Vorteile, wo er nur hinsieht
08.09.2023 Region Oberfreiamt, OberrütiDer Oberrüter Landwirt Pirmin Adler setzt seit einem Jahr auf Agroforst
«Rinder sind Wald- und Steppentiere», sagt Pirmin Adler. Gehölz und Laub gehören ganz natürlich zu ihren Nahrungsmitteln. Darauf will der Oberrüter vermehrt ...
Der Oberrüter Landwirt Pirmin Adler setzt seit einem Jahr auf Agroforst
«Rinder sind Wald- und Steppentiere», sagt Pirmin Adler. Gehölz und Laub gehören ganz natürlich zu ihren Nahrungsmitteln. Darauf will der Oberrüter vermehrt setzen. Vor knapp einem Jahr pflanzte er erste Heckenreihen. Und er hat viele Ideen, wie er Agroforst auch im Ackerbau anwenden kann. Die Liste der Vorteile ist lang.
Annemarie Keusch
«Ja», sagt Pirmin Adler. Als Pionier will er nicht bezeichnet werden. «Agroforst gibt es seit Jahrhunderten, es ist eigentlich die ursprüngliche Art der Landwirtschaft. Einfach das Wort ist neu», sagt er. Aber ein Ideologe sei er. Einer, der investiert, im Wissen, die Früchte davon sprichwörtlich erst in Jahren, teils Jahrzehnten ernten zu können. Das Holz keines Hochstammbaumes, den er pflanzt, wird er wohl ernten können. «Ich denke viel weiter», sagt er. Es ist Überzeugung, Idealismus, Herzblut, das ihn zum Projekt Agroforst führte und ihn nun nicht wieder loslässt. «Später.» Es ist ein Wort, das er oft sagt. Später wird er Agroforst auch im Ackerbau nutzen wollen. Später kann er sich vorstellen, auch Teile davon in die menschliche Ernährung zu integrieren.
Agroforst. Schon einige Jahre sind vergangen, seit sich Pirmin Adler erstmals vertieft damit befasste. «Ganz einfach gesagt geht es um die Integration von Gehölz in die landwirtschaftliche Nutzfläche», fasst er zusammen. Streifenweise werden Hecken oder Bäume angepflanzt, dazwischen weiden die Tiere oder wächst das Getreide.
Vielzahl an positiven Effekten
Er habe im Laufe der Zeit festgestellt, dass Gehölz den Tieren guttue. Es ist die Antwort von Pirmin Adler auf die Frage, wie er zu Agroforst kam. Rinder seien Wald- und Steppentiere, fressen gerne gewisse Arten von Gehölz. Adler hat viel gelesen zum Thema, Kurse besucht, aber in erster Linie hat er einfach ausprobiert. «Ich habe meinen Rindern Laub unter das Futter gemischt oder probeweise kurze Stellen einer Hecke in die Weide integriert. Die Resultate waren deutlich: Rinder mögen Gehölz.» Also verfolgte er den Weg weiter, auch wenn er nicht herkömmlich ist. «Grundsätzlich schaue ich darauf, was für meinen Hof und mich passt, und nicht darauf, was herkömmlich ist», betont er.
Im November letzten Jahres hat er die ersten Hecken gepflanzt, 20 verschiedene Arten von Gehölz. Von Früchten wie Zwetschgen, Vogelbeeren oder Feigen bis zu Laubgehölz wie Ulmen oder Linden. «Noch ist nicht alles gleich gut angewachsen», gibt er zu. Die Trockenheit habe die Bedingungen erschwert. Ebendieses Mikroklima verändern, es ist einer der Effekte, die Pirmin Adler mit Agroforst anstrebt. Allgemein sagt er: «Die Vielfalt an Effekten auf die Umwelt fasziniert mich.» Da sind einerseits die Früchte, die früher oder später geerntet werden können. Zwetschgen, Feigen, Beeren, aber auch das Holz und Laub und Reisig, das er dem Futter für die Tiere beifügt. Zudem entstünde dank den Hecken, aber auch dank Hochstammbäumen, zusätzlicher Lebensraum. Auch das Landschaftsbild verändert sich. «Es ist einfach schöner mit Hecken und Bäumen.» Hinzu kommt der angesprochene klimatische Effekt. «Neben der Tatsache, dass die Pflanzen Kohlenstoff binden, sorgen sie auch dafür, dass die Temperatur auf diesem Feld weniger schwankt oder dass der Wind gebrochen werden kann.» Es sind viele Argumente, die Adler aufzählt, auch die Verbesserung des Bodens.
Weg zur Selbstmedikation
Ein für ihn wichtiges Argument für Agroforst ist aber auch die Gesundheit. «Ich habe bei der Auswahl der Gehölze darauf geachtet, dass diese viele Mineralien, im Speziellen Spurenelemente, und viele sekundäre Pf lanzenstoffe enthalten.» Adler weiss, dass man diesen gesundheitsfördernde Wirkung nachsage. «Dank Agroforst werde ich gesündere Tiere haben», ist er überzeugt. Bei gesundheitlichen Problemen würden sich die Rinder selber Abhilfe schaffen, Adler nennt es Selbstmedikation. «Gerade im Winter, bei kühlfeuchten Bedingungen, hustet ab und zu mal ein Kalb, hier gibt es bereits positive Erfahrungen, was die Gehölze betrifft.»
Feld für Feld schaut der Landwirt, der auf dem Hof in Oberrüti, nahe der Reuss, aufgewachsen ist und der diesen von seinen Eltern übernommen hat, was möglich ist, wie die Pflanzen angelegt werden können. Im November plant er solche Streifen auch im Ackerland anzupf lanzen. «Ja, das tönt im ersten Moment danach, dass der Ertrag sinkt, weil weniger Fläche bearbeitet und angesät werden kann. Aber Studien aus Frankreich, wo Agroforst weiter verbreitet ist, zeigen, dass sich dies mit den Jahren auch äusserst positiv auf den Ertrag auswirke.» Für Adler ist klar: Eine möglichst grosse Vielfalt ist immer gut.
Dauert noch Jahre
Noch sind die Hecken klein, noch können weder die Rinder noch die Weidehühner daran knabbern. «Noch sind sie ausgezäunt, auch später werde ich mit Zäunen dafür sorgen, dass die Tiere nicht einzelne Sträucher fast ganz wegfressen.» Bis es so weit ist, dauert es. Er schätzt die Wartezeit auf drei, vier Jahre. Ungeduldig wird er deswegen nicht. Zu stark ist er dafür überzeugt vom Projekt Agroforst, zu viele neue Ideen hat er, wie er das Projekt weitertreiben will. Und Pirmin Adler sagt: «Ein bisschen mache ich das auch für mich, für meinen Arbeitsplatz, der nachher schöner und schattiger ist.» Auch Landwirte dürfen nicht nur an ihre Tiere denken, sondern auch an sich selbst.
Alleine auf dem Weg ist der Oberrüter dabei nicht. Letztes Jahr wurde er mit dem Agropreis des Kantons Aargau ausgezeichnet, zudem wird er von verschiedenen Institutionen und Organisationen unterstützt. Und Agroforst sei auf dem Vormarsch, unter den Landwirten, aber auch in der Politik.
Mehr Infos: www.adlerzart.ch.