Vilettas besonderer Valentinstag

  19.01.2021 Sport

Sandro Viletta, Olympiasieger von 2014, lebt im Freiamt

2010 und 2014 wurde Sandro Viletta eine grosse Ehre zuteil. Er konnte an den Olympischen Winterspielen teilnehmen. Beim zweiten Anlauf holte er die Goldmedaille in der Superkombination. Heute lebt der 33-Jährige in Besenbüren und schwärmt vom Freiamt, das neben dem Engadin zu seiner zweiten Heimat geworden ist.

Josip Lasic

Der 14. Februar ist bekannt als Valentinstag, der Tag der Verliebten. An diesem Tag im Jahr 2014 wurde die Liebe von Sandro Viletta zum Skisport auf besondere Art und Weise wieder aufgefrischt. Der gebürtige Engadiner erhielt weder Blumen noch Pralinés, sondern gewann die Goldmedaille an den Olympischen Winterspielen in Sotschi.

Mehr erreicht als «dabei sein ist alles»

Für viele Sportlerinnen und Sportler gibt es kein grösseres Ziel als die Olympischen Spiele. Überhaupt einmal dabei zu sein, ist für viele das grösste Ereignis ihrer Karriere. Sandro Viletta hat das 2010 mit seiner Teilnahme in Vancouver schon geschafft. Ihm ist gelungen, wovon viele nur träumen können: einmal Olympia-Luft schnuppern.

Im Nachhinein stellte sich heraus, dass 2010 für den Wintersportler eine Sammlung von Erfahrungen war, die ihn vier Jahre später in einen noch viel erleseneren Kreis katapultieren sollten. Viletta war in Sotschi nicht mehr nur dabei, er holte auch nicht einfach ein olympisches Diplom oder gar «irgendeine» Medaille. Nein, es war die Goldmedaille in der Superkombination, die er gewinnen konnte. Seither darf sich der Athlet Olympiasieger nennen. Seit 2016 nennt er sich auch Freiämter. Viletta wohnt in Besenbüren, leitet hin und wieder ein Training bei der Ringerstaffel Freiamt und fährt mit dem Mit-Olympioniken Dani Schmid aus Hägglingen auch mal in St. Moritz die Bobbahn hinunter.


Goldjunge Viletta

Serie «Freiämter Olympioniken»: Sandro Viletta aus Besenbüren – Olympia 2010 in Vancouver und 2014 in Sotschi

Beim zweiten Anlauf an den Olympischen Spielen kam Sandro Viletta gross heraus. Kaum jemand hatte ihn auf der Liste, aber in Sotschi gewann der Engadiner die Goldmedaille. Unter anderem dank den Erfahrungen, die er vier Jahre zuvor in Kanada machen konnte.

Josip Lasic

14. Februar 2014. Valentinstag. Im russischen Sotschi ist es auch der Tag der Super-Kombination an den Olympischen Spielen. Der damals 28-jährige Sandro Viletta fährt eine starke Abfahrt, bis 15 Sekunden vor dem Ziel. Er fällt vom 6. Rang auf den 14. Platz zurück. Zu viel Rückstand, um im Slalom aufzuholen und noch etwas Zählbares zu erreichen? «Es gibt eine Schneeart, die mir enorm liegt», sagt Viletta. «Die war vorhanden. Ich wusste, dass ich meine ganze Jugend im Slalom unter diesen Voraussetzungen trainieren und gute Leistungen erzielen konnte. Mir war klar, dass ich die Chance hatte, eine brutale Leistung abzuliefern.»

Der Plan des gebürtigen Engadiners geht auf. Im Slalom kann er die «brutale Leistung» abrufen und den zweiten Rang holen. In der Gesamtabrechnung bedeutet das die Goldmedaille für Viletta. Eine grosse Überraschung. Die «Big Names» des Skisports wie der Kroate Ivica Kostelic, der US-Amerikaner Bode Miller oder die Schweizer Carlo Janka und Beat Feuz müssen sich mit Rängen hinter Viletta zufriedengeben.

Engagement bei Swiss-Ski geplant

Vergangene Woche: Viletta sitzt in seiner Wohnung in Besenbüren, blickt aus dem Fenster und freut sich über den Schneefall im Freiamt. Seit rund fünf Jahren lebt der Olympiasieger in der Region. Ursprünglich aus persönlichen Gründen hergezogen, blieb er, weil die Region zentral gelegen ist.

Ende 2018 hat er seine aktive Karriere beendet. Verletzungen waren ein steter Begleiter des mittlerweile 34-Jährigen, sodass er sich damals entschlossen hat, einen Schlussstrich zu ziehen und eine neue Herausforderung anzunehmen. In Magglingen lässt er sich zum Berufstrainer ausbilden und absolviert weitere Fortbildungen im Bereich Sport. Die Ausbildung ist bald abgeschlossen. «Danach werde ich mich bei Swiss-Ski um einen Posten bewerben», erklärt er.

Die Verletzungen waren auch ein Grund, wieso die Goldmedaille für Viletta als eine so grosse Überraschung dargestellt wurde. «Wenn mich die Leute fragen, ob der Olympiasieg Zufall war, antworte ich: ‹Eigentlich nicht.› Die Fähigkeiten dafür hatte ich. Aber da ich verletzungsbedingt wenig gefahren und dementsprechend auch eher wenig gewonnen habe, wirkt es als umso grössere Sensation.»

Was hat sich für ihn geändert, seit er die Goldmedaille gewonnen hat? «Mitmenschen nehmen einen teilweise anders wahr», erzählt er. «Das erste halbe Jahr herrscht ein enormer Hype um dich. Du schwebst auf Wolke sieben und alles ist toll», berichtet der 34-Jährige. «Der Sport ist heutzutage aber kurzlebig. Du bist sehr schnell nicht mehr im Fokus. Und dennoch hinterlässt Olympia etwas Langlebiges. Was die Olympischen Spiele sind, weiss jeder. Egal mit wem ich spreche, wenn ich sage, dass ich Gold bei Olympia im Skifahren gewonnen habe, kann sich jeder etwas darunter vorstellen. Egal ob die Person sportaffin ist oder nicht.»

Vancouver als «Vorbereitung»

Spätestens seit 1998 waren die Olympischen Winterspiele für Viletta ein Bubentraum. Er erzählt, wie er damals als Zwölfjähriger die Spiele in Nagano vor dem Fernseher verfolgt und die Erfolge des Österreichers Hermann Maier bewundert hat. Seit 2001 nimmt der Wintersportler an FIS-Rennen teil. Er steigert sich immer mehr und qualifiziert sich 2010 zum ersten Mal für die Olympischen Winterspiele in Vancouver. «Das ist im Skisport vielleicht ein Vorteil gegenüber anderen Sportarten. Obwohl die Olympischen Spiele und eine Weltmeisterschaft etwas vom Grössten sind, ist jedes einzelne Weltcuprennen wichtig und hat einen grossen Stellenwert. Also trainierst du immer so, dass du deine Bestleistung abrufen kannst, und fokussierst dich nicht auf einen Event.»

Das nimmt im Vorfeld Druck von Viletta. Bei der Teilnahme 2010 ist er 24 Jahre alt. «Wir hatten damals ein enorm starkes Team. Silvan Zurbriggen, Carlo Janka, Didier Cuche, Didier Défago. Aber ich wusste, dass im Riesenslalom für mich etwas drin liegt.»

Die Ergebnisse sind okay. Rang 14 in der Superkombination, Rang 15 im Riesenslalom. Der grosse Vorteil ist: «Ich wusste danach, was auf mich zukommt.» Der Olympionike gewöhnt sich daran. An den Spielen braucht alles mehr Zeit.

In Vancouver lässt Viletta auch zu, dass er von einem Medienteam begleitet wird. Auch in Momenten, wo er lieber alleine wäre, um sich auf den Wettkampf zu fokussieren. All diese Dinge, die seine Konzentration stören, kann er in Sotschi verhindern. Und er geniesst in Vancouver das olympische Dorf. «Bei Weltcups triffst du im Hotel immer jemanden, den du kennst. Verwandte von befreundeten Athleten zum Beispiel. Im olympischen Dorf bist du abgeschottet. Gerade diese Ruhe hilft mir, um mich besser fokussieren zu können.» All die Erfahrungen, die Viletta in Vancouver macht, bringen ihn in Sotschi näher an die Medaille.

Gänsehaut bei Schweizer Hymne

Was dem Sportler ebenfalls in Erinnerung geblieben ist: Die Spiele in Vancouver haben eine viel schönere Atmosphäre gehabt. «Man hat gespürt, dass das ganze Land in Euphorie war. Von diversen Filmen hatte ich noch die Olympischen Spiele in Calgary im Hinterkopf. Vancouver, das war genau so, wie ich mir Olympia vorgestellt habe.»

Sotschi hingegen habe unter der negativen Berichterstattung im Vorfeld gelitten. Über die Unsicherheit, Gefahr von Terroranschlägen und viel anderes. «Dadurch haben zahlreiche Leute auf den Besuch der Spiele verzichtet. Auch aus meinem Umfeld. Das war schade, denn von den Distanzen her war Sotschi genial. Und auch sonst waren die Spiele gut organisiert.» Die Atmosphäre wurde für Sandro Viletta in dem Moment besser, als er seine Goldmedaille gewinnen konnte. Zu Beginn konnte er es gar nicht realisieren, was passiert ist. «Es hat alles so surreal gewirkt im ersten Moment», berichtet Viletta. Als sie vom Skigebiet Rosa Chutor, das eine Stunde Autofahrt von Sotschi entfernt ist, in die Olympiastadt zurückkamen, als die Ehrung stattfand, sein Name genannt und die Schweizer Hymne gespielt wurde – diese Momente beschreibt Viletta folgendermassen: «Gänsehaut. Es war sehr emotional. All die Mühe und das Training werden belohnt.»

Im Freiamt angekommen

2018 in Pyeongchang konnte Sandro Viletta verletzungsbedingt nicht mehr antreten. «Für mich passt es. Ich war mit 28 Jahren in Sotschi auf meinem Höhepunkt und mein Plan dort ist aufgegangen.»

Im Freiamt ist der Engadiner mittlerweile angekommen. Er ist mit Reto Gisler, dem Freistiltrainer der RS Freiamt, befreundet. Dank ihm konnte der Olympiasieger bereits einige Trainings mit den Freiämter Ringern leiten. Vor einiger Zeit besuchten Gisler und Viletta einen anderen Freiämter Olympioniken. Bobpilot Daniel Schmid aus Hägglingen, der ebenfalls 2010 in Vancouver war, bietet in St. Moritz «Taxifahrten» mit dem Bob an, was sich Gisler und Viletta nicht entgehen lassen wollten. «So ein Bob ist ganz schön schnell», sagt er.

In der regionalen Sportwelt ist Viletta schon gut vernetzt. «Ich dachte immer, dass ich zehn Jahre hierbleibe und dann wieder zurück ins Engadin gehe», sagt er. «Wenn ich bei Swiss-Ski anfange, bin ich vermutlich länger ein Freiämter. Mir gefällt es hier. Nur das Wetter im Engadin ist besser», sagt er, schaut aus dem Fenster, sieht den Schneefall und ergänzt: «Obwohl …»


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