«Wow, das ist deine Berufung»
11.03.2025 BremgartenOperettenbühne Bremgarten: Anna Gitschthaler als «Fedora»
Unter den neuen Gesichtern der diesjährigen Operettensaison findet sich auch eine junge Österreicherin. Und Anna Gitschthaler spielt bei ihrer Bremgarter Premiere nicht irgendwen, sondern ...
Operettenbühne Bremgarten: Anna Gitschthaler als «Fedora»
Unter den neuen Gesichtern der diesjährigen Operettensaison findet sich auch eine junge Österreicherin. Und Anna Gitschthaler spielt bei ihrer Bremgarter Premiere nicht irgendwen, sondern gleich die weibliche Hauptrolle. Ein Gespräch mit einer erfrischenden Frau mit viel Naturtalent und Charisma.
Marco Huwyler
Haben Sie Ihre Brille wiedergefunden?
Anna Gitschthaler: Nein, leider nicht – wo die geblieben ist, bleibt ein Mysterium.
Bei unserem ersten Treffen ist sie auf rätselhafte Art und Weise verschwunden. Wir haben gefühlt ganz Bremgarten danach abgesucht.
Das ist so. Doch auch der Funddienst der Bahn und weitere Suchanfragen haben nichts ergeben. Entschuldigung nochmals für die damalige Odyssee übrigens.
Das macht gar nichts. Ist bei Ihnen eigentlich trotzdem ein guter erster Eindruck von Bremgarten haften geblieben?
Auf jeden Fall! Ich habe mich sofort in dieses Städtli verliebt. Sie haben ja gesehen, wie ich gleich ein paar Fotos machen musste (schmunzelt). Ich freue mich bereits jetzt auf die Pausen am frühlingshaften Reussufer, die ich zwischen den Proben und Aufführungen im Casino haben werde.
Momentan wird noch im ehemaligen Gemeindesaal von Hermetschwil-Staffeln geübt. Sie haben gerade ein intensives Probewochenende hinter sich. Wie ist der Stand der Dinge?
Wir schreiten immer besser voran. Langsam greifen die Puzzlestücke ineinander. Es ist wirklich schön, wie produktiv, konstruktiv, konzentriert und gleichzeitig humorvoll, gelöst die Atmosphäre ist.
Gemeinsam probt ihr Solisten das Stück seit gut einem Monat. Doch alleine beschäftigen Sie sich mit «Fedora» und Ihrem Auftritt schon viel länger.
Ja, los gehts eigentlich vom Moment an, wenn du den Zuschlag für eine Rolle erhältst. Also vor rund einem Jahr. Text, Gesang, Mimik – alles ist seither ständig präsent. Längst nicht nur dann, wenn man bewusst probt oder lernt, sondern auch im Alltag. Beispielsweise, wenn ich meinem Mann auf eine normale Frage während des Kochens zur Antwort gebe: «Vielleicht, mein Prinz, vielleicht. Einmal schlägt auch meine Stunde.» (Lacht.) Fedora ist bei mir seit einem Jahr rund um die Uhr präsent. Ich gehe summend durch den Alltag – und manchmal träume ich nachts sogar von ihr.
Was träumen Sie denn?
Dass mir selbst Dinge wie Fedora widerfahren. Oder dass ich Charakterzüge meiner Figur annehme, die ich gar nicht mag. Was ich auch immer wieder träume, ist, dass ich einen Auftritt komplett verpatze, weil ich einen Hänger habe.
Ist das schon einmal vorgekommen?
Nein, zum Glück tatsächlich nicht. Wenn wir Solisten mal kleine Aussetzer haben sollten, dann merkt dies das Publikum meist gar nicht, weil man gelernt hat, dies zu überspielen. Ich bin deshalb einigermassen zuversichtlich, dass komplette Blackouts weiterhin nur ein schlechter Traum bleiben. Hoffentlich auch in Bremgarten (schmunzelt).
Wie kam es eigentlich zum Engagement hier bei der Operettenbühne?
Regisseur Volker Vogel hat mich bei einem Auftritt in Hombrechtikon gesehen, mich im Anschluss kontaktiert und gefragt, ob ich nicht ans Bremgarter Casting kommen möchte. Ich habe mich gefreut und kam gerne – und so kam eins zum anderen (lächelt).
Vogel hatte Sie sofort für die Hauptrolle im Hinterkopf – welche Sie anschliessend auch bekamen. Man muss schon gut sein, dass man einen so erfahrenen Profi auf Anhieb so beeindruckt.
Das haben jetzt Sie gesagt (lächelt).
Steckt hinter Ihrer Ausstrahlung und Ihrer Stimme ein Naturtalent oder ist es das Resultat harter Arbeit?
Ab einem gewissen Niveau ist es immer beides. Ich habe früh gerne gesungen und es immer sehr gut gekonnt. Arbeit war es damals als Kind natürlich noch nicht. Dieser Faktor ist erst viel später dazugekommen, eigentlich erst seit dem Gesangsstudium. Aber heute sind akribische Stimmübungen, Analysen und intensives Training natürlich Alltag und ein wesentlicher Teil meines Berufes.
Gehören Sie zu den «Wunderkindern», deren Weg schon früh vorgezeichnet schien? Hat klassische Musik Sie schon immer fasziniert?
Überhaupt nicht (lacht). Ich bin in einem kleinen Kaff in der Steiermark aufgewachsen, voller Flausen im Kopf. Musikalisch war da Schlager angesagt. Früher konnte ich mit Klassik im Allgemeinen und Opernmusik im Speziellen überhaupt nichts anfangen und fand sie ziemlich schrecklich und überaus seltsam. Es war letztlich meine Stimme, die mir den Weg zu meiner Berufung wies (lächelt).
Das müssen Sie erklären.
Ich hatte Gesangsunterricht als Wahlfach an der Regelschule. Und eines Tages stand ein Jugendkonzert an. Meine damalige Gesangslehrerin wollte, dass ich eine Mozart-Arie singe. Für mich damals mehr eine Strafaufgabe als ein Vergnügen. Ich schämte mich sogar ein bisschen und wollte nicht, dass mich meine Familie und meine Bekannten in dieser Rolle zu sehen bekommen. So fühlte ich mich also alles andere als wohl mit Klassik. Meine Stimme sich aber schon... Sie ist in dieser Höhenlage und Intensität förmlich aufgegangen. In einer Art und Weise, die mich selbst am meisten überraschte. Da dachte ich mir während des Singens: Wow, das ist deine Berufung. Du musst das weiterverfolgen.
Trotzdem kamen Sie dann erst mal als gemeine Pädagogin in die Schweiz – Ihre erste Anstellung hier war in einem Kindergarten.
Ja, die Ausbildung in Musik und Pädagogik erfolgte bei mir parallel. In der Schweiz habe ich dann eine Stelle gesucht, weil es meinen Partner hierher verschlug. Der Traum war aber schon damals, Opernsängerin zu werden. Ich habe dann ja auch hier an der ZHdK mein Master-Gesangsstudium absolviert.
Das war 2019. Erste Erfolge folgten anschliessend rasch – trotz Corona. Innert kurzer Zeit hatten Sie einige prominente Rollen an teils renommierten Häusern.
Ja, ich hatte das Glück, dass meine Karriere nach dem Studium relativ schnell Fahrt aufnahm – auch, da ich dort sehr gefördert wurde. Aber man muss auch sehen, dass ich vieles selbst in die Hand genommen habe. Als freie Künstlerin muss man flexibel und vielseitig sein. So habe ich einige der Inszenierungen, in denen ich mitspielte, auch selbst mitorganisiert und mich so quasi selbst engagiert (schmunzelt). Es ist ein hartes Business. Aber ich bin froh und stolz, dass ich fürs Erste meinen Platz darin gefunden habe und davon leben kann.
Ihre Stimme ist Ihr berufliches Kapital. Wie gibt man acht auf dieses wertvolle Gut?
Ich schwöre auf heisses Wasser mit Zitrone am Morgen (schmunzelt). Ein Geheimrezept gibt es aber natürlich nicht. Im Allgemeinen versuche ich einfach, Sorge zu tragen. Gesund zu essen. Körperlich in Schwung zu kommen, bevor ich mit dem Singen beginne. Und meine Stimme zu pflegen und regelmässig kontrollieren zu lassen. Ich finde es aber auch ganz wichtig, nicht zu übertreiben. Beispielsweise habe ich keine Angst vor Viren und meide deshalb keine menschlichen Kontakte oder so. Letztlich wäre dies kontraproduktiv, davon bin ich überzeugt. Denn primär muss ich schauen, dass es mir als Mensch gut geht – auch psychisch. Dann kann sich auch meine Stimme entfalten.
Fedora ist eine noble Fürstin, die ihren Geliebten verlässt, als sie erfährt, dass dieser ein Zirkusartist ist. Mag Anna Gitschthaler eigentlich Zirkus?
Also meinen Mann würde ich deswegen gewiss nicht verlassen (lacht). Das ständige Reisen stelle ich mir ein bisschen schwierig vor. Aber ansonsten hätte ich null Probleme damit und fände das überaus spannend.
Ist es demzufolge schwer, sich in eine so bornierte Frau hineinzuversetzen?
Nein. Denn auch wenn einem auf persönlicher Ebene vielleicht manches fremd erscheint, kann man sich vieles davon zu eigen machen. Einfach auf einer abstrakteren Ebene. So ist es bei Fedora doch letztlich ein klassischer Kopf/Herz-Konflikt, den wir alle von uns selbst kennen. Wir haben doch alle unsere vorgefertigten Meinungen und Vorstellungen, die unsere Ideale und somit letztlich unser Handeln prägen. Wenn man sich auf dieser Ebene an eine Rolle rantastet, fällt es einem leicht. Ich lerne täglich neue spannende Züge von Fedora kennen und erfülle sie selbst mit Leben und Charakter, indem ich sie mit eigenen Facetten ergänze. Ausserdem ist Fedora eine elegante, schöne, intelligente und begehrte Frau. Schön fürs Selbstbewusstsein, wenn man so jemanden spielen darf (lacht).
Wie gefällt Ihnen «Die Zirkusprinzessin» sonst?
Sehr gut. Es ist wie eigentlich immer bei Emmerich Kálmán (dem Komponisten, Anm. d. Red.) ein Stoff zum Mitfühlen. Nahe an den Menschen, mitten aus dem Leben. Und übrigens toll auch aus gesanglicher Perspektive. «Die Zirkusprinzessin» enthält viele Ohrwürmer, auf die sich das Publikum freuen kann. Ich wäre nicht überrascht, wenn man in Bremgarten ab dem 29. März viele vor sich hin summende Passanten antreffen würde (schmunzelt).
Dann ist im Casino die grosse Premiere. Reicht die Zeit bis dahin eigentlich für eine neue Brille?
(Lacht.) Ich habe bereits Ersatz. Aber Fedora braucht ohnehin keine Brille. Bei den Auftritten muss ich nicht allzu scharf sehen. Da bin ich so in dieser eigenen zauberhaften Bühnen- und Gesangswelt versunken. In den tausendfach durchgegangenen Abläufen, Melodien und Interaktionen. Hier ist so was Profanes wie eine Sehhilfe nicht vonnöten (schmunzelt). Aber für das Leben daneben habe ich die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass die verlorene Brille doch noch auftaucht. Ein etwaiger Finder kann sich am Rande der Operettensaison gerne bei mir melden.
«Die Zirkusprinzessin» wird in Bremgarten vom 29. März bis zum 24. Mai insgesamt 22-mal aufgeführt. Weitere Informationen, Reservationen und Tickets unter www.operette-bremgarten.ch.
Zur Person
Anna Gitschthaler kommt in den 90er-Jahren im österreichischen Oberwölz in der Steiermark zur Welt. Früh zeigt sich ihr Talent in Gesang und Schauspiel. Vor 10 Jahren folgt sie ihrem heutigen Ehemann in die Schweiz und absolviert hier ihr Masterstudium an der Zürcher Hochschule der Künste mit Auszeichnung. Seither hat sich Gitschthaler mit Opern-, Operettenauftritten und als Konzertsolistin einen Namen gemacht. In der diesjährigen Produktion der Bremgarter Operettenbühne «Die Zirkusprinzessin» spielt sie «Fedora», die weibliche Hauptrolle. --huy