Weil ignorieren nicht geht

  04.03.2022 Muri

Murianerin bei «Volunteers for Humanity»

Die Not in der Ukraine macht viele betroffen. Die Solidarität ist gross. Das spürt Joy Räber tagtäglich vor ihrer Haustüre.

Fassungs-, aber nicht tatenlos. Mit diesen Worten will der Verein «Volunteers for Humanity» helfen, den Menschen an der Grenze und in der Ukraine, «schnell und direkt». Seit einigen Jahren arbeitet auch die Murianerin Joy Räber im Vereinsvorstand mit. Gerade in diesen Tagen ist sie fast rund um die Uhr damit beschäftigt, Hilfsgüter entgegenzunehmen, abzuholen und ganz vieles zu koordinieren. «Solche Kriege wühlen mich enorm auf, besonders wenn das Krisengebiet so nah ist», sagt die Murianerin.

In ihrer Garage hat sich innert weniger Tage ganz viel Hilfsmaterial angesammelt, beispielsweise Decken oder Windeln. «Wir können nicht ignorieren, was gerade in der Ukraine passiert», sagt sie. --ake


Garage wird zum Sammelort

Joy Räber ist im Vorstand des Vereins «Volunteers for Humanity»

In vielen Dörfern wurden Vereine oder Privatpersonen aktiv. Schlafsäcke, Decken, Windeln, Hygieneartikel – auch im Freiamt wird fleissig für die Menschen in der Ukraine gesammelt. Mittendrin ist Joy Räber. «Die Solidarität ist unglaublich», sagt die Murianerin.

Annemarie Keusch

In der Garage stehen ganz viele Taschen. Einige Pakete Windeln hat Joy Räber schon in eine Schachtel sortiert. «Heute Morgen waren es 45 Nachrichten auf meinem Handy», sagt Joy Räber. Vorgestern war sie im ganzen Kanton unterwegs, hat 15 Paletten mit Hilfsgütern gesammelt. Schienen, Verbände, allgemein medizinisches Material. «Uns geht es so gut. Wir müssen etwas machen», sagt die 61-Jährige.

Joy Räber ist Vorstandsmitglied des Vereins «Volunteers for Humanity». Ursprünglich war die Non-Profit-Organisation auf Syrien ausgerichtet, schickte Kleider ins Kriegsgebiet. «Seit zwei Jahren ist es unmöglich, Güter nach Syrien zu schicken», weiss Räber. Also orientierte sich der Verein mehr in Richtung Griechenland und fokussierte sich immer mehr in Richtung medizinische Güter. Mittlerweile sind sie auch in Osteuropa organisiert, arbeiten mit anderen Hilfsorganisationen zusammen, mit dem Roten Kreuz vor Ort. «Wir versuchen, in Kriegs- und Krisengebieten zu helfen, egal, wo das ist», sagt die Murianerin.

Nach Wunschlisten der Botschaft  und des Roten Kreuzes

Aktuell liegt der Fokus auf der Ukraine. Am letzten Wochenende beschloss der Vorstand eine Sammelaktion für die Menschen im Kriegsgebiet und die Flüchtlinge an der Grenze. Damit stiessen sie im ganzen Land auf breite Unterstützung. In vielen Dörfern, auch im Freiamt, koordinieren Vereine die Sammlung, fahren die Hilfsgüter nach Aarau, wo sie sortiert und verpackt werden. «Die Solidarität ist unglaublich», sagt Joy Räber. Ihre Garage in Muri wurde quasi zum Sammelort. «Das ist im Vergleich nichts», sagt sie und zeigt auf die vielen Taschen und Säcke, die in der Garage bereitliegen. In Aarau habe sich scho die x-fache Menge gesammelt. «Alle wollen helfen. Die Situation im Osten Europas beschäftigt hier ganz viele Menschen», sagt sie. Auch das Bedürfnis, über die aktuelle Situation zu sprechen, spüre sie deutlich. «Den Krieg kennen die meisten nur aus den Geschichtsbüchern, und jetzt ist er plötzlich so nah.»

An der Rohrerstrasse 7 in Aarau werden alle Güter gesammelt, sortiert und verpackt. «Wir dürfen hier die Infrastruktur des Zeughauses nutzen. Dafür sind wir sehr dankbar», betont die 61-Jährige. Decken, Windeln, Schlafsäcke, Hygieneartikel, alles ist hier in grossen Mengen für den Transport in die Ukraine bereit. Es sind Güter, die die Botschaft oder das Rote Kreuz als dringend notwendig einstufen. «Viele Firmen spenden, aber auch viele Private.» Joy Räber hat sich über die Jahre ein richtiges Netzwerk erschaffen. «Es steht quasi jeden Tag eine Tasche mit Hilfsgütern vor unserer Tür», sagt sie und lacht.

Fassungslos, aber nicht tatenlos

Heute Freitag, 17 bis 19 Uhr, und morgen Samstag, 9 bis 12 Uhr, werden in Aarau weitere Güter entgegengenommen. «Ich wäre froh, wenn die Leute die Güter nun selber an den Sammelort in Aarau bringen würden», sagt Räber. Heute ist sie den ganzen Nachmittag unterwegs, auch im Freiamt, sammelt Spenden ein. Und am Abend hilft sie in Aarau zu sortieren, zu verpacken. Noch dieses Wochenende soll der erste Transporter in Richtung Ukraine losfahren. «Wir hoffen sehr, dass die Grenzen noch nicht zu sind und der Transporter noch ins Land kommt.» Die Hilfe an der Grenze sei zwar auch wichtig, aber im Land selber sei die Not auch riesig.

«Fassungslos, aber nicht tatenlos», unter diesem Motto agiert der Verein «Volunteers for Humanity». Und auch Joy Räber nimmt sich dieses Motto zu Herzen. «Wir sind so nah dran, aber einfach machtlos. Wir sehen, was passiert, können aber nichts ändern. Aber ignorieren, das geht einfach nicht.» Und ja, es sei auch Wut, die sie in solchen Momenten empfinde. «Aber ich weiss, dass ich viel mehr bewirken kann, wenn ich positiv bin, wenn ich mich auf das Helfen fokussiere.» Man könne sagen über Putin, was man wolle, «aber er hat es geschafft, die ganze Welt zum Stillstand zu bringen». Sie wolle keine Energie in solche Menschen stecken, sondern vielmehr in jene, die unter dem Krieg leiden.

Vorbei ist der Einsatz von «Volunteers for Humanity» nicht, auch wenn die «aus dem Boden gestampfte» Aktion am Wochenende vorbei ist. «Wir werden weiterhin Güter annehmen, das tun wir immer. Denn die Menschen in Kriegs- und Krisengebieten brauchen unsere Hilfe, auch wenn die Not wieder in den Hintergrund rückt.» Weil irgendwo auf der Welt immer Not herrsche. Leider.

Spenden für die Transportkosten an:
IBAN CH85 0658 8570 0771 2511 1, BIC: RBABCH22588. Weitere Infos unter: www.volunteersforhumanity.ch


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