Vom Tauchen zum Schwimmen
22.12.2020 MuriSeit gut einem Jahr ist Iris Steiger die neue Präsidentin der Reformierten Kirche Muri Sins
Sie lebt in Sins, ist dreifache Mutter. Iris Steiger ist nach dem letztjährigen Rücktritt von Heidi Schmid die neue Frau an der Spitze der Reformierten Kirche Muri Sins. «Die Kirche und die Werte, die sie vertritt, sind mir wichtig», sagt die 44-Jährige. Die Arbeit gefällt ihr, auch wenn sie in den ersten Monaten vor allem sehr herausfordernd war.
Annemarie Keusch
Iris Steiger hat quasi die Seiten gewechselt. «Ja, es gibt Parallelen», sagt sie und lacht. Bevor sie Mutter wurde, war sie als Lehrerin tätig, arbeitete also Seite an Seite mit der Schulpflege. Jetzt ist Iris Steiger in der Kirchenpflege; die Pfarrerinnen und Pfarrer, die Sigristinnen sind im Alltag für die Reformierte Kirche Muri Sins tätig, und sie trägt als ehrenamtliche Präsidentin die Verantwortung. «Die Strukturen sind ähnlich. Das hilft», sagt die Sinserin.
Dennoch spricht sie von einem Sprung ins kalte Wasser, als sie vor gut einem Jahr Präsidentin der Kirchenpflege wurde. «Es war eigentlich zu früh.» Erst ein Jahr arbeitete Steiger in der Kirchenpflege mit, war mitten im Einarbeitungsprozess im Ressort Personal. Trotzdem nahm sie die Verantwortung auf sich. «Bereut habe ich es nicht. Die Arbeit macht grossen Spass.»
Lebt den Glauben eher im Stillen
Der Glaube war in Iris Steigers Leben von Beginn an ein Thema. Freikirchlich als Teil von Chrischona aufgewachsen, wurde am Küchentisch immer offen über Religion diskutiert. «Ganz ungezwungen», sagt Steiger. Eine Kraftquelle ist der Glaube geblieben, auch wenn sie längst nicht mehr in der Freikirche aktiv ist. «Die Religion gibt mir Rückhalt.» Also liessen sie und ihr Mann, die per Zufall vor zwölf Jahren in Sins ansässig wurden, ihre Kinder taufen. So kam der erste Kontakt zur Reformierten Kirche Muri Sins zustande. «Vorher habe ich mich gar nicht damit befasst.»
Überhaupt, Iris Steiger lebt den Glauben für sich, betet, wenn sie alleine ist, etwa beim Autofahren. «Wir zelebrieren die Religion nicht. Ab und zu erzählen wir den Kindern eine biblische Geschichte, leben die Traditionen, mehr nicht.» Vor allem aber lebt Iris Steiger die Werte, die ihr der reformierte Glaube vermittelt. «Nächstenliebe ist für mich das oberste Gut.»
Ausgleich zur Familie
«Sicher nicht», war Iris Steigers erste Reaktion, als sie für die Kirchenpflege angefragt wurde, nachdem sie sich schon einige Jahre an der Organisation des Weltgebetstags beteiligte. Trotzdem recherchierte sie, informierte sich und sagte schliesslich zu. «Ich arbeite gerne mit Menschen», sagt sie. Und neben der Tätigkeit als Hausfrau und Mutter sei das Amt ein schöner Ausgleich und eine neue Herausforderung.
Das Ressort Personal und mit dem Präsidium die Sitzungsleitung fordern Iris Steiger aber ganz schön. Über 15 Angestellte zählt die Reformierte Kirche Muri Sins. «Nein, eine Ausbildung im Bereich Personalführung habe ich nicht», sagt sie und schmunzelt. Im Sommer startete sie einen zweijährigen Kurs unter dem Titel «Führen in Non-Profit-Organisationen im kirchlichen Kontext», der von der Landeskirche Aarau in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Soziale Arbeit der Fachhochschule Nordwestschweiz in Olten angeboten wird. «Darüber freue ich mich.» Nach ihrem ersten Präsidialjahr sagt Steiger: «Nach dem Sprung ins kalte Wasser tauchte ich lange und beginne nun langsam zu schwimmen.» Die Leute hat sie kennengelernt, die Struktur auch, das erste Gottesdienstjahr komplett miterlebt – auch wenn die Pandemie die ganze Situation sicher nicht vereinfacht.
Viele Ideen, die umgesetzt werden
Die Zusammenarbeit im Team sei bestens. Iris Steiger lobt die Motivation aller, neue Ideen anzureissen und umzusetzen. Die Taufpraxis wurde etwa geändert, sodass Taufen nicht mehr nur in der Kirche und auch zu anderen Zeiten stattfinden können. Neue Gottesdienstformen werden im kommenden Jahr ausprobiert, die Jugendarbeit wird aufgebaut, die Wegbegleitung bietet niederschwellige Hilfe. «Unsere Kirche lebt», sagt Iris Steiger. Auch wenn es nicht einfach sei, da die Kirchgemeinde fast über den ganzen Bezirk verteilt ist. «Alle beisammenzuhalten, ist eine grosse Herausforderung.» Eine, die Iris Steiger, die in ihrer Freizeit gerne in der Natur ist, liest und eine grosse Leidenschaft fürs Puzzlen hat, bereit ist anzupacken.
Auch mit Austritten zu kämpfen
Mindestens einmal wöchentlich ist die Sinserin im Gemeindezentrum in Muri anzutreffen. «Ich will präsent sein, mich eingeben und etwas bewegen», sagt die 44-Jährige. Früher habe sie sich ab und zu gefragt, wo die Kirche sei. «Dank meinem Amt sehe ich, was alles gemacht und auf die Beine gestellt wird. Das ist enorm.» Die Vielfalt des Angebots sei riesig. Trotzdem, auch die Reformierte Kirche Muri Sins hat mit Austritten zu kämpfen. «Ja, aber wir wollen positiv an die ganze Sache gehen und nicht jammern.» Darum wünscht sie sich für die Zukunft ganz «kitschig»: «Eine Gemeinschaft, die lebt.»