Vielseitigkeit der Landschaft
07.03.2023 MuriNeue Ausstellung im Singisenforum eröffnet
«Sedimentieren, kristallisieren, kondensieren» heisst die neue Exposition, die am Wochenende Vernissage feierte.
Zwischen 600 und 700 Werke von 130 Kunstschaffenden umfasst Stand heute das Projekt ...
Neue Ausstellung im Singisenforum eröffnet
«Sedimentieren, kristallisieren, kondensieren» heisst die neue Exposition, die am Wochenende Vernissage feierte.
Zwischen 600 und 700 Werke von 130 Kunstschaffenden umfasst Stand heute das Projekt «Reading Caspar Wolf», das Künstlerin und Kuratorin Sadhyo Niederberger 2021 ins Leben rief. Es ist ein Archiv von Werken, die sich mit dem Landschaftsbegriff auseinandersetzen. Noch bis 23. Juli lässt die neue Ausstellung in eine Auswahl dieses enormen Bestands blicken und zeigt auf, wie vielfältig der Begriff der Landschaft ist. --cbl
Betrachtung ergibt Bedeutung
Die neue Ausstellung «Sedimentieren, kristallisieren, kondensieren» im Singisenforum thematisiert den Landschaftsbegriff
An der Vernissage der Ausstellung «Sedimentieren, kristallisieren, kondensieren» gab Künstlerin und Kuratorin Sadhyo Niederberger einen tiefen Einblick in das Wirken und die Gedanken von insgesamt 130 Kunstschaffenden zur Frage, was Landschaft ist und wie sie sich verändert hat.
Celeste Blanc
Was versteht man unter Landschaft? Besteht sie nur aus einer Konstruktion des Gesehenen? Ist sie Erlebnisraum für körperliche Erfahrungen? Ist sie «versprachlichte Natur», deren Gewalten Einfluss auf die menschliche Gefühlswelt haben? Ist bebaute Erdoberfläche Landschaft? Und vor allem: Existiert Landschaft auch ohne den Menschen?
Zahlreich sind die Fragen und Gedanken in den Werken, die im Zuge des Projekts «Reading Caspar Wolf» über die letzten drei Jahre zusammengekommen sind. In diesem setzen sich zeitgenössische Kunstschaffende mit dem Landschaftsbegriff auseinander und führen mit der Bandbreite ihres Schaffens vor Augen, wie man sich auf mannigfaltige Art und Weise künstlerisch dem Thema annähern kann. Ein Teil des Bestands wird in diesem Jahr während zwei Ausstellungen Interessierten im Singisenforum zugänglich gemacht. Die erste unter dem Namen «Sedimentieren, kristallisieren, kondensieren» feierte an diesem Wochenende Vernissage.
Kraftvolle Schönheit
Für Kuratorin Sadhyo Niederberger gingen mit der Vernissage vom Wochenende intensive, Dreivierteljahr dauernde Arbeiten zu Ende. Gemeinsam mit Schauspieler Lukas Kubik zitierte sie aus einem breit ausgewählten Spektrum der eingegangenen Projektbeschriebe und eröffnete den Anwesenden damit nur einen kleinen Einblick in die Fülle an Werken, welche die Ausstellung umfasst. Ob aus dem Blickfeld der Kunst, der Zersiedlung und des Klimawandels, der Gesellschaft und Politik, der Geometrie oder der Biologie – die Exposition umfasst ein Sammelsurium an Fragen, Auslegungen und Deutungen zu einem einschneidenden Themenfeld. So fragt beispielsweise Künstlerin Regula Huber im Rahmen des Projekts nach dem Wesen der Landschaft im Zuge des Klimawandels. Kubik zitiert: «Der Klimawandel verändert die Flora. Neue Pflanzen kommen, verdrängen andere, erobern neue Lebensräume. Wild und ungeplant, nach eigenen Gesetzmässigkeiten.» Doch ist die Veränderung per se schlecht? Oder fördert die Veränderung neue Schönheiten zutage? Künstlerin Christine Molnar, die in ihrem Projekt den Wandel von Gletschern beobachtete, zeigt auf, wie im Tal, früher von der Gletscherzunge dominiert, heute verschiedene Pflanzen den Talboden erobert haben. «Trotz Nachdenklichkeit bleiben die Faszination sowie die kraftvolle Schönheit der Natur», rezitiert Kubik weiter.
Exponate im und um das Haus
Im Wechselspiel von ausgewählten Passagen der Projektbeschriebe der partizipierenden Kunstschaffenden erklärte Niederberger den Gedankengang hinter der Installation im ersten Stock des Singisenforums. Diese umfasst insgesamt 300 dokumentarische Exponate, 12 Videobeiträge sowie einzelne Originalwerke. Auch ausserhalb und in anderen Räumen des Museums verweisen Werke auf die aktuelle Ausstellung. Nicht zu übersehen ist dabei der überdimensionale Wegweiser mit der Inschrift «Weit weg» von Reto Peterhans im Klosterhof. Seine Mehrdeutigkeit steht dabei für das multiple Verständnis des Ausstellungsmotivs «Landschaft». Auch zu nennen ist die Installation von Georgette Maag «Jodelnder Berg», die die Landschaft von einer anderen, unbekannten Seite beleuchtet. Bestehend aus Monitoren, die Ausschnitte über das Jodeln zeigen, steht hier etwa die menschliche Kommunikation im Fokus, mit deren Klang die Topografie der Berglandschaft überwunden wird.
Verbindung geschaffen zu Caspar Wolf
Nebst der Landschaft rückt die Ausstellung auch das Archivieren von Kunst in den Fokus. Ob es nun das Arrangieren einer Ausstellung ist, die Auslegeordnungen von Kunstschaffenden oder das persönliche Sammeln von Steinen, die von Privatpersonen fein ordentlich auf dem Fensterbrett aufgestellt werden – die Techniken des Sortierens von Inhalten und die Katalogisierung von Wissen sind seit geraumer Zeit auch künstlerische und kuratorische Schaffensweisen. Hier schliesst die Ausstellung an das Archiv «Reading Caspar Wolf» an, das Sadhyo Niederberger im Rahmen von «Grand Tour Caspar Wolf» 2021 ins Leben gerufen hat. Und ergänzt dieses mit der aktuellen Ausstellung als neues Kapitel des ständig wachsenden Fundus.
Eine Verbindung zu Caspar Wolf schaffen dabei nicht nur die partizipierenden Kunstschaffenden, seien es offensichtliche oder auch unterschwellige Anspielungen an das Wirken des Pioniers der Alpenmalerei, sondern auch die Konzipierung der Ausstellung nimmt diese Verbindung gekonnt auf. Ausgehend vom Archiv im Korridor führt der Weg über Manifeste und Auseinandersetzungen in drei Ausstellungsräumen, die sich in die Bereiche «Sedimentieren», «Kristallisieren» und «Kondensieren» gliedern, direkt ins Museum Caspar Wolf.
Muri ein Begriff in Kunstwelt
Kuratorin Sadhyo Niederberger zeigt sich an der Vernissage überwältigt vom regen Interesse an den laufenden Projekten. «Es ist die grosse Belohnung für einen grossen Aufwand», erklärt sie. «Und die gute Resonanz inspiriert mich und gibt mir unglaublich viel Energie, weiterzumachen.» Auch betont sie ihre Dankbarkeit gegenüber allen Kunstschaffenden, die ihr ihre Werke zur Verfügung gestellt haben. «Die eigene Arbeit für eine dokumentarische Exposition zur Verfügung zu stellen ist gewagt. Ich hoffe, diesen gerecht geworden zu sein.»
Auch Geschäftsführerin von Murikultur, Heidi Holdener, ist begeistert von der positiven Resonanz. «Es zeigt, dass wir mit der Institution Murikultur bisher einen sehr guten Weg gegangen sind und sich Muri nach aussen für die Kunstwelt zu einem bekannten Ort entwickelt hat.»