Ziviler Aufwind
31.10.2023 MuriGeeint für Windenergie
Die Grünen des Kantons tagten in Muri
Als zukunftsgerichtete Partei lassen die Grünen das Thema der vergangenen Wahlen schnell hinter sich und richten den Blick wieder nach vorne. Mit Aussicht auf die Grossratswahlen ...
Geeint für Windenergie
Die Grünen des Kantons tagten in Muri
Als zukunftsgerichtete Partei lassen die Grünen das Thema der vergangenen Wahlen schnell hinter sich und richten den Blick wieder nach vorne. Mit Aussicht auf die Grossratswahlen zeigen sie sich optimistisch und motiviert. Hier müsse der «Turnaround» geschafft, das Ruder noch herumgerissen werden, meint Daniel Hölzle, Kantonalpräsident der Grünen, an der Mitgliederversammlung im Roth-Haus in Muri. --red
Die Grünen AG sprechen sich für Windenergie aus
Am vergangenen Freitag sprach Fachreferent David Gautschi an der Mitgliederversammlung der Grünen Aargau über den geplanten Windpark Lindenberg. Die Grünen stehen einstimmig hinter dem Projekt.
Ein Windpark im Lindenberg, das beschäftigt die Region seit Längerem. Ein Vertreter des AEW, der Bauherrschaft des Windparks, präsentiert die Pläne dazu an der Mitgliederversammlung der Grünen im Holzpavillon neben dem Roth-Haus in Muri.
Aber die Grünen sind ja nicht nur für Forderung nach erneuerbaren Energien bekannt, sondern stehen auch für den Schutz der Umwelt ein. Sollte das Projekt zur Windenergie hier also Zwiespalt säen? Im Gegenteil. Von Uneinigkeit unter den Anwesenden kann keine Rede sein. Dies zeigt die anschliessende Diskussionsrunde, welche über der Frage, ob die Gemeinschaft hinter dem Projekt steht, schnell zu einem einheitlichen Ja kommt. Stattdessen entwickelt sich die Debatte in eine andere Richtung: Wenn nämlich die Mehrheit geeint hinter dem Projekt steht und die klaren Argumente für valide anerkennt, wo liegt dann das Problem in der Umsetzung?
Zum Bau bereit, aber politisch ausgehebelt
Der Windpark Lindenberg sei praktisch fertiggestellt. «Es ist alles da und wir sind nicht die Einzigen», meint Gautschi. Drei Windräder und deren Anlagen sind geplant. Der namhafte Ertrag könnte 5600 Haushalte mit Energie versorgen. Das Projekt wird verbunden mit der Notwendigkeit einer neuen Stromkabelanlage zum Unterwerk und einer Trinkwasserleitung, für welche das RAW einen beträchtlichen Anteil übernehmen will.
Das Problem seien die politischen Hürden. Landeigentümer sei der Kanton, und der ist solchen Projekten gegenüber von Grund auf misstrauisch eingestellt. Das, obwohl Landwirte ihre Flächen weiter bewirtschaften könnten und eine direkte Dividende an den Kanton gehen soll sowie eine mögliche Direktbeteiligung für die Anwohnenden vorgesehen ist.
Fledermaus- und vogelfreundlich
Dass Gautschi es ernst meint, wenn er von Transparenz und detailbedachter Planung redet, zeigt sich am Aufwand, mit dem das AEW sich dem Thema Umweltschutz widmet.
Bei Fledermausaktivitäten, die in der Gegend gemessen wurden, solle die Anlage ausgeschaltet werden. Dasselbe gelte für Vogelzüge. Gautschi rechnet der Versammlung vor, dass der einzelnen ansässigen Fledermaus durch diesen Generierungsverzicht einen Wert von 15 000 Franken zugeschrieben würde. Doch er befürwortet die Entscheidung: «Es ist richtig, zur Umwelt Sorge zu tragen.»
Man will damit aber auch auf die Bedürfnisse des Kantons eingehen. Die verschwindende Zahl von Restschäden, welche an der Natur entstehen könnten, würde langfristig gewissenhaft durch neuerrichtete Niederhecken und Nistkästen kompensiert. Die Geländeverträge hierfür sind bereits über 25 Jahre hinweg gesichert. Mit solchen Vorsorgen will das AEW die Argumente der Gegnerparteien aushebeln, welche mit einer Nulltoleranz an sie herantreten.
«Wann kommen denn nun die Windräder?»
Der Saal diskutiert angeregt über die Frage, warum einem Thema von so allgemeiner Bedeutung und Wichtigkeit so viele Steine in den Weg gelegt werden. Die FDP wolle die Nutzung jeglicher Windenergie im Aargau verunmöglichen. Ausserdem opponierten die Bürgerlichen mit einer Abwehrhaltung: Windenergie ja, aber nicht bei uns, nicht vor meinen Augen, nicht in meinem Dorf.
Durch detaillierte Gutachten, die der Kanton verlangte, sei über ein Jahr Planungsverzögerung entstanden. Gautschi versteht die Vorsichtsmassnahmen und spricht sich persönlich gegen das zu schnelle Durchlassen von Projekten aus. Das AEW sieht sich aber auch mit einer Ablehnung konfrontiert, welche anderen Energieformen nicht so genau auf die Finger sieht. In Gautschis Umfeld sei es bereits ein Running Gag geworden, ihn darauf anzusprechen, wann die «Windrädli» denn nun endlich stehen würden. Die einst für 2020 geplante Abstimmung ist nach momentanem Stand auf 2024 verschoben.
Die schweigende Mehrheit
«Wir wissen heute nicht, ob das Projekt kommt oder nicht. Die wenigsten, die dafür sind, stehen auf.» Gautschi erzählt, die Rückmeldungen seien durchwegs positiv, bis auf ein, zwei Gegner, welche Angst hätten, ihre Immobilie werde abgewertet. Dieser persönliche Antrieb der Gegner und Gegnerinnen fehle den Befürwortenden. So schweige die Mehrheit und man höre nur Negativstimmen, welche sich auf Annahmen stützten, die durch Gutachten längst ausgehebelt seien. Durch dieses Phänomen entsteht ein falsches Bild von der Durchschnittsmeinung. Aus dem Publikum meldet sich der Kantonsrat von Luzern zu Wort: «Zivilcourage brauchts. Denn die Gegner sind wenige, aber sie mobilisieren. Und wie!»
Das sei eine nicht zu unterschätzende Gefahr. Trotzdem dürfe und wolle man die Zuversicht nicht verlieren, die man in die Windräder als zukunftsträchtig Energiequelle setzt. Gautschi wendet sich an die Gemeinschaft mit der Bitte um Mithilfe, effizientere Verfahren zu fördern. Einen Abschluss findet die hitzige Diskussion mit dem Vorschlag des Vereinspräsidiums. Die Grünen hätten ihren Auftrag verstanden: An der nächsten Versammlung soll eine Resolution verfasst werden. In einem Beschluss wollen die Grünen Aargau festhalten: Sie stehen geeint hinter dem Windpark. --gsp
Jetzt erst recht
Geeinte Stimmung an der Mitgliederversammlung der Grünen Aargau im Roth-Haus in Muri
Keine Woche ist vergangen seit den Ergebnissen der Eidgenössischen Wahlen, die den Rechtsrutsch in der Schweizer Bevölkerung abbildeten. Dementsprechend geknickt beginnt der Vortrag des Parteipräsidenten der Grünen Aargau: «Das zweitbeste – im Aargau sogar das drittbeste – Resultat der Nationalratswahlen reicht nicht. Diese Temperaturen müssen uns nachdenklich machen», damit referiert Daniel Hölzle weniger auf den kühlen Herbstabend als auf den heissesten Sommer, der seit Beginn der Aufzeichnungen hinter uns liegt. Die Partei müsse aber darüber hinaus zeigen, dass sie durchaus auch in anderen Themen unterwegs ist und ihr Wortschatz über Klimakrise hinausgeht. «Wir haben Lösungen, wir bringen Verbesserungsvorschläge», so Hölzle.
«Uns braucht es mehr denn je»
«Wir wollen niemandem etwas wegnehmen, sondern den kommenden Generationen etwas erhalten.» Daniel Hölzle spricht von einer rechtspopulistischen Desinformationswelle in Europa. Man müsse den Menschen zeigen, dass sie gegen ihre eigenen Interessen stimmen. «Sich mit den Dingen auseinandersetzen und diskutieren, das zeichnet uns Grüne aus.»
Als zukunftsgerichtete Partei lassen die Grünen das Thema der vergangenen Wahlen schnell hinter sich und richten den Blick auf den bevorstehenden November. Mit Aussicht auf die Grossratswahlen zeigen sie sich optimistisch und motiviert. Hier müsse der «turn around» geschafft, das Ruder noch herumgerissen werden, meint Hölzle. Da im ersten Wahlgang nur eine Person das absolute Mehr erreichte, findet am 19. November der zweite Wahlgang für den noch zu besetzenden Ständeratssitz im Aargau statt.
Nationalrätin Irène Kälin meldet sich mit einer Videobotschaft zu Wort und bedankt sich für das Vertrauen der Partei in sie als Ständeratskandidatin. Nichtsdestotrotz: Eine grüne Kraft brauche es mehr denn je. Sie spricht sich für die Mitte-Kandidatin Marianne Binder im zweiten Wahlgang aus. Binder sei «bei Weitem keine grüne Kandidatin», aber eine aktive Verbündete im Kampf gegen das Worst-Case-Szenario einer FDP-SVP-Verbindung. Auch eine Stimme aus dem Publikum meldet sich zum Bedürfnis nach einer ausgewogenen Vertretung im Ständerat. Es sei wichtig, nicht nur heute die Hände zu heben, sondern im zweiten Wahlgang nochmals das Umfeld zu mobilisieren.
Doch nicht nur Herausforderungen und Enttäuschungen hat das Jahr 2023 zu bieten. Die Grünen Aargau zählen so viele Mitglieder wie nie zuvor. So zeigen sie sich zuversichtlich. Irène Kälin weiss: «Es lohnt sich. Wir haben nur einen Planeten.» --gsp