Von Ratlosigkeit bis Freude
21.11.2023 MuriEin deutliches Nein
«Inspiration Matterhaus» hat an der Urne keine Chance
6,75 Millionen Franken für das Projekt «Inspiration Matterhaus». An der Kirchgemeindeversammlung war das Ja knapp, bei der Referendumsabstimmung nun ...
Ein deutliches Nein
«Inspiration Matterhaus» hat an der Urne keine Chance
6,75 Millionen Franken für das Projekt «Inspiration Matterhaus». An der Kirchgemeindeversammlung war das Ja knapp, bei der Referendumsabstimmung nun das Nein deutlich.
Annemarie Keusch
Überrascht waren beide Seiten, die einen positiv, die anderen negativ. «Bis das Resultat feststand, war ich überzeugt, dass das Projekt angenommen wird», sagt Hans Peter Frey, Mitglied der Kirchenpflege und Baukommissionspräsident. Das Dankesschreiben für jene, die das Projekt unterstützt haben, sei schon aufgesetzt gewesen. «Danken wollen wir natürlich auch trotz Niederlage.» Für Frey und die Kirchenpflege ist das Resultat eine Enttäuschung.
Von einer freudigen Überraschung spricht Felix Köpfli, Teil der IG Matterhaus, die das Referendum einreichte und damit die Urnenabstimmung herbeiführte. Es sei nicht das Resultat, das ihn überrasche, sondern die Deutlichkeit. «Ich bin froh, dass nicht wieder eine Stimme entschieden hat», spielt er auf einen Rückweisungsantrag an der ausserordentlichen Kirchgemeindeversammlung vom Frühling an.
Diesmal war es wirklich deutlich. Bei 1077 in Betracht fallenden Stimmzetteln gingen 417 Ja- und 660 Nein-Stimmen ein. Das Projekt «Inspiration Matterhaus» ist also vom Tisch – zumindest so, wie es die Kirchenpf lege hätte umsetzen wollen. Köpfli spricht von einem Prestigeobjekt, das nun nicht realisiert wird, und meint vor allem den geplanten Bau eines neuen Saals. Aber andere Arbeiten wie die Sanierung der Heizung im Matterhaus sind nach wie vor dringend notwendig. Wie es weitergeht, ist noch offen. «Wir gehen zurück auf Feld 1», sagt Hans Peter Frey. Auch die Zusammensetzung der Baukommission werde hinterfragt.
«Inspiration Matterhaus» geht mit 417 Ja- zu 660 Nein-Stimmen bachab
Eine ratlose Kirchenpflege und die IG Matterhaus, die ihren Sieg auch nicht wirklich feiern will. «Inspiration Matterhaus» hat viele Emotionen ausgelöst, auch am Abstimmungstag selbst. Nun ist klar: das Projekt, wie es die Baukommission ausarbeitet, ist vom Tisch. Neue Ideen sind gefragt.
Annemarie Keusch
Es hat länger gedauert, bis das Resultat feststand. «Es musste zweimal ausgezählt werden», sagt Kirchenpf legepräsident Thomas Kron. Um zirka 13.30 Uhr war das Resultat aber klar. «Inspiration Matterhaus» fand keine Mehrheit, ist abgelehnt. Und das deutlich. Für die IG Matterhaus eine frohe Kunde, für die Kirchenpf lege eine bittere Nachricht. «Wir sind natürlich erfreut», sagt Felix Köpfli, IG Matterhaus. Doch gefeiert hätten sie nicht. «Es war nicht unser Ziel, eine Referendumsabstimmung zu erwirken. Viel lieber hätten wir das Thema vor der ausserordentlichen Kirchengemeindeversammlung breit diskutiert. Jetzt ging es eben nur noch so», sagt er. Dass vorher keine offene Diskussion stattfand, es ist einer der Vorwürfe, die die IG der Kirchenpflege gegenüber erhob. Von einem Sieg will Köpfli nicht sprechen. «Das Nein an der Urne war ein Zeichen dafür, dass sich unsere Aufwände gelohnt haben.»
Dass das Projekt «Inspiration Matterhaus» an der Urne abgelehnt werde, das prophezeite Köpfli. Und auch mit seiner Voraussage, dass sich die Stimmen auf 40 Prozent Ja und 60 Prozent Nein verteilen, traf er ins Schwarze. «So nahm ich die Stimmung vorher wahr», sagt er. Den Optimismus hätten aber nicht alle IG-Mitglieder geteilt. «Umso grösser ist die Freude jetzt.»
IG ist bereit, an neuem Projekt mitzuarbeiten
Als Hauptgrund für das deutliche Resultat sieht Köpfli den neu geplanten Saal. «Viele verstanden nicht, weshalb es diesen braucht. Schliesslich haben wir in Muri ganz viele Säle.» Und auch die Kosten hätten zu einem Nein beigetragen. «Anfangs war von vier bis fünf Millionen Franken die Rede, jetzt betrug der Antrag 6,75 Millionen Franken. Das ist einfach zu viel.» Das Prestigeobjekt sei von den Stimmberechtigten nicht goutiert worden. Stattdessen hätten sie diese mit ihren Ideen überzeugt, die günstiger umzusetzen sind. Konkretes Beispiel? «Den alten Pfarrsaal unter die Lupe nehmen. Braucht es die Kapelle noch? Oder kann hier Platz für anderes entstehen?»
Dass Handlungsbedarf beispielsweise beim Matterhaus besteht, das hat die IG nie verneint. Wie soll es nun weitergehen? Köpfli betont, dass die Kirchenpflege eine gewählte Behörde sei und es zu ihren Aufgaben gehöre, einen Plan B auszuarbeiten. Das sei ein normaler politischer Prozess. «Dass es einen solchen bisher nicht gab, das geht eigentlich nicht.» Mitglieder der IG seien aber bereit, mitzuarbeiten. «Wir haben Ideen und wollen diese auf konstruktive Art einbringen.» Schritt für Schritt sollen Sanierungsarbeiten angegangen werden. «Keine Schnellschüsse, sondern fundierte Entscheide, die auf der Basis eines Plans über alle bestehenden Liegenschaften gefällt werden», sagt Köpfli. Dass sich die IG und die Kirchenpflege hierfür zusammenraufen können, das bezweifelt Köpfli nicht. «Unsere Türen sind offen.»
Ideen der IG miteinbeziehen
Einer Zusammenarbeit stehen auch Kirchenpflegepräsident Thomas Kron und Baukommissionspräsident Hans Peter Frey offen gegenüber. «Die IG hat mit ihren Ideen 600 Leute überzeugt. Natürlich wollen wir diese abholen. Zuerst müssen wir aber konkret wissen, was diese Ideen beinhalten», sagt Frey. Dann würden diese mit in die Auslegeordnung eingebunden, die es sowieso brauche. «Zu dieser gehört auch die Zusammensetzung der Baukommission. Und ja, nach vier Jahren Arbeit und dem nun gescheiterten Projekt frage ich mich, ob ich die richtige Person an deren Spitze bin», gesteht Frey. In seiner Stimme spricht keine Frustration, auch kein Trotz mit. «Die Stimmberechtigten haben entschieden. Es gibt Schlimmeres. Aber natürlich, auch ich muss mich hinterfragen.»
Denn mit einem derart deutlichen Nein hätte die Kirchenpflege nicht gerechnet. Frey war bis zuletzt optimistisch, Kron prophezeite ein Nein, aber kein so klares. «Wir mussten feststellen, dass viele Leute den Abstimmungskampf gar nicht mehr verfolgten. Die Meinungen waren schon vorher gemacht. Das ist schade. Denn aus unserer Sicht gab es keine Argumente der Gegenseite, die wir nicht hätten widerlegen können», sagt Frey. Die Ratlosigkeit sei da, die Gedanken im Kopf drehen sich um die Zukunft. «Das Gesamtprojekt ‹Inspiration Matterhaus› hätte ganz viele Baustellen auf einmal gelöst. Jetzt gilt es zu priorisieren, welche wir als Erstes angehen, und überhaupt darüber zu diskutieren, wie wir vorgehen.» Frey spricht die Heizung im Matterhaus an, die nicht einwandfrei funktioniere, aber auch die Umstände beim Archiv, die alles andere als ideal seien.
Potenzial bei Kommunikation
Dass sie keinen Plan B haben, das sei nicht gelogen gewesen. «Wir waren derart überzeugt von diesem Plan A», betont Frey. Was sie im Nachhinein anders machen würden? «Wir müssen uns vorwerfen, dass es gerade in Sachen Kommunikation Steigerungspotenzial geben würde.» Sie hätten öfters über den Stand der Dinge informieren sollen. Thomas Kron fügt an, dass auch die aktuellen und künftigen Nutzergruppen der Räumlichkeiten stärker hätten eingebunden werden können. «So wären sie aktiver involviert gewesen, hätten in der Öffentlichkeit Überzeugungsarbeit leisten können», sagt Kron.
Hadern, das tun beide nicht. Stattdessen akzeptieren sie den deutlichen Entscheid. «Es ist gut, dass nicht einzelne Stimmen den Unterschied machten», sagt Frey. Einen Tag nach der Abstimmung geht der Blick aber trotzdem noch nicht nur nach vorne. «Dass uns vorgeworfen wurde, wir hätten die Bedürfnisse zu wenig abgeholt, das trifft mich am meisten. Es stimmt einfach nicht», sagt Frey. Und auch der Tatsache, dass die Finanzierung für dieses Grossprojekt gestanden hätte, trauert er etwas nach.
Arbeit in Gremien macht Spass
Aber eben, auch Freys und Krons Blick ist schon in die Zukunft gerichtet. «Wir werden den Perimeter wieder vergrössern», sagt Kron. Auch die Klosterräumlichkeiten, gerade die leer stehenden des ehemaligen Hospizes, und die Räume des Pfarrhofs sollen in die weitere Planung integriert werden. «Es folgt eine komplette Auslegeordnung. Wir gehen zurück auf Feld 1, schauen, was wir haben, was wir brauchen, was wo möglich ist», führt Frey aus. Ob die Folge verschiedene einzelne Projekte, ein neues Gesamtprojekt oder gar eine Wiederholung des Studienauftrags ist, sei noch völlig offen. «Dabei braucht es Auffrischung oder Ergänzung in der Baukommission. Sonst ist die Gefahr da, dass wir wieder zum gleichen Resultat kommen.» Ob das Matterhaus einem Zweckbau weichen muss, der Geld generiert? Ob das Archiv im Kloster untergebracht wird? Die Liste der unbeantworteten Fragen ist lang. Die Motivation bei Frey, andere, neue Antworten zu finden, ist aber da. «Die Zusammenarbeit in Kirchenpflege und Baukommission ist bestens. Wir sind zu einem Team zusammengewachsen und es macht wirklich Spass. Wir ziehen an einem Strick», betont er.
Über einen Zeithorizont, bis wann ein neues Projekt ausgearbeitet sein soll, haben sich Frey und Kron auch erste Gedanken gemacht. «Läuft alles gut, wird das frühestens im November 2024 an der Kirchgemeindeversammlung sein.» Ob das ein Projektierungs- oder ein Planungskredit sein wird, ist offen – wie so vieles. Klar ist nur, dass der Neubau eines Pfarreisaals nicht gewünscht wird. «Wir werden andere Möglichkeiten suchen, um die Raumbedürfnisse abzudecken», sagt Kron. Wie es personell in der Baukommission weitergeht, ist noch unklar. Was Kron hingegen betont: «Ich bleibe weiterhin Präsident der Kirchenpflege.»
Die Gefühle hätten aufseiten der IG und der Kirchenpflege am Abstimmungssonntag nicht unterschiedlicher sein können. Nur eines freut alle Beteiligten: die Stimmbeteiligung von über 30 Prozent.


