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28.10.2025 Region Unterfreiamt, VillmergenDie SRG lud in Villmergen zum Austausch über den Zusammenhalt ein
Die SRG sucht den Kontakt mit der Bevölkerung. Und stellt sich den Fragen und der Kritik des Publikums. In Villmergen gab es für das Fernsehen vor allem Lob. Die eine oder andere Anregung. ...
Die SRG lud in Villmergen zum Austausch über den Zusammenhalt ein
Die SRG sucht den Kontakt mit der Bevölkerung. Und stellt sich den Fragen und der Kritik des Publikums. In Villmergen gab es für das Fernsehen vor allem Lob. Die eine oder andere Anregung. Und viele spannende Infos aus dem Redaktionsalltag.
Chregi Hansen
Trägt das Schweizer Fernsehen zur Spaltung der Gesellschaft bei? In einer kürzlich durchgeführten Umfrage antwortete eine Mehrheit der Befragten mit Ja. Dieses Resultat erstaunt Arthur Honegger, Moderator bei «10 vor 10» nur bedingt. «Niemand hört gern eine Meinung, die seiner eigenen widerspricht. Fast nach jedem Beitrag gibt es darum Beschwerden, dass wir einseitig berichten», erklärt er bei seinem Auftritt in Villmergen.
In den Redaktionen des Fernsehens und des Radios sei man sich des Problems bewusst. Und diskutiert intern intensiv, über welche Themen man berichtet, welche Personen man kontaktiert und welche Bilder man zeigt. Und: Man wolle nicht nur News verbreiten, sondern auch Hintergründe erklären. Man wolle zudem möglichst neutral berichten und alle Seiten zu Wort kommen lassen. «Gleichzeitig haben wir die Verantwortung, dass wie keine Fake News verbreiten», macht Henriette Engbersen deutlich.
In 20 Orten haltgemacht
Sie war früher als Korrespondentin für das Fernsehen im Einsatz, heute ist sie bei der SRG Bereichsleiterin von «Public Value». In dieser Funktion ist sie Gastgeberin der Eventserie «Zusammenhalt», welche in 20 Orten in der Schweiz Mitarbeitende von SRF und das Publikum zusammenbrachte. So etwa in Villmergen im Wirtshaus zur Brauerei. Hier stellte sich Arthur Honegger allein den Fragen und der Kritik der Anwesenden, weil «Echo der Zeit»-Moderatorin Christina Scheidegger erkrankt ist. «Wir wollen hier erklären, wie wir arbeiten. Aber vor allem auch zuhören und verstehen», erklärt Engbersen zu Beginn. Und tatsächlich hatten die Anwesenden in der «Braui» einiges zu sagen. Und auch zu kritisieren.
Ist das Fernsehen auf dem linken Auge blind?
So etwa die Berichterstattung zu den Krawallen in Bern. «Das Fernsehen hat die Vertreter der linken Parteien geschont. Man hätte sie viel mehr konfrontieren müssen», so der Vorwurf. Ein anderer Teilnehmer stellt fest, dass Fernsehen zum Teil mit suggestiven Bildern arbeitet. «Da wird bei einer friedlichen Demo genau die Szene gezeigt, wo ein paar wenige an den Gittern rütteln», so sein Beispiel. Auch die Berichterstattung in der Covid-Zeit wird kritisiert. «Sie hat dazu geführt, dass unsere Familie komplett gespalten ist», sagt einer der Gäste. «Das hat vermutlich weniger mit den Berichten zu tun als mit der persönlichen Einstellung zu diesem Thema», verteidigt sich Honegger.
Das Fernsehen sei auf dem linken Auge blind, so lautet ein weiterer Vorwurf. Dem widerspricht der Vertreter des Fernsehens. «Wir diskutieren viel in den Redaktionen über Themen und Begrifflichkeiten, es ist ein ständiges Ringen», erklärt Honegger. Und er macht ein Beispiel. Eine Partei wie die AFD werde schnell als rechtsextrem bezeichnet. Wenn diese Partei aber zur stärksten Kraft werde, könne man sie eigentlich nicht mehr als extrem bezeichnen, dann brauche es andere Ausdrücke. Und Beschwerden gebe es fast nach allen Beiträgen. Diese nehme man sich durchaus zu Herzen. «Aber die Beschwerden, die auch von der Ombudsstelle gutgeheissen werden, machen einen kleinen Prozentsatz aus», betont Honegger.
Das «Sie» hilft, um Distanz zu bewahren
Es geht an diesem Abend aber nicht nur um die grossen politischen Fragen, sondern auch um Kleinigkeiten. So wünscht sich ein Teil der Anwesenden mehr «Good News» in den Nachrichten. Ein anderer stört sich, dass in den Dialogen immer gesiezt werde, das wirke künstlich. «Mir ist das ‹Sie› in den Nachrichtensendungen wichtig», entgegnet Honegger. Dies, um eine gewisse Distanz zu bewahren. «Aber im Sport oder im Gespräch mit Journalisten-Kollegen finde ich es auch nicht nötig. Aber aktuell gilt diese Regel», fügt er an. Eine Besucherin stört sich an den vielen «Heile Welt»-Beiträgen am Freitagabend. «Das gefällt sicher nicht allen, aber die Einschaltquoten sprechen eine andere Sprache. Die Sendungen sind beliebt», so die beiden Vertreter des Fernsehens.
Unterhaltung ist ein Teil des Auftrags
Apropos Unterhaltung – die solle man doch den Privaten überlassen und sich auf andere Bereiche konzentrieren, so ein Feedback des Abends. «Das kann man diskutieren», entgegnet Engbersen, «aber aktuell gehört die Unterhaltung zu unserem Grundauftrag.» Und sie warnt. Wenn SFR sich nur noch auf Nachrichten konzentriert, werde man einen Teil des Publikums verlieren. «Wenn jeder nur noch das konsumiert, was er gut findet, dann gefährdet das die Meinungsbildung. Es ist gerade die Stärke des Schweizer Fernsehens, dass es alle Meinungen abbildet.»
Meinungsvielfalt gewähren
Das bestätigt auch Arthur Honegger, der lange Jahre als Korrespondent in den USA gelebt hat. «Einer Sendung wie der Arena muss man Soge tragen. So etwas gibt es in den USA nicht. Da gehen rechte Politiker nur zu rechten Sendern und linke nur zu linken», hat er erlebt. Das schwäche aber den Zusammenhalt eines Landes. Ähnliches erlebe er in den Sozialen Medien, auch hier suchen viele einfach nach der Bestätigung der eigenen Meinung, statt sich auch mit anderen Sichtweisen auseinanderzusetzen. Auch darum sei es wichtig, dass sich SRF mit ganz verschiedenen Formaten und auf diversen Plattformen an sein Publikum wende. Um möglichst viele Menschen zu erreichen. Und um die Meinungsvielfalt zu gewähren. Denn dies sei eine grosse Stärke des Landes. Sogar über die Sprachgrenzen hinweg.


