Wie eine Detektivin
08.11.2024 Region Bremgarten, EggenwilEggenwil: Ingrid Vitali fand mit einem Team ein Nest der Asiatischen Hornissen
Die Asiatische Hornisse breitet sich momentan stark aus und führt in der Landwirtschaft zu grossen Problemen. Jetzt ist sie im Freiamt zum ersten Mal rund um Eggenwil aufgetaucht. ...
Eggenwil: Ingrid Vitali fand mit einem Team ein Nest der Asiatischen Hornissen
Die Asiatische Hornisse breitet sich momentan stark aus und führt in der Landwirtschaft zu grossen Problemen. Jetzt ist sie im Freiamt zum ersten Mal rund um Eggenwil aufgetaucht. Bekämpfungsmassnahmen laufen.
Roger Wetli
«Unser Ziel ist es, die Verbreitung der Asiatischen Hornisse zu verlangsamen. Ob wir sie ganz aufhalten können, ist dagegen fraglich», erklärt die Eggenwilerin Ingrid Vitali. Die Imkerin und Mitglied der Eggenwiler Naturund Umweltkommission (NUK) hat seit Mitte Oktober zusammen mit befreundeten Imkern unzählige ehrenamtliche Stunden damit verbracht, ein Nest der Asiatischen Hornisse zu finden. Am 1. November hatte die Gruppe Erfolg. Am Mittwoch wurde das Nest in Bellikon entfernt und unschädlich gemacht.
Den Hornissen «gefolgt»
Zuvor ging sie wie eine Detektivin vor. Am 17. Oktober wurde die erste Asiatische Hornisse aus Bellikon gemeldet. Am 22. Oktober folgte eine Meldung aus Künten, einen Tag später eine aus Eggenwil und am 27. Oktober eine weitere aus Künten. «Um jede Sichtung zogen wir einen Kreis von einen Kilometer, bauten Locktöpfe und stellten diese in ihren im Herbst bevorzugten Jagdgebieten bei Honigbienenständen auf», so Vitali. Die angelockten Asiatischen Hornissen markierten sie mit Farbe und stoppten die Zeit von ihrem Wegfliegen, bis sie wieder zurückkamen. Zudem merkten sie sich die Flugrichtung. Das wiederholten sie an verschiedenen Standorten und näherten sich so nach und nach dem schliesslich gefundenen Nest in Bellikon. «Dass wir es gefunden haben, freut mich sehr. Allerdings vermute ich aufgrund der Distanz zwischen Nest und den Erstfunden, dass noch ein weiteres Hornissennest vorhanden ist. Die Suche geht also trotz dieses Erfolgs weiter», gibt sich Ingrid Vitali kämpferisch.
Die Asiatische Hornisse wurde vermutlich mit Warentransporten nach Frankreich eingeschleppt und verbreitet sich seither in Mitteleuropa. Sie ist etwas kleiner und dunkler gefärbt als die einheimischen Hornissen und hat in Europa keinerlei Gegenspieler. «Ein Nest benötigt pro Jahr zirka 11 Kilogramm Insekten als Beute. Das ist sehr viel. Und diese Nahrung holt sie sich in Form von Spinnen, Wespen, Hornissen und auch von Bienen. Zum Teil beträgt der Honigbienenanteil ihrer Nahrung 60 bis 80 Prozent», so Vitali. «Unsere Bienen kennen keine Strategie, sich gegen die Asiatische Hornisse zu wehren.» Die Eggenwilerin betont, dass diese Hornissenart auch grossen Schaden in der Landwirtschaft anrichtet, wenn sie etwa Trauben anknabbert und den Saft trinkt. «Nektar, Pflanzensäfte und Bienenhonig sind ihr Treibstoff. Die erbeuteten Insekten benötigt sie als Eiweiss für die Brut ihrer Insekten. Um Energie zu sparen, filetiert sie nach erfolgreicher Jagd ihre Beute und trägt nur den eiweisshaltigsten Teil ins Nest», ist die Eggenwilerin fasziniert. Ein Nest könne im Herbst aus 2500 bis 5000 Tieren bestehen. Im Winter stirbt das ganze Volk. Zuvor ziehen sie bis 300 junge Königinnen auf, die draussen überwintern. Etwa fünf bis zehn Prozent davon überleben den Winter. «Das reicht für eine sehr schnelle Ausbreitung», weiss Ingrid Vitali.
Viele Sichtungen im Herbst
Sie kennt den Grund, wieso vor allem jetzt die Asiatischen Hornissen wahrgenommen werden. «Das Volk hat nun seine maximale Grösse erreicht. Und weil viele Insekten bereits ins Winterstadium übergegangen sind, bleiben als Nahrungsquellen noch die Nester der Honigbienen und als Nektarquelle die blühenden Efeus übrig. Die Asiatischen Hornissen konzentrieren sich jetzt dort.»
Vitali hofft, dass jetzt mit dem Laubfall die Nester in 15 bis 30 Metern Höhe in Bäumen gefunden werden. «Sie haben etwa die Grösse eines Fussoder eines Medizinballs und fallen entsprechend auf. Im Frühling bilden sie dagegen eine erste Nestform, die sehr derjenigen von Wespen gleicht und befinden sich näher am Boden als die späteren grossen Nester.» Aber auch diese sollten bei Verdacht auf der Website www.asiatischehornisse.ch gemeldet werden. «Lieber meldet man ein falsches Nest, als dass man es übersieht», so ihre Devise.
International vernetzt
Ingrid Vitali imkert seit 11 Jahren. Über dieses Hobby stiess sie vor fünf Jahren auf die Problematik der Asiatischen Hornisse in Europa und begann sich regelmässig international auszutauschen. Gemeinsam mit weiteren Personen baute sie die Website www. velutina.info auf. Die Eggenwilerin pflegt Kontakte nach Deutschland, Österreich, Spanien, Frankreich und Belgien. «Beobachte ich die Gesamtsituation, wird es wohl wirklich schwierig, die Asiatische Hornisse zu stoppen. Umso wichtiger erscheint mir, bei ersten Sichtungen sofort zu handeln. Und das tun wir jetzt auch.»
Zerstörung als einzige Methode
«Die Meldungen aus Bellikon, Künten und Eggenwil sind die ersten Fundmeldungen in der Nähe des Freiamts», erklärt Lisa Burger von der Kantonalen Koordinationsstelle Neobiota im Landwirtschaftlichen Zentrum Liebegg. Sie koordiniert im Aargau die Bekämpfung und weiss: «Ansonsten haben wir bisher keine Fundmeldungen von Asiatischen Hornissen aus dem Freiamt erhalten. Es ist aber davon auszugehen, dass sich die Asiatische Hornisse auch in diesem Gebiet ausbreiten wird.»
Die Entfernung und Vernichtung von Nestern sei bislang die einzige Methode, mit der die Ausbreitung der Asiatischen Hornisse verlangsamt werden kann. «Stoppen kann man die Ausbreitung der Asiatischen Hornisse damit jedoch nicht», gibt sie zu bedenken. In den Nestern würden während der Saison die Jungköniginnen aufgezogen, die dann im Spätherbst das Nest verlassen. Daher lasse sich die Ausbreitung nur durch die Zerstörung der Nester verlangsamen. «Es haben dieses Jahr in der Westschweiz Versuche stattgefunden, im Frühjahr in Gebieten mit zahlreichen Nestern im Vorjahr mit selektiven Fallen die Jungköniginnen zu fangen, sodass diese nicht mit dem Nestbau beginnen können», erklärt Burger. «Die Resultate der Versuche stehen noch aus. Mit einer signifikanten Auswirkung auf die Ausbreitung der Asiatischen Hornisse wird jedoch nicht gerechnet.» --rwi