«Biotop-Bäume» für Artenvielfalt
01.12.2023 Region Bremgarten, Region Wohlen, Region Unterfreiamt, Region OberfreiamtThema «Schenken»: Mit einer Baumpartnerschaft kann man der Natur etwas zurückgeben
Für die Forstwirtschaft sind sie kaum noch interessant, für die Artenvielfalt umso mehr. Mit einer Baumpartnerschaft kann man alten Gehölzen, die vielen ...
Thema «Schenken»: Mit einer Baumpartnerschaft kann man der Natur etwas zurückgeben
Für die Forstwirtschaft sind sie kaum noch interessant, für die Artenvielfalt umso mehr. Mit einer Baumpartnerschaft kann man alten Gehölzen, die vielen Lebewesen als Nahrungsgrundlage oder Lebensraum dienen, den «Lebensabend» finanzieren.
Thomas Stöckli
Sie heissen «Hüterin des Bergwalds», «Idyllischer Grenzpatron» oder «Verankerter Erlen-Wächter» und sind Biotop-Bäume im Tann-, Höll- oder Stöckwald bei Auw. «Einen guten Namen zu finden, das lohnt sich», weiss Förster Linus Staubli aus Erfahrung. Denn sein Projekt ist es, für die ökologisch wertvollen Bäume einen Partner zu finden. Das heisst jemanden, dem es etwas wert ist, dass besondere Bäume über ihre wirtschaftliche Nutzfrist hinaus im Wald bleiben dürfen. Bäume, die anderen Lebewesen als Lebensraum dienen, aber auch Bäume, die mit ihrem markanten Anblick an exponierter Lage das Auge der Ausflügler erfreuen.
Wer eine Baumpartnerschaft verschenken will, darf den Baum aus einer Reihe von ökologisch wertvollen «Kandidaten» auswählen. Der Wert berechnet sich nach Ästhetik, Ökologie und gespeichertem CO2. So war etwa die «Knie-Eiche» für 1390 Franken zu haben. Kommt es zum «Kauf», wird der Baum für zehn Jahre aus dem Nutzungskreislauf ausgeschieden. Für den Baumpartner gibt es eine Urkunde und eine kurze Besichtigung bei der Übergabe, auf Wunsch auch mit Waldführung und Apéro.
Wirtschaftlicher Schaden kann zu ökologischem Gewinn führen
Die Idee zur Baumpartnerschaft hatte Linus Staubli in der Försterschule: «Damals mussten wir Projekte skizzieren für alternative Wirtschaftszweige im Forstbetrieb», blickt er zurück. Als er dann sein Förstermandat in Auw antrat, durfte er sein Projekt umsetzen. In einer ersten Phase wurden vor drei Jahren 20 Bäume ausgeschieden. 17 von ihnen haben in der Zwischenzeit eine Partnerin oder einen Partner gefunden. Nun geht es darum, für eine zweite Phase neue Biotop-Bäume zu bestimmen, die erhaltenswert sind. «Das Ökosystem Wald funktioniert besser, wenn Bäume über ihr wirtschaftliches Optimum hinaus erhalten bleiben», rechtfertigt Staubli den Einsatz.
Was macht denn einen Baum zum Biotop-Baum? «Das sind verschiedene Kriterien», sagt Staubli. Als Beispiel nennt er ein Loch, das der Specht gemacht hat und das später von Pilzen und durch Witterungseinflüsse zur Baumhöhle erweitert wurde. «Das dauert sicher zehn Jahre», so Staubli. Weiter können auch Stammverletzungen, Totholz in der Krone, Wucherungen und Pilze oder Efeu die Artenvielfalt fördern. Letzteres sei vor allem durch seine späte Blüte spannend für nektarsuchende Insekten. Stark vereinfacht kann man sagen, dass es oft ein wirtschaftlicher Schaden an einem Einzelbaum ist, der diesen zum ökologischen Gewinn macht.
Lokal Nachhaltiges bewirken
Die Baumpartnerschaft läuft über zehn Jahre. Wenn der Baum vorher umfällt, ist garantiert, dass er unweit seines Standorts liegen bleiben darf. «Wir haben bewusst gesagt, dass wir in diesem Fall keinen Ersatzbaum vergeben, denn auch liegend erfüllt der Baum noch eine wichtige Funktion», erklärt der Förster. Und wenn jemand nach zehn Jahren seine Partnerschaft verlängern wolle, sei das ebenfalls willkommen.
Wer interessiert sich denn überhaupt für eine Baumpartnerschaft? «Das sind sicher umweltbewusste Menschen», nennt Linus Staubli einen gemeinsamen Nenner, «Menschen, die lokal etwas Nachhaltiges bewirken wollen», fügt er an. Nebst Einzelpersonen haben auch Firmen und Stiftungen das Modell für sich entdeckt, etwa als Dienstaltersgeschenk für Mitarbeitende, als überraschendes Weihnachtsgeschenk für Kunden und Geschäftspartner. Oder auch als besonderes Geschenk für Private. Wer seinen oder ihren Baum besuchen will, darf das jederzeit tun. «Der Wald ist öffentlich zugänglich.»
Hauptziel der Baumpartnerschaft ist es, die Artenvielfalt im Wald zu fördern. Aktuell hört man etwa den Schwarzspecht häufig in der Region und auch das Eichhörnchen fühlt sich hier wohl, dazu der Habicht und verschiedene Fledermausarten. Einen Siebenschläfer habe er zwar noch nicht gesehen, «aber ich bin sicher, dass wir die hier haben». Besonders freuen würde er sich über den Hirschkäfer, einen der grössten und auffälligsten Käfer Europas. Dieser lebt die ersten drei bis acht Jahre unter der Erde, ehe er sich ans Tageslicht wagt. Auffällig ist beim Männchen das braunrot schimmernde «Geweih», das eigentlich ein massiv vergrösserter Oberkiefer ist.