Wie Buttwil zum Flugplatz kam
04.09.2020 Region OberfreiamtVor einem halben Jahrhundert spalteten die Pläne zweier Zürcher Brüder das Dorf
Er ist zum Ausflugsziel geworden: der Flugplatz Buttwil. Aber er ist auch Arbeitsplatz, etwa für Patrik Eichenberger, Leiter der Flugschule.
Annemarie Keusch
Der Güterbahnhof in Spreitenbach kam und der dortige Flugplatz musste gehen. Es ist der Anfang der Geschichte des Flugplatzes Buttwil, der vor 50 Jahren eröffnet wurde. Es waren der Grossvater Ruedi und Grossonkel Werni von Patrik Eichenberger, die nach einem neuen Ort für einen Flugplatz suchten.
In Buttwil wurden sie fündig. «Hier passten die Gegebenheiten», weiss Patrik Eichenberger aus Erzählungen. Oder besser: sie passten am besten. Denn auch in Buttwil gab es Widerstand aus dem Dorf, das Projekt spaltete die kleine Gemeinde quasi in zwei Lager. Und auch die geologischen Gegebenheiten waren alles andere als ideal. «Wo heute die Gebäude stehen und die Piste ist, war früher Sumpfgebiet.»
«Heute unvorstellbar»
Die Eichenbergers liessen sich von diesen Schwierigkeiten nicht abhalten, kauften von 27 Vertragspartnern Land, unterschrieben die Verträge im Juni 1968 – keine zwei Monaten nach dem ersten Augenschein. «Für heutige Verhältnisse ist das unvorstellbar», sagt Patrik Eichenberger. Er führt die auf dem Flugplatz entstandene Flugschule in dritter Generation und mit ganz anderen Schwierigkeiten. Zudem ist er quasi auf dem Flugplatz gross geworden.
Wo Bubenträume wahr werden
Seit einem halben Jahrhundert gibt es den Flugplatz Buttwil – vieles ist noch ganz ähnlich
Zwölf Motorflieger und vier Helikopter umfasst die Flotte der Flugschule Eichenberger. Patrik Eichenberger leitet die Flugschule, sein Bruder ist für den technischen Unterhalt zuständig. Vater Rolf ist Chef der mittlerweile in eine AG umgewandelten Firma. Und Grossvater Ruedi und Grossonkel Werni kauften einst das Land, wo der Flugplatz heute steht.
Annemarie Keusch
Patrik Eichenberger tut es heute noch gern. Einfach neben dem Flugplatz Buttwil ins Gras liegen und die Flieger beobachten. «Das Gefühl von Freiheit ist noch genauso da, wie es als kleiner Junge war», sagt der mittlerweile 40-Jährige. Er leitet die Flugschule Eichenberger AG in dritter Generation. Dabei wollte er nach der Lehre als Maschinenmechaniker eigentlich einen anderen Weg einschlagen. Er absolvierte das Militär, ging auf Reisen. Und als er zurückkam, war eine Stelle in der Werkstatt des Flugplatzes frei. «Ich war froh. Die Geldreserven waren nämlich aufgebraucht.»
Patrik Eichenberger blieb. Bereut habe er das nie. «Ich weiss, für wen und für welche Sache ich tagtäglich arbeite, das bedeutet mir viel», sagt er. Und emotional ist er mit dem Flugplatz sowieso eng verbunden. Die ersten zwei Lebensjahre verbrachte er auf dem Campingplatz oberhalb des Flugplatzes. «Ich erinnere mich an unbeschwerte Tage, umgeben von Natur und Flugzeugen. Höre ich Flieger, ist das für mich immer ein heimeliges Gefühl.» So mochte es sein Vater und so mochten es sein Grossvater und -onkel. In Spreitenbach wurden sie vom Segelflugfieber gepackt. «Es wurde eine Art Bessenheit bei beiden», weiss der Enkel.
Drainagen waren im ganzen Gelände nötig
Im Auftrag der Segelfluggruppe Zürich und «Skylark» suchten die beiden vor über 50 Jahren eine Alternative für einen Flugplatz, als jener in Spreitenbach dem Güterbahnhof weichen musste. Nach der ersten Besichtigung vergingen zwei Monate bis zur Vertragsunterzeichnung und weitere sechs Monate bis zur Baubewilligung. «Heute ist das ein wenig anders.» Patrik Eichenberger vermutet, dass die Vorbesitzer das vorher brachliegende Land, das wegen der extremen Feuchte nicht bewirtschaftet werden konnte, gerne verkauften. «Das kam dem damaligen Projekt sicher zugute.»
Leisten konnten sich die beiden Brüder das Land für den Flugplatz trotzdem nur knapp, auch wenn damals nur die halbe Länge der heutigen Piste nutzbar war. Den Sumpf wollten sie mit angemieteten Maschinen bekämpfen. «Wohl Kategorie Spielzeug», sagt er heute. Vorwärts ging es schleppend, bis grosse und schwere Maschinen auf den Platz kamen. Die Folge: Die Kosten für die Erdverschiebungen und den späteren Einbau der Drainage zur Entwässerung waren etwa gleich hoch wie für das ganze Land.
Jährlich bis zu 30 Pilotinnen und Piloten ausbilden
Das alles so schnell zu realisieren – heute wäre es unmöglich. Patrik Eichenberger nennt ein Beispiel. 1978 kam die Bewilligung vom Bundesamt für Zivilluftfahrt für das Teeren der Piste. Im Nachhinein wurde diese wieder entzogen. «Es wäre eine gute Sache», sagt Eichenberger auch heute. Die Flugzeuge wären schneller in der Luft, es entstünde weniger Lärm, die Sicherheit wäre noch mehr gewährleistet. 1999 wurde das Gesuch wieder eingereicht. Seither ist es im SIL-Verfahren hängig. «Das ist auch der Grund dafür, dass viele provisorische Gebäude seit fast vier Jahrzehnten stehen.»
Überhaupt, angesprochen auf die grossen Veränderungen in der Geschichte des Flugplatzes Buttwil, schmunzelt der Geschäftsführer der Flugschule. «Vieles ist noch gleich, ausser der zu erledigende Papierkram.» Viele der Flieger gehören seit Jahrzehnten zur Flotte. Immer noch steht die Grundausbildung der Piloten an erster Stelle auf dem Flugplatz. «Vor eineinhalb Jahren haben wir das zurzeit wohl modernste Schulflugzeug in die Flotte aufgenommen.»
Pro Jahr seien es rund 25 bis 30 zukünftige Pilotinnen und Piloten, die ihre Ausbildung auf dem Flugplatz Buttwil absolvieren. «Etwa die Hälfte davon will beruflich diesen Weg einschlagen, die andere Hälfte erfüllt sich bei uns ihren Bubentraum oder sucht einfach eine neue Herausforderung und will dem Alltag entkommen.» Die Ausbildung trägt ebenfalls etwa zur Hälfte der Einnahmen der Flugschule ein, die andere Hälfte sind Vermietungen.
Angst vor Virusauswirkungen
Es ist eine AG, die hinter der Flugschule Eichenberger steht. Die Segelfluggruppe Zürich, die ursprünglich die treibende Kraft für den Flugplatz Buttwil war, ist zwar Gast, hat aber nichts mit der Flugschule zu tun. Eichenberger und sein Bruder Daniel bilden die operative Leitung, ihr Vater die strategische. «Im Sommer ist das weit mehr als ein Hundert-Prozent-Job», sagt Patrik Eichenberger, der viele Jahre in der Region – in Schongau, Muri und Fahrwangen – wohnte und aktuell in Urdorf lebt. In der Werkstatt zählt das Unternehmen fünf Angestellte, hinzu kommt ein Pool von Freelancer-Piloten. «Total sind es 48 Personen, rund 20 brauchen wir regelmässig für die Flugschule.»
Wie sich diese Zahl im Zuge des Coronavirus entwickelt, ist eine der Herausforderungen, die der Flugschule bevorstehen. «Ich hoffe, der Linienverkehr in der Schweiz erholt sich schnell wieder, sonst können wir künftig wohl weniger Piloten ausbilden.» Zwar sei in den letzten Monaten das Interesse von Privatpersonen an der Fliegerei gestiegen. «Aber der Ausfall in der Ausbildung kann damit nicht kompensiert werden.» Überhaupt werde es immer schwieriger, dass Ende Jahr die Rechnung der Flugschule ausgeglichen ist.
Faszination weitergeben
Nach wie vor ist das Fliegen aber die grosse Leidenschaft der Eichenbergers. Der Vater mäht regelmässig den Rasen der Piste. Er selber ist täglich in der Luft. «Das Ausbilden macht unglaublich Spass», sagt er. Es sei ihm ein persönliches Anliegen, die Faszination für das Fliegen weiterzugeben. So wie sein Grossvater seinem Vater die Faszination weitergab und beide auch Patrik Eichenberger mit dem Flugvirus ansteckten. Das gleiche Ziel hat er bei seinen Söhnen.