Weitermachen – egal, was passiert
31.10.2025 Region Unterfreiamt, HägglingenVortrag in Hägglingen über das israelische Friedensdorf Neve Shalom
Im Rahmen der Vortragsreihe der «IG Offenes Pfarreihuus» war kürzlich Gabriel Oser in Hägglingen zu Gast. Sein Referat befasste sich vor allem mit der veränderten ...
Vortrag in Hägglingen über das israelische Friedensdorf Neve Shalom
Im Rahmen der Vortragsreihe der «IG Offenes Pfarreihuus» war kürzlich Gabriel Oser in Hägglingen zu Gast. Sein Referat befasste sich vor allem mit der veränderten Situation im Friedensdorf zwischen Jerusalem und Tel Aviv.
Stefan Treier
Seit 1970 besteht das Friedensdorf «Neve Shalom Wahat al-Salam» zwischen Tel Aviv und Jerusalem. Gründer dieses Hauses war der ägyptische Jude und spätere katholische Priester Bruno Hussar, welcher sich für dieses einzigartige Projekt in Israel starkmachte. Er sah sich als Christ und Priester, als Israeli und Jude. Das Friedensdorf hat sich in den 55 Jahren seines Bestehens zu einer Hochburg des friedlichen Beisammenseins verschiedener Ethnien entwickelt.
Gabriel Oser, Präsident der Schweizer Freundinnen und Freunde der Oase des Friedens in Israel, engagiert sich seit Jahren mit seinem Verein für die Belange des Friedensdorfes, worüber er schon einmal, damals noch vor dem Ausbruch der aktuellen Krise in Israel, in Hägglingen informierte. Das Friedensdorf hat sich in den letzten Jahren positiv entwickelt. Die Schule für jüdische und palästinensische Kinder ist aufgeblüht.
Die Leute in der Friedensoase waren nach Beginn der Auseinandersetzungen am 7. Oktober 2023 schockiert und perplex. Der durch den Hamas-Überfall ausgelöste Kriegsschock rief nach einem «Klarwerden», lastete diese neu entstandene Situation doch auf allen enorm. Juden und Palästinenser trafen sich, um sich neu zu finden. Wie Gabriel Oser informierte, gab es alsdann eine klare Aussage: «Wir machen weiter, egal, was passiert.»
Gemischter Schulbetrieb wird weitergeführt
Die friedenspädagogischen Institutionen geben ihre wichtigen Aktivitäten nicht auf. Es galt vorerst, den Menschen entstandene Ängste wegen den Zugehörigkeiten zu verschiedenen Ethnien zu nehmen. Viele Eltern bekundeten anfänglich Mühe, ihre Kinder weiterhin nach Neve Shalom in die Schule zu entsenden. Dennoch – es gelang, den Glauben an das Gute nicht zu verlieren. Nach der Ferienzeit begann der Schulbetrieb in Neve Shalom mit neuem Elan. Aus 20 Gemeinden kommen je zwölf jüdische und palästinensische Kinder in die Primarschule. Sie werden wohlbehütet per Bus vom Wohn- zum Schulort gebracht.
Man macht sich jedoch Sorgen über die Gestaltung der Schulleitung. Durch die zuständige staatliche Behörde wurde – entgegen dem Vorschlag der Schulverantwortlichen – eine ungenügend qualifizierte Person an die Spitze der Primarschule beordert, was auf Unverständnis gestossen ist. Da die Belange der Bildung den staatlichen Instanzen obliegen, ist man sehr darauf bedacht, nicht mit Repressionen konfrontiert zu werden, damit ein reibungsloser Schulablauf im Friedensdorf auch für die Zukunft gesichert bleibt. Die Schule im Friedensdorf hat den Charakter einer Privatschule.
In der Primarschule wird bis zum sechsten Schuljahr unterrichtet. Alsdann kommen die Schüler und Studenten auf freiwilliger Basis zusammen, so in der Friedensschule. Diese ist für junge Erwachsene bestimmt. An dieser Schule wird erkannt, dass auch die Angehörigen anderer Ethnien Menschen sind, mit welchen eine friedliche Koexistenz möglich ist. «Die Zielsetzungen der Bevölkerung des Friedensdorfes liegen unentwegt im Gespräch zwischen den Erwachsenen, welches weiter gefördert werden soll», so Gabriel Oser und weiter: «Es gilt zu bewahren, was wir haben.» Der jüdisch-palästinensische Dialog wird weiterhin eine Herausforderung bleiben, gilt es doch auch standhaft zu bleiben gegenüber extremen Kräften in beiden Lagern, welchen ein friedliches Zusammenleben verschiedener Religionen ein «Dorn im Auge» ist.
Gestaltung der Zukunft beschäftigt die Menschen
Hinsichtlich der Zukunft ist die Feststellung wichtig, dass ein «Austausch unter den Religionen für eine friedliche Existenz stattfindet», so Gabriel Oser. Da die Geschehnisse der letzten Zeit die Menschen in der ganzen Region allerdings gestresst haben, ist es besonders wichtig, sich aussprechen zu können. Viele sind von der aktuellen Lage überfordert und auch schockiert. Dabei sind sich die meisten allerdings bewusst, dass dauerhafte Veränderungen im konstruktiven Sinne nur «durch Bestrebungen von unten» erlangt werden können, was als natürliche Entwicklung zu sehen ist.
Was die Menschen im Nahen Osten wie auch weltweit beschäftigt, ist die Frage nach einer Zweistaatenlösung. Hierzu bestehen zwar weltweite Sympathien, was aus emotionalen Gründen verständlich ist. Dennoch muss eingesehen werden, dass verschiedene Strukturen für einen eigenen Staat derzeit fehlen, was die Schaffung eines solchen massiv erschweren könnte. Als Alternative bestünde die Einführung einer föderativen Staatsform für den Staat Israel, was jedoch beiderseits Kompromissbereitschaft erforderte. Doch weder auf israelischer noch auf palästinensischer Seite ist Kompromissbereitschaft erkennbar, sodass eine dauerhafte, friedvolle Lösung wohl noch länger auf sich warten lässt. Immerhin leben je sieben Millionen Israelis und Palästinenser im Staat Israel.
Die IG Offenes Pfarreihuus hat an diesem Abend ein gar weltpolitisch brennendes Thema in Hägglingen präsentiert und dadurch auch die Erkenntnis wach werden lassen, dass wir in der Schweiz noch immer in günstigem Mit- und Nebeneinander zusammenleben. In seinem Schlusswort gab Diakon Hans-Peter Stierli zu bedenken, dass es bei allen Schwierigkeiten stets Sinn macht, im Glauben an einen Frieden standhaft zu bleiben.

