Zehnspänner vor der Kutsche
29.10.2024 MuriHoldener verlässt Murikultur
Geschäftsführerin nimmt nach 8½ Jahren Ende Januar Abschied
Als sie kam, war der Singisenflügel eine Baustelle. Über acht Jahre später kündigt Heidi Holdener an, Murikultur zu ...
Holdener verlässt Murikultur
Geschäftsführerin nimmt nach 8½ Jahren Ende Januar Abschied
Als sie kam, war der Singisenflügel eine Baustelle. Über acht Jahre später kündigt Heidi Holdener an, Murikultur zu verlassen.
Annemarie Keusch
«Nein.» Heidi Holdener betont es mehrmals. «Wechsel gehören dazu.» Dass sie Murikultur verlasse, habe nichts mit den Unstimmigkeiten, die es rund um die Leitung von «Musik im Festsaal» vor einigen Monaten gab, zu tun. Es habe auch nichts mit anderen Wechseln weder auf strategischer noch auf operativer Ebene zu tun. Diese Veränderungen stehen in keinem Zusammenhang mit ihrem Abschied. «Das mag von aussen vielleicht anders aussehen, aber ich gehe, weil Murikultur auf Kurs ist, weil alles gut aufgegleist ist, weil es der richtige Zeitpunkt ist», sagt sie. Die Weichen seien gestellt, Murikultur weiter zum kulturellen Leuchtturm gewachsen und für die Zukunft gerüstet. «Und für eine solche Zukunft tun neue Gesichter und neue Ideen immer gut.»
Mit viel Herzblut
Dieser Entscheid sei ihr aber alles andere als einfach gefallen. «Murikultur ist mir natürlich ans Herz gewachsen. Da steckt ganz viel Herzblut drin.» Schliesslich hat sich die Institution unter ihrer Leitung auch merklich weiterentwickelt. In ihrem Büro im Singisenflügel sitzend, blickt Heidi Holdener um sich. «Es ist fast nicht mehr denkbar, aber hier war Baustelle, als ich nach Muri kam.» 2019 wurden das Museum Caspar Wolf und das Singisenforum eröffnet, 2022 folgte der Singisensaal. Holdener blickt auf viele schöne Momente zurück und appelliert an die Murianer Bevölkerung: «Ihr dürft stolz sein.»
Heidi Holdener verlässt als Geschäftsführerin Ende Januar Murikultur
Es sei der perfekte Zeitpunkt, sagt Heidi Holdener. Murikultur sei bestens aufgestellt, die Ressorts greifen immer mehr ineinander. Auf dieses Miteinander ist die langjährige Geschäftsführerin stolz. «Um dies zu erreichen, braucht es viel Empathie von allen Seiten.»
Annemarie Keusch
Gemeinsam fürs grosse Ganze zu denken. Über den eigenen Garten hinauszudenken. Murikultur als Ganzes vorwärtsbringen zu wollen. Es war eine der Hauptaufgaben, denen sich Heidi Holdener in den über acht Jahren als Geschäftsführerin von Murikultur annahm. Sie blickt zurück und erzählt von Konzertreihen, von Veranstaltungen, von Führungen, die alle funktioniert haben. Aber alle als separate Stränge. «Mittlerweile sind diese immer mehr zusammengewachsen. Und darauf bin ich sehr stolz.» Die Räder drehen alle noch selbständig, greifen aber ineinander. Heidi Holdener lächelt: «Das Baby läuft.» Die Aufbauarbeit trägt langsam Früchte. «Aber natürlich, damit das Miteinander stimmt, muss stetig daran gearbeitet werden.» Ein Kind, das läuft, wächst weiter, entwickelt sich.
«Es braucht alle»
Dies wird es aber ohne Holdener tun. Sie hat sich entschieden, nach über acht Jahren Murikultur zu verlassen. Warum? «Weil die Institution gut aufgestellt ist, die Weichen gestellt sind, die Arbeit für mich geleistet ist.» Weil es gelungen ist, die verschiedenen Sparten zunehmend zu vereinen. Murikultur wachse zusammen – die ehrenamtlichen Helfer, die Professionellen, die Teil-Ehrenamtlichen. «Die einen sind nicht wichtiger als die anderen. Es braucht alle», betont Holdener. Wie man unter so vielen Leuten ein Miteinander erreicht? «Indem man versucht, für alle Verständnis aufzubringen. Empathie und Zeit für Gespräche sind sehr wichtig.» Die Begeisterung zu transportieren, sei ebenfalls zentral. «Nur wenn alle sehen, welches Potenzial dieser Ort, diese Institution in sich birgt, rücken sie zusammen, um dieses an die Oberfläche zu bringen.» Oder Holdener sagts sinnbildlich: «Mit einem Zehnspänner vor der Kutsche und dem Ziel, dass alle in die gleiche Richtung ziehen.»
Blickt mit Dankbarkeit zurück
Dass dies nicht immer möglich ist, ist für Holdener klar. 150 Leute, 150 Denkweisen, Meinungen, Haltungen. Immer wieder versuchen, alle abzuholen, das sei eine ihrer wichtigsten Aufgaben als Geschäftsführerin. «Zu spüren, dass alle in die gleiche Richtung ziehen, ist ein enorm schönes Kompliment für meine Arbeit hier.» Sie blicke darum mit Dankbarkeit auf die letzten achteinhalb Jahre zurück. «Was entstanden ist, ist das Gemeinschaftswerk aller, und dies ist ein riesiges Geschenk.»
Und entstanden ist in der Zeit mit Heidi Holdener als Geschäftsführerin so einiges. Sie erinnere sich an einen «steilen Start». Die neue Homepage, vor allem aber das Entwicklungskonzept Singisenflügel forderten sie. Was damals noch eine Baustelle war, sind seit 2019 das Museum Caspar Wolf und das Singisenforum und seit 2022 der Singisensaal. «Dieser Flügel ist zu dem geworden, was man sich wünschte. Ein Ort der Begegnung.» Natürlich stehe dieses Projekt im Rückblick im Zentrum. «Aber nicht nur, gemeinsam haben wir ganz viel erreicht.» Etwa die Weihnachtsausstellung lanciert, die mittlerweile fast schon Tradition hat. «Im musealen Bereich konnten wir eine eigene und mit dem Ort verbundene Handschrift entwickeln. Auf diesem Weg ist nun auch die Musik.» Und eben die verschiedenen Ressorts einander angenähert.
Als Generalistin gefragt
Es sei ein guter Zeitpunkt, um Abschied zu nehmen, davon ist Heidi Holdener überzeugt. In vielen Ressorts herrscht Konstanz, in anderen stehen neue Leitungen vor dem Start. «Eine gute Mischung», findet sie. Murikultur habe in den letzten Jahren sein Profil geschärft, an der Einzigartigkeit gearbeitet und die Ausstrahlung erweitert. «Wie es von uns als kantonaler Leuchtturm auch gefordert wird», sagt Holdener.
Murikultur sei ihr dabei enorm ans Herz gewachsen. «Die vielen engagierten Leute um einen herum, der Arbeitsplatz im Kloster und die Tatsache, sich quasi nur mit Dingen zu beschäftigen, die anderen Leuten Freude machen – diese Aufgabe in Muri erfüllte mich sehr.» Auch weil ihre Fähigkeiten als Generalistin gefragt waren. «Diese brauchte es auch.» Von Öffentlichkeitsarbeit über Finanzen bis zu Personalwesen – alle Bereiche tangierten sie als Geschäftsführerin. Betriebswirtschaftliches Wissen, administrative, kommunikative und organisatorische Fähigkeiten, eine Affinität zu Kunst. «Hier kommt alles zusammen.» Zudem seien Fingerspitzengefühl, Empathie und Offenheit gefragt. «Offenheit, ganz viele Einflüsse zuzulassen, das Ziel dabei aber nicht aus den Augen zu verlieren.» Und es brauche einen offenen Umgang mit Menschen – vom Erzherzog aus dem Hause Habsburg über Weltklassemusiker bis hin zu Ehrenamtlichen. «Ich meine das völlig wertungsfrei. Nochmals: Es braucht alle.»
Künftig nur noch geniessen
Heidi Holdener schwärmt förmlich von den Tätigkeiten als Geschäftsführerin von Murikultur. Dass ihr der nahende Abschied deshalb nicht leichtfällt, ist naheliegend. Gleichzeitig freue sie sich darauf, zu entdecken, welche neuen beruflichen Herausforderungen auf sie warten. «Konkret ist noch nichts.» Klar ist aber, dass sie nicht alle Brücken nach Muri abzureissen plant. «Ich freue mich, die vielen Angebote künftig geniessen zu können. Ich werde ganz sicher zurückkehren, schliesslich stehen spannende Projekte in Planung.» Ganz besonders natürlich im Hinblick auf 2027, wenn das Kloster Muri das 1000-Jahr-Jubiläum feiert. «Das wird wieder einmalig und eine grosse Chance für Murikultur», sagt Holdener. Und für Muri selbst. Denn für die abtretende Geschäftsführerin ist klar: «Dass es bei Murikultur gut läuft, dass die Angebote immer noch mehr Beachtung finden – dieser Erfolg gehört auch der Bevölkerung.»
Der Stiftungsrat um Marlène Nogara, Präsidentin ad interim, wird nun die Nachfolgeplanung und Übergabe an eine neue Leitung an die Hand nehmen.