Vor dem Einzug in den Final

  27.10.2020 Sport

Freiämter Ringer lassen Einsiedeln keine Chance

Die Ringerstaffel Freiamt glänzt beim ersten Halbfinalkampf auswärts in Einsiedeln. Der Kampf war eine einseitige Angelegenheit. Der 27:8-Kantersieg zeigt, dass die Freiämter mit aller Macht in den Final einziehen wollen. Nur ein Einzelkampf ging verloren.

Was bleibt, ist die Unsicherheit, ob es überhaupt zum Heimkampf vom nächsten Samstag in Merenschwand kommen wird. Damit wollen sich die Freiämter aber nicht befassen und gehen unbeirrt Richtung Final. --red


Eine Machtdemonstration

Ringen, NLA: Die RS Freiamt gewinnt den ersten Halbfnal auswärts in Einsiedeln mit 27:8 (16:3)

Freiamt liess vom ersten Kampf an keine Zweifel aufkommen, wer dieses erste Halbfinalduell für sich entscheidet. Bald stellte sich nur noch die Frage, wie hoch die Freiämter in Einsiedeln gewinnen werden. Am Ende feierten die Ringerstaffel Freiamt und die 100 mitgereisten Fans einen 27:8-Kantersieg.

Alexander Wagner

Nils Leutert zeigt sofort, wer hier im Ring den Ton angibt: Er setzte sich im ersten Duell diskussionslos durch. Und das gegen einen Gegner, der 23 Jahre älter ist als er. Nils Leutert siegte 13:3 und sammelte die ersten drei Mannschaftspunkte für die Freiämter. Damit war sein Trainer und Vater Marcel Leutert hochzufrieden: «Dank Nils hatten wir einen Topstart. Das war enorm wichtig für die ganze Mannschaft.» Erstaunlich war, wie abgebrüht der erst 21-Jährige in den Freistil-Kampf ging, obwohl er diese Halbfinalpaarung eröffnen musste. Zu Beginn lieferte er sich in der Kategorie bis 57 kg einen zähen Abnützungskampf gegen den routinierten Alexander Golin. Der Ukrainer überzeugte bis anhin in der Meisterschaft. Doch am Ende brach er ein und konnte die deutliche Niederlage nicht mehr abwenden.

Schultersieg verwehrt

Dieser klare Auftaktsieg gab allen Freiämtern einen Zusatzschub. «Das war eine enorme Motivation für das gesamte Team», ist Trainer Leutert überzeugt. Die zweite Partie war von der Papierform her alles andere als klar und der Freiämter Roman Zurfluh war eher der Aussenseiter. Doch der Ringer, der auch als Schwinger im Sägemehl erfolgreich ist, konterte «seinen» Neyer aus. Zurfluh hätte gar noch deutlicher gewinnen können gegen Sven Neyer. Denn eigentlich hatte er seinen Gegner klar auf dem Rücken und hätte einen Schultersieg zugesprochen bekommen sollen. Was denn auch für einige deftige Kommentare aus der Ecke der Freiämter sorgte.

Das war längst nicht das letzte Duell gegen einen Neyer: Denn es standen nicht weniger als fünf Kämpfer der Familie Neyer auf der Matte für die Einsiedler. Das ist wohl auch ein Unikum in einem Mannschaftssport, dass eine Familie das halbe Team stellt.

Die RS-Freiamt-Show ging weiter. Nach Zurfluh und Nils Leutert überzeugte auch dessen Zwillingsbruder. Nino Leutert setzte sich gegen Kay Neyer durch. Die beiden nächsten Routiniers von der RS Freiamt liessen ebenfalls nichts anbrennen: Der bärtige Tschetschene Magomed Aischkanow zerzauste Andreas Burkard komplett und gewann mit 16:0. Fast so deutlich gestaltete Michael Bucher seinen Kampf gegen Lars Neyer. So lagen die Freiämter bereits zur Pause uneinholbar mit 16:3 Mannschaftspunkten in Führung.

Nur ein Neyer gewinnt

Falls die Innerschweizer noch auf die Wende oder zumindest etwas Spannung hofften, wurden diese Träume jäh zunichtegemacht. Auch der Schweizer Kaderringer Christian Zemp setzte sich mit 15:0 durch. Der 20-jährige Modellathlet der RS Freiamt liess nichts anbrennen. Genauso wie Pascal Strebel, der sich gegen Jan Neyer mit 7:0 deutlich durchsetzte.

Doch ganz makellos blieb das Notenblatt der Freiämter dann doch nicht: Mit Yves Neyer setzte sich der Fünfte und Letzte des Neyer-Clans in einem zähen Kampf gegen Marc Weber durch – allerdings knapp.

Neue Erfahrung für Vock

So konnte Randy Vock ohne grossen Druck antreten, denn die Entscheidung war längst gefallen. «Es ist natürlich schon einfacher so», gibt er lächelnd zu. Trotz der klaren Ausgangslage und dem Umstand, dass er nach seinem Rücktritt im letzten Jahr vom internationalen Ringsport nicht mehr ganz so intensiv trainiert wie früher, errang er gegen Adrian Mazan einen klaren Punktesieg.

Und zum Abschluss schickte die RS Freiamt noch den 47-jährigen Andrey Maltsev auf die Matte. Eigentlich ist Maltsev Greco-Trainer und für die Ausbildung seiner Schützlinge zuständig. Doch in Einsiedeln konnte er sein grosses Wissen nicht nur weitergeben, sondern selbst zeigen: Gegen den deutschen Bundesligaringer Benedikt Rebholz konnte er mit einer grossen Portion Routine und Schlitzohrigkeit dagegenhalten. Maltsev verlor nur knapp. Doch dies änderte am überdeutlichen 27:8-Kantersieg in Einsiedeln nichts mehr.

«Wir haben gezeigt, wozu wir fähig sind», erklärte Leistungsträger Randy Vock zufrieden. «Das ganze Team war hervorragend», fand auch er nur lobende Worte für seine Kollegen. Einen Sieg hat Trainer Leutert schon erwartet. «Wir waren die Favoriten. Aber sicherlich nicht, dass es gleich 19 Punkte Unterschied sein werden. Aber alle zehn Ringer haben abgeliefert», freut sich der Trainer.

Übrigens: Sieben Freiämter Ringer haben sich für diesen Halbfinalkampf in eine tiefere Gewichtsklasse «gehungert». Totaler Einsatz der Freiämter. Der Wille für den erneuten Finaleinzug ist gigantisch – und nach dieser Machtdemonstration ist die Chance auf Revanche gegen Willisau zum Greifen nah.


Auftakt oder Abschluss?

Beim ersten Halbfinalkampf war fast nichts wie gewohnt – Wie geht es weiter?

Schon früh vor dem Kampf waren praktisch alle Plätze in Einsiedeln besetzt. Das ist immer so bei den Ringern. Doch damit hat es sich auch schon, was normal war. Es waren nur rund 300 Zuschauer in der Halle, die sonst aus allen Nähten platzt. Knapp 100 Ringerfreunde durften aus dem Freiamt anreisen. Und die Stimmung war deutlich gedämpfter als üblich. Weniger Fahnen und Plakate, leisere Fangesänge. Die Fans durften weder zu ihren Lieblingen noch sich mit dem Gegner unterhalten oder etwas necken. Alles war in Sektoren unterteilt und (fast) jeder trug seine Maske.

Die meisten Zuschauer nahmen die zahlreichen Restriktionen gelassen. «Wir wollen die Mannschaft unterstützen, solange es noch geht», meinte einer. Und sein Kollege, der sich kurz die Maske vom Gesicht zog, um einen Schluck Bier zu nehmen – denn das geht nun wirklich nicht mit Maske –, ergänzte: «Wir wollen einfach dabei sein und die Jungs anfeuern.»

Matte desinfizieren statt tobende Kinder

Dies schien denn auch zu helfen und die Freiämter konnten trotz der besonderen Situation auf ihren elften Mann zählen. Randy Vock hat auf und neben der Matte schon viel erlebt, aber so etwas auch noch nicht: «Es ist natürlich nicht dasselbe, sonst sind fast 300 Fans von uns dabei. Aber jene, die hier waren, haben hundert Prozent gegeben», freute sich Vock, der 2019 sowohl zum Aargauer als auch zum Freiämter Sportler des Jahres nominiert war.

In die gleiche Kerbe schlug Trainer Marcel Leutert. «Die Zuschauer, die mit uns mitgereist sind, haben eine gute Stimmung gemacht.» Seine Athleten haben die Innerschweizer gleich mit 27:8 von der Matte gefegt. Und Leutert lobte auch Gegner Einsiedeln – für das ganze Drumherum: «Alles war top organisiert», betonte Leutert. Doch es war wirklich nichts wie bei anderen Kämpfen: Wenn sonst in der Pause Dutzende von Kindern die Matte kapern und wild darauf herumtollen, wurden sie diesmal freundlich, aber bestimmt davon abgehalten. Denn die Matte wurde fein säuberlich geputzt und desinfiziert.

Vielleicht war dies nur der Auftakt in eine packende Finalserie – sportlich deutet alles auf ein erneutes Duell mit dem Dauerrivalen aus Willisau hin. Auch wenn alle vorsichtig blieben. Doch so eine Heimklatsche können die Freiämter fast nicht kassieren, dass sie den Final noch verpassen. Anderes Ungemach droht den Ringern – und dem Sport allgemein: Niemand weiss, wie lange die Saison noch weitergeht. «Doch daran denkt niemand. Wir trainieren ganz normal», betont der Trainer. Und falls es doch anders kommt und morgen Mittwoch der Stecker für den Sport gezogen wird? «Dann war dies doch ein richtig toller Abschluss», sagt Leutert lachend und mit einem Schuss Galgenhumor. --awa


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