgesellschaft Muri-Adelburg erstmals in Dokumenten auf, die im Archiv gelagert werden. Vier langjährige Fasnächtler erzählen aus der Geschichte der Adelburger und sprechen auch über Herausforderungen, die in der Zukunft anstehen.
Annemarie Keusch
Simon Waltenspühl blättert in den Ordnern. Immer wieder nimmt er ein altes, fragiles Dokument aus einer Sichtmappe, faltet dieses behutsam auf. «Schon verrückt», sagt er. Die Schrift zu entziffern, ist nicht ganz einfach. 1907 steht auf einem der Dokumente, wo es um die Rücktrittsankündigung des langjährigen Schultheissen Stephan Waltenspühl geht. «Nein, nah verwandt sind wir nicht», stellt der aktuelle Schultheiss der Adelburger klar. Ein paar Seiten weiter vorne fällt ihm ein weiteres, leicht vergilbtes Dokument auf. «Das Programm der Fahnenweihe der ersten Fahne», weiss Waltenspühl. All diese Ordner mit der ganzen Geschichte der Fasnachtsgesellschaft legt er heute Abend im Saal des Roth-Hauses auf. Dann, wenn über 80 aktive und ehemalige Adelburger zusammenkommen, um das grosse Jubiläum zu feiern.
251 Jahre – so lange gibt es die Fasnachtsgesellschaft bereits. «Mindestens», sagt Simon Waltenspühl. Dokumente aus der Gründungszeit seien keine vorhanden. «Aber im Archiv haben wir Unterlagen gefunden. Die erste Erwähnung unserer Stadt ist aus dem Jahr 1771», erzählt er. Warum die Fasnachtsgesellschaft damals entstanden ist, darüber kann heute nur spekuliert werden. Willi Staubli, der wie Waltenspühl seit über 20 Jahren dem Stadtrat angehört, tut dies: «Die Fasnacht steht in engem Zusammenhang mit dem Kloster. Das Leben muss damals sehr streng gewesen sein. Nur während drei Tagen im Jahr durfte man alles sagen, was man denkt, die Sau rauslassen. Darum ist die Fasnacht rund um klösterliche Anlagen besonders verbreitet.»
«Die Älteste, die Beste»
Neben Staubli und Waltenspühl sind Kurt Küng und Reto Wernli zwei weitere Urgesteine der Adelburger Fasnacht, Wernli ist gar Ehren-Schultheiss. Sie blicken zurück auf ihre ersten Erinnerungen an die Fasnacht. Staubli und Waltenspühl sind in Muri aufgewachsen, waren schon als Kinder mit ihren Vätern an Schlüsselübergaben dabei. Kurt Küng kam über Helfereinsätze dazu und Reto Wernli wollte nach seinem Zuzug nach Muri sein Hobby Fasnacht weiter ausleben. «Also informierte ich mich und ich wohnte per Zufall im Gebiet der Adelburger. So habe ich mich hier angeschlossen.»
Natürlich, die Adelburg ist für sie alle die schönste Stadt. «Die älteste», sagt Simon Waltenspühl. «Einfach die beste», meint Reto Wernli. Sie lachen, meinen es aber irgendwie trotzdem ernst. So viel Stolz muss sein. «Wir haben einen eigenen kleinen Park. Das ist einmalig», sagt Kurt Küng. Ein Brunnen, ein Gedenkstein und zwei Fahnen stehen darauf. Immer zur Fasnacht folgt eine dem Motto getreue Dekoration.
Personelle Herausforderungen
Die Rivalität unter den Fasnachtsgesellschaften in Muri – sie ist historisch bedingt. Die Adelburger erzählen von «Kriegen», die früher beim Roth-Haus ausgetragen wurden. Oder davon, dass die Wiener Wegzoll eingezogen hätten, wenn jemand zum Kloster wollte. «Mittlerweile arbeiten wir eng zusammen, schon länger für den Umzug, mittlerweile auch für andere Anlässe», weiss Waltenspühl. Das jährliche Treffen der Schultheissen ist Zeichen der Verbundenheit.
Es ist nicht wegzudiskutieren, dass diese Zusammenarbeit auch damit zu tun hat, dass die Gesellschaften immer mehr Mühe bekunden, Nachwuchs zu finden. Die Adelburger gehen im Kopf die alten Bilder durch. «Zum Teil waren bis zu 30 Leute im Stadtrat», weiss Willi Staubli. Aktuell sind es acht, erstmals sind zwei Frauen dabei, eine davon die Tochter des Schultheissen. «Auch wir müssen dafür kämpfen, Junge zu motivieren.» Aber auch aus der Geschichte wissen die Fasnächtler, dass es solche Auf und Abs immer gab. «Natürlich, seit es die Guggenmusiken gibt, ist das eher die Welt der Jungen. Aber wir haben schon andere Herausforderungen gemeistert», sagt Simon Waltenspühl. Corona und die damit quasi abgesagte Fasnacht ist ein Beispiel. «Es war aber nicht das erste Mal, dass die Fasnacht ausfiel», weiss Reto Wernli. 1907 zum Beispiel fiel sie der Maul- und Klauenseuche zum Opfer und auch während der Kriegsjahre wurde ausgesetzt.
Vom Monolith zum Ampère-Chäferli
Die Fasnacht in der Stadt Adelburg lebt und sie überlebt auch anstehende Herausforderungen, ob diese personeller Natur sind oder beispielsweise das Beizensterben. «Uns gibt es auch in 250 Jahren noch, ganz sicher», sind sich die vier einig. Die Geschichte zeigt, dass immer Neues hinzukam, etwa die Coop-Fasnacht am Schmutzigen Donnerstag. «Ursprünglich waren es ein Grill, zwei Festbänke und wenige Pumpkrüge voller Kafi Schnaps, mittlerweile ist es ein nicht mehr wegzudenkender Teil der Murianer Fasnacht», sagt Reto Wernli. Auch der KiFa-Ball für die Kleinsten sei äusserst beliebt. Beide Steckenpferde der Adelburger Fasnacht gehören seit über 20 Jahren zum fixen Programm.
Zu x verschiedenen Mottos haben sie sich schon verkleidet. «An die Ampère-Chäferli erinnere ich mich gut», sagt Kurt Küng. Auch der Monolith oder als sie sich zu «Useputzt» als Frauen verkleideten, blieb allen in Erinnerung. Sie schätzen es, als Teil des Stadtrats eine Fasnacht für Klein und Gross auf die Beine zu stellen. «So können wir ganz vielen Leuten eine Fasnachtsplattform bieten», sagt Willi Staubli. Etwas zu organisieren, das allen Spass macht, das sei eine tolle Sache. «Und das wird es auch in Zukunft brauchen», sind sie überzeugt. Wenn auch vielleicht in anderer Form, wieder mit mehr mithelfenden Leuten. «Wir geben unser Bestes, diese zu finden», sagt Simon Waltenspühl. Gerade auch Neuzuzüger, die mit den örtlichen Fasnachtsbräuchen noch wenig vertraut sind, gelte es anzusprechen. Auch ausserhalb der Fasnacht präsent sein im Dorf. «Ferienpass, Seifenkistenrennen, wir probieren es bereits.»
Neues Ornat
Ein Blick in die Geschichtsbücher der Adelburger zeigt, wie sich die Welt verändert hat. Die Kosten für Hirsmontag-Versammlungen beliefen sich alles in allem auf 7.80 Franken. Der Jahresgewinn vor hundert Jahren bestand aus 20 Rappen. «Oder am Umzug wurden 15 Franken eingenommen. Heute hat ein solcher Anlass ein Budget von 150 000 Franken», sagt Waltenspühl. Allen Veränderungen zum Trotz, die Fasnachtsgesellschaft Adelburg ist als Konstante geblieben. Und das hat sie nicht vor zu ändern. Erst recht nicht mit den neuen Ornaten, die am Chappe-Obig am 13. Januar erstmals präsentiert werden. «Nach über 30 Jahren war es Zeit für neue», sagt Simon Waltenspühl. Die Farbe Blau bleibt, mehr wollen sie noch nicht verraten.