Dorf im Grubenhaus-Fieber
16.05.2025 Region Oberfreiamt, BoswilDie Ausgrabungen der Kantonsarchäologie in Boswil sind abgeschlossen
Zwölf Grubenhäuser, zwei Skelette aus dem 8. Jahrhundert. Feuergruben aus der Zeit um 1000 vor Christus. Was die Kantonsarchäologie zwischen Bachstrasse und Kirchweg in Boswil alles ...
Die Ausgrabungen der Kantonsarchäologie in Boswil sind abgeschlossen
Zwölf Grubenhäuser, zwei Skelette aus dem 8. Jahrhundert. Feuergruben aus der Zeit um 1000 vor Christus. Was die Kantonsarchäologie zwischen Bachstrasse und Kirchweg in Boswil alles gefunden hat, ist erstaunlich. «Gerade diese Dichte an Grubenhäusern fanden wir im Aargau noch nie», sagt Christian Maise von der Kantonsarchäologie.
Annemarie Keusch
Dieses Bild hat im Dorf schnell die Runde gemacht. Zwei Skelette. Später wird klar, dass sie aus dem 8. Jahrhundert sind. Friedhofszwang gab es damals noch nicht. Stattdessen wurden die Toten manchmal neben den Häusern bestattet. «Hofgrablegen» nennen es die Archäologen. «Dennoch, einen solchen Fund hatten wir nicht erwartet», sagt Christian Maise von der Kantonsarchäologie. Weil Gräber damals oft ausserhalb der Wohngebiete angelegt wurden, nicht selten auf Anhöhen. Natürlich löste dieser Fund im Dorf einiges aus. Aber nicht nur die Skelette faszinierten, allgemein stiessen die Ausgrabungen im Dorf auf reges Interesse. Schulklassen kamen vorbei, Privatpersonen. «Dieses Interesse zu spüren, das ist nicht alltäglich und macht natürlich Spass», sagt Christian Maise. Eine Überbauung ist zwischen Kirchweg und Bachstrasse geplant. Weil diese relativ nah am Weissenbach ist, einem Schwemmgewässer, begleitete die Kantonsarchäologie die Aushubarbeiten. So weit, so gängig. «Erwartungen hat man bei solchen Begleitungen nie.» Christian Maise spricht von einer Wundertüte, davon, dass weder Fundstücke noch Arbeitsaufwand berechenbar seien. «Es hätte genauso gut sein können, dass mögliche Siedlungsreste auf der anderen Seite des Bachs zu finden wären», erklärt er. Aber auch ohne richtige Erwartungen sagt Maise: «Das Gefundene hat diese deutlich übertroffen.» Dass die Mitarbeitenden der Kantonsarchäologie auf Grubenhäuser stossen, ist nicht wirklich selten. Kleine rund 40 bis 60 Zentimeter eingetiefte Gebäude, die einst zum Weben oder als Vorratskeller dienten. Diese Grubenhäuser seien typisch für das Mittelalter, vom 7. bis ins 12. Jahrhundert. Jene in Boswil seien aus dem 9. und 10. Jahrhundert – just der Zeit also, in der Boswil zum ersten Mal urkundlich erwähnt wurde. Auf einer Liste der Besitzungen des Grossmünsters in Zürich wird um 880 ein Hof in Boswil erwähnt, von dem aus bedeutende Ländereien in der Region verwaltet wurden. Was die Kantonsarchäologie aber erstaunt, ist die Dichte an Grubenhäusern, die auf den rund 1400 Quadratmetern gefunden wurden: zwölf an der Zahl. «Das gab es im Kanton Aargau bisher noch nie.»
Unterbau eines Scheiterhaufens
Ohrringe, Reitersporn, Hufeisen, Töpfe – ganz vieles haben die Mitarbeitenden der Kantonsarchäologie in den letzten zwei Monaten aus dem Boden geholt. Auch bronzezeitliche Feuergruben. Rechteckige Gruben, die gefüllt sind mit verbrannten Steinen, die Wände rot gebrannt. Christian Maise weiss: «Ihre Funktion ist umstritten.» Es könnten Koch- und Werkgruben gewesen sein. Wahrscheinlicher sei aber eine Funktion als Unterbau für einen Scheiterhaufen, auf dem ein Toter verbrannt wurde. Um 1000 vor Christus seien diese sechs bronzezeitlichen Feuergruben erstellt worden.
Damals eine Katastrophe
Die bronzezeitlichen und frühmittelalterlichen Strukturen seien durch eine eineinhalb Meter dicke Schicht aus Lehm, Sand und Kies geschützt gewesen. Für Maise auch ein Indiz dafür, wie stark zwischen 1000 und 1500 der Aargau entwaldet worden sei. «Und wie stark der Mensch damals seine Umwelt zerstörte.» Überschwemmungen und Murgänge waren die Folge. Damals eine Katastrophe, aber wenigstens für die Archäologie und Geschichte von Vorteil. Denn nur dank den 150 Zentimetern Schwemmschicht blieb das erhalten, was die Kantonsarchäologie nun ausgraben konnte.
Christian Maise betont, dass das ganze Projekt in enger Zusammenarbeit mit Bauherrschaft und Bauunternehmen erfolgt sei.