Umweg führt zu Abkürzung
19.05.2023 MuriEin Schritt retour, zwei nach vorn
Die Testplanung Zentrum Bahnhof in Muri ist abgeschlossen – und bringt erfreuliche Erkenntnisse
Es hat seine Zeit gedauert, bis die Testplanung aufgegleist und realisiert war. Dank dieser Arbeit können ...
Ein Schritt retour, zwei nach vorn
Die Testplanung Zentrum Bahnhof in Muri ist abgeschlossen – und bringt erfreuliche Erkenntnisse
Es hat seine Zeit gedauert, bis die Testplanung aufgegleist und realisiert war. Dank dieser Arbeit können nun aber einige Schritte übersprungen werden.
Annemarie Keusch
Es war ein Schritt zurück. Ein bewusster Schritt retour, für den sich der Gemeinderat und die Murianer Bevölkerung vor drei Jahren entschieden. Die Gemeinde sollte die Planung selbst in die Hand nehmen. Von einer Testplanung war die Rede. Viele Leute arbeiteten daran, Experten auf diversen Gebieten, aber auch Interessierte aus der Bevölkerung.
Mittlerweile ist diese Testplanung abgeschlossen. Drei verschiedene Teams haben sich intensiv mit den Fragen beschäftigt, die im Vorfeld umfangreich und detailliert gestellt wurden. Nun ist klar, dank diesem Vorgehen braucht es keinen städtebaulichen Wettbewerb.
Der Schritt zurück ermöglichte es, einen folgenden zu überspringen. «Weil eines der Projekte derart überzeugt», sagt der zuständige Gemeinderat. Vor allem, weil der Busbahnhof im Norden vorgesehen ist, aber auch weil den bestehenden Gebäuden im Perimeter mehr Bedeutung zugemessen wird.
Gemeinderat Küng spricht von «Hosenlupfen in den Gedankengängen». Gemeindepräsident Hans-Peter Budmiger betitelt es als «Schwarmintelligenz». Nun wird dieses eine Projekt intensiv weiterverfolgt, Details werden ausgearbeitet. Vieles ist noch unklar, aber einiges auch fix. Etwa, dass die Aarauerstrasse nicht umgeleitet wird. «Es macht keinen Sinn», sagt Küng.
Nach Abschluss der Testplanung ist klar, in welche Richtung es beim Zentrum Bahnhof gehen soll
Der zuständige Gemeinderat Beat Küng spricht von einem Meilenstein. Dass die Testplanung abgeschlossen ist, ist das eine. Dass daraus ein konkretes Projekt hervorgeht, das weiterverfolgt wird, damit durften die Verantwortlichen nicht rechnen. Umso grösser ist die Freude – bei allen Beteiligten.
Annemarie Keusch
Knackpunkt. Aha-Moment. Durchbruch. Es sind Worte, mit denen Beteiligte die Tatsache beschreiben, dass ein Projektteam den Busbahnhof nördlich auf dem Areal plante, entflechtet vom Bahnhof. Es ist einer der Punkte, die dieses Konzept derart überzeugend machen. «Pragmatisch, robust und sehr schlüssig. So fällt das Fazit der Fachleute aus, genau wie meines», sagt Beat Küng, der zuständige Gemeinderat. Dadurch gibts Platz. Platz für eine Wohnsiedlung direkt entlang der Gleise. Und Platz, um im heutigen Villenquartier zwischen Bahnhof und Aarauerstrasse nicht zu kompakt bauen zu müssen, Platz für Grünflächen zu haben, allenfalls für eine Kulturvilla mit Café als Willkommenstor der Gemeinde.
So konkret ist noch nichts. «Es wird noch ganz weit ins Detail gehen. Aber viele Fragen konnten durch die Testplanung geklärt werden», freut sich Beat Küng. Die Testplanung, sie war vor drei Jahren der Schritt, den der Gemeinderat einleitete, nach dem gescheiterten Gestaltungsplanverfahren mit privaten Investoren. Die Planung selbst in die Hand nehmen, darum ging es. Dass dies der richtige Weg war, davon sind die Beteiligten auch heute noch überzeugt. Auch jene, die in der Begleitgruppe Bevölkerung mitarbeiteten. «Es gibt ein, zwei Überbauungen in Muri, die nicht funktionieren. Es soll hier kein weiteres Beispiel dafür entstehen», sagt etwa Regula Marthaler.
Viele Fragen sind beantwortet
Dafür ist das Gebiet beim Bahnhof zu wichtig, die Visitenkarte des Dorfes für ganz viele, die in Muri ankommen. Darum hat der Gemeinderat die Zügel selbst in die Hand genommen, viel Zeit und Energie dafür aufgewendet, um die Testplanung zu organisieren, die richtigen Leute – Experten und Laien – am richtigen Ort einzusetzen und festzulegen, welche Fragen in der Testplanung beantwortet werden sollen. «Das ist ein Dokument über 40 Seiten», veranschaulicht Beat Küng. Eine Auslegeordnung sollte es geben, an der drei Teams, bestehend aus Architekten, Verkehrsplanern und Landschaftsarchitekten, arbeiten, sich gegenseitig zuhören, voneinander profitieren. «Dabei sollten diese Teams in möglichst unterschiedliche Richtungen gehen», sagt Küng. Und so war es denn auch.
Eines ging von viel Freiraum, Grün und Platz für öffentliche Nutzung aus, stattdessen soll bei der späteren Überbauung Brühl verdichteter gebaut werden. «Wenig Wohnbauten, wenig realistisch», fasst Beat Küng zusammen. Auch die Abhängigkeit zum Gebiet Brühl hätten die Fachleute als Nachteil taxiert. Aber auch die gegenteilige Lösung überzeugte nicht komplett. Eine Blockrandsiedlung, die den Lärm von Strasse und Bahnlinie abfängt, Innenhöfe als Grünflächen. «Es wäre eine neue Kleinstadt, die am Bahnhof entsteht. Passt das zum ländlichen Muri?» Solche Fragen konnten nicht schlüssig beantwortet werden. Dass eine Etappierung nicht möglich ist, kam erschwerend dazu.
Abklären, ob erhaltungsfähig und -wert
Und dann gibt es eben noch die dritte Variante. Jene mit dem Busbahnhof im Norden des Bahnhofgebietes, mit der Wohnsiedlung direkt an den Gleisen. «Das geht mit der richtigen Bauweise ohne Probleme», sagt Beat Küng. Jene, die die bestehenden Gebäulichkeiten als Vorlage nimmt. Eine Kulturvilla ist angedacht. «Ob das die bestehende Villa Wild sein wird, müssen Abklärungen zeigen. Wir müssen überprüfen, ob diese erhaltensfähig und -wert ist», erzählt Küng. Die Bäume, aber auch historische Gebäude stehen lassen, so ist es vorgesehen. «Aktuell ist die Dichte noch relativ tief, aber hier gibt es bestimmt Möglichkeiten», sagt Küng. Ein grosses Plus dieses Vorschlags ist die Etappierung. Acht unabhängige Teilprojekte sind angedacht. Ob eines davon das neue Gemeindehaus ist? «Für solche Entscheide ist die Flughöhe noch zu hoch. Aber Platz hätte es», antwortet Küng. Überhaupt, was auf den aktuellen Plänen als Idee eingezeichnet ist, sei noch nicht sakrosankt. «Das wird alles noch bis in die Details besprochen, wenn es in ein Richtprojekt überführt wird», erklärt Küng.
Eine Auslegeordnung und von allen Projekten das Beste nehmen, das ist das gängige Vorgehen bei Testplanungen. Hier ist es anders. Hier überzeugt eines der Konzepte derart, dass an diesem weitergearbeitet wird. «Das heisst aber nicht, dass keine Sequenzen der anderen einf liessen», betont Gemeindepräsident Hans-Peter Budmiger. Einen städtebaulichen Wettbewerb kann man sich sparen, direkt in das Richtprojekt, den Entwicklungsrichtplan und den Gestaltungsplan übergehen. Bis Ende Jahr soll das Konzept zu einem Richtprojekt verdichtet sein. «Bis die Bagger am ersten Ort auffahren, wird es sicher 2026», sagt Küng. Und trotzdem sei das Projekt einen grossen Schritt weiter.
Achterbahnfahrt für Gemeinderäte
Vom Tisch ist ein Thema, das vor allem in der Begleitgruppe Bevölkerung für viele Diskussionen gesorgt hat: die Verschiebung der Aarauerstrasse. «Es bräuchte viel mehr Strassenfläche und wir würden damit 10 bis 15 Jahre und mindestens gleich viele Millionen Franken verlieren», verdeutlicht Beat Küng. Die Nachteile überragen die Vorteile. Kommt hinzu, dass innerhalb des Prozesses klar wurde, dass die Klostermauer Richtung Aarauerstrasse als nicht weniger schützenswert eingestuft werde als das Kloster selbst. «Dann bringt es nichts, wenn die Aarauerstrasse verlegt wird und die Mauer den möglichen grossen Park nach wie vor trennt», ist für Küng klar. Stattdessen soll die Aarauerstrasse neu gestaltet und aufgewertet werden und damit die Verkehrsteilnehmenden automatisch dazu gebracht werden, weniger schnell zu fahren.
Nicht allein darauf gekommen
Die Testplanung Zentrum Bahnhof ist abgeschlossen. Die Achterbahnfahrt vorbei. «Manchmal zweifelte ich daran, ob hier je ein Projekt realisiert wird wegen der vielen Einschränkungen. Manchmal lösten die kreativen Ideen eine richtige Euphorie aus», erklärt Küng. Ähnlich ging es Budmiger: «Es gab Momente, an denen ich mich fragte, ob wir dank den vielen Experten und Involvierten wirklich schläuer werden. Jetzt ist klar, von alleine, ohne diese aufwendige Testplanung, wären wir nicht auf dieses Konzept gekommen.» Wegen des Zeitdrucks Abkürzungen suchen zu wollen, sei nicht immer die beste Variante. Hier führt ein vermeintlicher Umweg zu Abkürzungen.