Vorbilder für andere sein
21.10.2025 Region Unterfreiamt, BildungRotary Freiamt vergab zum 3. Mal den Berufsbildungspreis an drei besondere Lehrabsolventen
604 junge Freiämter und Freiämterinnen haben im Sommer in 91 verschiedenen Berufen ihren Abschluss gemacht. Drei von ihnen durften wenige Monate später nochmals ...
Rotary Freiamt vergab zum 3. Mal den Berufsbildungspreis an drei besondere Lehrabsolventen
604 junge Freiämter und Freiämterinnen haben im Sommer in 91 verschiedenen Berufen ihren Abschluss gemacht. Drei von ihnen durften wenige Monate später nochmals feiern. Ihre besondere Geschichte hat die Jury am meisten beeindruckt.
Chregi Hansen
«Wir wollen heute nicht die Besten auszeichnen. Sondern ganz aussergewöhnliche Beispiele, die anderen Mut machen können», erklärt Toni Notter, Initiant des Berufsbildungspreises Rotary Freiamt. Zusammen mit dem Wohler Thomas Geissmann und dem Murianer Röbi Barrer hat der Villmerger nach solchen Beispielen gesucht. Und ist auch dieses Jahr wieder fündig geworden.
Zum dritten Mal vergibt Rotary Freiamt diese Auszeichnung. Dies als Ergänzung zu den Rotary-Preisen für Kantischüler, die es schon viel länger gibt. Denn das Schweizer Berufsbildungssystem sei einzigartig und verdiene es, mehr Beachtung zu finden, so Notter in seiner Einführung. «Wenn man die Jungen heute fragt, was wie mal werden wollen, sagen die meisten Influencer oder Youtuber. Bäcker oder Gärtnerin werden eher selten genannt», berichtet Notter aus seinen Erfahrungen. Der Preis sei darum auch eine Auszeichnung an all die vielen kleinen und grösseren Firmen, die sich engagiert um den Nachwuchs kümmern. Und die dabei mehr als nur ihre Pflicht erfüllen, wie die drei diesjährigen Preisträger beweisen.
Ausgeflippter Surflehrer wird Maurerlehrling
So etwa die Karl Gisi AG aus Dottikon. Das Bauunternehmen gab einem damals 30-jährigen Mann aus Irland die Chance, eine Maurerlehre zu absolvieren. Daniel Bergin war mit 18 Jahren nach dem Abitur nach Südafrika ausgewandert, hatte dort als Pilot und Surflehrer gearbeitet, später auf einem Boot angeheuert und kam der Liebe wegen in die Schweiz, wo er in einem Irish Pub hinter der Theke stand. «Dann kam Corona, und ich stand ohne Arbeit da», erzählt der heute 32-Jährige. Er hatte zwar immer gejobbt, aber nie eine Ausbildung gemacht. Nach einem Praktikum erhielt er in Dottikon die Möglichkeit, dies nachzuholen.
«Wir waren am Anfang schon skeptisch. Dachten, was ist das für ein komischer Typ», schaut Inhaber Timo Gisi zurück. Ein erwachsener Lehrling, das sei auch für eine Firma eine Herausforderung, dieser müsse ja schliesslich seinen Lebensunterhalt verdienen.
Letztlich habe man den Schritt gewagt. Und nie bereut. «Handwerklich war es kein Problem, anpacken konnte Daniel. Die Schule war da schon schwieriger, nicht zuletzt wegen der Sprache und der anderen schulischen Vorbildung», berichtet Gisi. Heute sind beide stolz auf das Erreichte. Und Gisi hofft, dass Daniel Bergin noch lange in seinem Team bleibt. «Ich kann ihn mir gut als Vorarbeiter vorstellen.»
Sich aus Krise befreit
Während sich Timo Gisi vor dem Lehrbeginn die Frage stellen musste, wie gross sein Engagement sein soll, stand dieses Thema für die Pflegi Muri mitten in der Lehre zur Debatte. Denn Fabian Sax, angehender Fachmann Gesundheit, schlitterte im zweiten Lehrjahr in eine persönliche Krise. «Mir ging es sehr schlecht. Ich konnte nicht mehr arbeiten. Aber auch nicht darüber reden», erzählt er heute, anderthalb Jahre später. Seine Mutter konnte ihn schliesslich überzeugen, Hilfe anzunehmen und sich ins PDAG zu begeben, wo er drei Monate stationär blieb.
«Hier habe ich zurück zum Leben gefunden», berichtet er. Dies umso mehr, als die Pflegi zu ihm hielt, auch wenn er erst gar nicht und später nur 60 Prozent arbeiten konnte. Tamara Moser, die Lehrlingsverantwortliche, hat ihn in dieser Zeit oft besucht und ihn unterstützt, «das was so wertvoll für mich. Sie ist die beste Ausbildnerin, die man sich wünschen kann», sagt der junge Mann heute und widmet den Preis auch ihr. Auch seiner Mutter spricht er seinen Dank aus. Letztlich konnte Fabian Sax die Lehre erfolgreich beenden. Und er hat einen wichtigen Ratschlag für andere: «Wenn es dir nicht gut geht, dann bemühe dich um Hilfe.»
Grosse Ziele gesteckt
Der Dritte im Bunde der strahlenden Preisträger ist Joel Hartmann. Er steht bereits zum zweiten Mal im Rampenlicht. Hartmann hat diesen Sommer die zweijährige EBA-Ausbildung in Logistik abgeschlossen und wurde mit der Note 5,6 als bester Absolvent im Kanton Aargau ausgezeichnet. Das Besondere daran: Hartmann ist beeinträchtigt, kam aus der Sonderschule und hat die Lehre zum grössten Teil in der Integra absolviert. «Das heisst, dass die praktische Ausbildung zwar in einem geschützten Rahmen stattfindet. Die Schule und die Prüfungen sind aber ganz normal», erklärt Integra-Geschäftsleiter Jonas Meier. Schon während der Lehre konnte Hartmann bereits in einem Betrieb des ersten Arbeitsmarkts Erfahrungen sammeln und hat nun auch eine Anstellung bei der Flex in Hägglingen gefunden. «Wenn wir es schaffen, solche Menschen im ersten Arbeitsmarkt zu integrieren, spart der Staat auf die Länge viel Geld», betont Meier.
Joel Hartmann hat aber noch weitere Pläne. Er möchte den EFZ-Abschluss nachholen und kann sich vorstellen, später in die Integra zurückzukehren, dann aber als Ausbildner. Er ist dankbar für die grosse Unterstützung, die er erhalten hat, und möchte etwas davon zurückgeben. Das freut auch seinen Ausbildner Philippe Meier, der Joel auf seinem Weg begleitet hat. «Ich bin stolz auf das, was er erreicht hat», sagt er. Dass ihm Hartmann seinen Job streitig machen will, nimmt er sportlich. «Ich würde mich freuen, wenn es sein Ziel erreicht.»
Weitere Beispiele gesucht
Für Initiant Toni Notter sind die drei Preisträger gute Beispiele für das, was in der Berufslehre möglich ist. «Wir hoffen, dass wir nächstes Jahr noch mehr Auswahl haben», sagt er. Um den Preis noch bekannter zu machen, stelle man ihn und die Idee dahinter jedes Jahr einer neuen Branche vor. Dieses Jahr waren Notter, Geissmann und Barrer im Gesundheitsbereich unterwegs. Nächstes Jahr kommen die Gewerbevereine an die Reihe. «Wir sind auf Hinweise angewiesen, damit wir solch tolle Preisträger küren können», meint Notter zum Schluss. Immerhin, die Finanzierung ist vorerst gesichert. Die Rotary Stiftung wird weiterhin Trägerin bleiben. Es sei noch genügend Geld da für weitere Auszeichnungen, liess deren Präsident Pascal Gregor ausrichten.


