Viel trainiert, wenig gespielt

  05.01.2021 Sport

Profihandballerin Daphne Gautschi in Metz

2020 trainierte Daphne Gautschi sehr viel, doch kam beim französischen Topteam Metz kaum zum Einsatz.

Aus dem Handball-Wunderkind wurde ein riesiges Talent bei einem der grössten Topteams von Europa. Daphne Gautschi, heute 20 Jahre jung, spielt bei Champions-League-Teilnehmer und Tabellenführer Metz in Frankreich. Wobei sie in diesem Jahr im Star-Ensemble keine tragende Rolle hatte und kaum an die Spiele mitdurfte. «Ich komme trotzdem vorwärts», so Gautschi. Im Sommer 2021 läuft ihr Vertrag aus. --spr


Ein Jahr auf dem gleichen Tritt

Profihandballerin Daphne Gautschi über ihr schwieriges Jahr bei Metz in Frankreich

Für einmal geht ihre Karriere nicht steil bergauf. Die 20-jährige Daphne Gautschi trainiert in Metz zwar viel, kommt aber selten zum Einsatz. Über die Festtage besuchte sie ihre Familie in Muri und spricht über ihre turbulente Saison und ihre Zukunft.

Stefan Sprenger

Zu Weihnachten gibts Fondue chinoise. Daphne Gautschi strahlt über das ganze Gesicht. Die Profihandballerin ist glücklich, wieder in ihrer Heimat zu sein – wenigstens ein paar Tage. Denn nach Weihnachten reist sie gleich wieder ab Richtung Metz. «Das Training geht wieder los.» Sie geniesst die Zeit und auch die «lockeren» Coronaregeln in der Schweiz. «In Frankreich darf man das Haus nur mit einer Genehmigung verlassen», erzählt sie.

Viel Training, wenig Spiel

Trainieren, das ist etwas, was sie im Jahr 2020 sehr viel gemacht hat. Am Montag, Dienstag und Mittwoch vor Weihnachten ganze sechs Mal. «Anstrengend und toll» findet sie das. «Immerhin dürfen wir gemeinsam trainieren. Das ist ein Privileg», so Gautschi.

Doch spielen darf sie kaum. Ihre spielerische Abstinenz begann schon im Sommer 2019. In der Saison 2019/20 wechselte sie auf Leihbasis zum deutschen Meister Bietigheim. Ein europäisches Topteam. Dort hiess der Trainer Martin Albertsen, der ebenfalls Coach der Schweizer Frauen-Nationalmannschaft war. Kurios: Gautschi spielte im Star-Ensemble des Bundesliga-Clubs eine untergeordnete Rolle. In der Nationalmannschaft war sie allerdings eine Leistungsträgerin. Wieso? «Der Trainer setzt auf die Spielerinnen, die ihm zur Verfügung stehen», sagt die Rückraumspielerin. In Bietigheim eine Nebenrolle, in der Schweiz der Star. 2019 wurde sie zur besten Schweizer Handballerin gekürt. Auch heute noch ist sie in der Nationalmannschaft eine Leistungsträgerin.

Und das, obwohl sie im Jahr 2020 kaum zum Einsatz kam. Erst in Bietigheim, dann bei Metz. Im Sommer brach sie ihre Zelte in Deutschland ab und ging zurück in ihr «Nest» nach Metz. «Es ging alles sehr schnell. Ich konnte mich wegen Corona nicht einmal bei allen verabschieden», blickt sie zurück.

«Das Training bringt mich vorwärts»

In Metz wartet ihr Freund, mit dem sie zusammenwohnt. Gautschi beginnt BWL zu studieren. «Nach Muri ist Metz mein zweites Zuhause geworden», sagt Gautschi, die mittlerweile beinahe perfekt französisch spricht. Doch zurück an ihrem Wohlfühl-Ort kann sie sich nicht etablieren. Auch Metz ist ein europäisches Topteam, auch hier hat es viele Spielerinnen mit Weltklasse-Format, die jüngst an der Handball-EM mit ihren jeweiligen Nationalteams bis ganz nach vorne gekommen sind. «Schwierig», meint Gautschi. Sie trainiert viel, spielt aber beim Tabellenführer weder in der Meisterschaft noch in der Champions League. Trotzdem ist sie positiv gestimmt: «Das Training in diesem starken Team bringt mich vorwärts.»

Vertrag läuft im Sommer aus – und dann?

Ihre kometenhafte Karriere ist etwas ins Stocken geraten. Schon mit 11 Jahren war sie beim Aufstieg der Murianer Frauen in die 2. Liga ein wichtiger Faktor. Mit 15 ging sie zu LK Zug und war ein Jahr später bereits eine feste Grösse in der Nationalliga A. Im Jahr 2017 klopfte das französische Topteam Metz an ihre Tür – und sie öffnete. In der zweiten Mannschaft setzte sie sich durch, in der ersten Mannschaft wurde sie immer mehr integriert. Highlight: Als 17-Jährige erzielt sie mit ihrem ersten Wurf ihr erstes Tor in der Champions League.

Nach ihrer Leihe zu Bietigheim und der Rückkehr zu Metz steht sie aber nun weiterhin auf demselben Tritt wie vor zwei Jahren. «Ich brauche jetzt Geduld», meint sie. Den Spruch «Du bist jung und hast noch Zeit» hört sie aber nur ungern. «Ich bin Sportlerin. Ich will spielen», sagt sie. Daphne Gautschi, das Handball-Wunderkind, der Vater Heinz Gautschi ein Murianer, die Mutter Monica Bergamaschi eine Wohlerin, steht vor ihrem Elternhaus oberhalb des Klosters in Muri. Sie sagt: «Die Trainer wollen Erfahrung, das kann ich in meinen jungen Jahren noch nicht bieten. Aber ich kann Einsatz und Qualität liefern.»

Irgendwann wird die wurfstarke Rückraumspielerin wieder zum Zug kommen. Wird das in Metz sein? «Im Spitzensport kann man sich nicht immer aussuchen, wo man spielt», sagt die Profihandballerin. Ihr Vertrag läuft im Sommer 2021 aus. Ein Wechsel ist möglich. «Das kommt darauf an, wer zu Metz kommt, wer den Verein verlässt. Und ob sie mich noch wollen – und ob ich noch will.» Für einmal wirkt die aufgestellte und sympathische Gautschi nachdenklich. «Wir werden sehen.»


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