Brauchte dringend Veränderungen
04.11.2025 Kunst, Boswil, Region OberfreiamtSo ging es nicht weiter
Viele Veränderungen am Künstlerhaus Boswil
Der Geschäftsführer ist weg, die Finanzen in Schieflage. Dabei sehnt sich das Künstlerhaus Boswil seit Jahren nach ruhigen, konstanten Verhältnissen. Seit ...
So ging es nicht weiter
Viele Veränderungen am Künstlerhaus Boswil
Der Geschäftsführer ist weg, die Finanzen in Schieflage. Dabei sehnt sich das Künstlerhaus Boswil seit Jahren nach ruhigen, konstanten Verhältnissen. Seit wenigen Wochen hat Nina Fleischle die Geschäftsführung ad interim inne, ab Januar übernimmt sie ganz. Die beiden Co-Stiftungsratspräsidentinnen Irene Näf und Christine Hehli erklären, warum die Trennung von Claudio Rossetti unumgänglich war und wie sie das Künstlerhaus wieder auf Kurs bringen wollen. Klar ist: «Es braucht Veränderungen.» --ake
Am Künstlerhaus Boswil steht einiges im Umbruch – die Co-Stiftungsratspräsidentinnen berichten
Claudio Rossetti ist nicht mehr Geschäftsführer. Obwohl er gerne noch ein Jahr geblieben wäre. «Unterschiedliche Ansichten» lautet der offizielle Grund. Zentral geht es um die schwierige finanzielle Situation, vor allem im letzten Jahr. Nun wollen die Co-Stiftungsratspräsidentinnen Christine Hehli und Irene Näf den Blick nach vorne richten.
Annemarie Keusch
Zur Ruhe kommen. Dieses Ziel formulieren die Verantwortlichen des Künstlerhauses Boswil immer wieder. Geklappt hat es in den letzten Jahren kaum. Personelle Veränderungen verunmöglichten es. Auch aktuell wird das Künstlerhaus ad interim geleitet. «Im Januar übernimmt Nina Fleischle offiziell die Geschäftsleitung. Damit ist die stabile Leitung nachhaltig gesichert», sagt Irene Näf. Zusammen mit Christine Hehli bildet sie das Co-Präsidium des Stiftungsrates. Sie fällten zusammen mit ihren Kollegen im Stiftungsrat vor wenigen Monaten also auch den Entscheid, dass sich das Künstlerhaus vom bisherigen Geschäftsführer Claudio Rossetti trennt. Näf sagt: «Es gab schon im Januar in Gegenwart von Claudio Rossetti eine Strategie-Klausur, anlässlich derer verschiedene Trennungsszenarien besprochen wurden.» Aufgrund des Verlustes im Jahresabschluss 2024 sei klar geworden, dass diese Trennung schnellstmöglich vollzogen werden muss. Per Ende November erfolgt sie offiziell – abzüglich Überzeit und Ferien ist Rossetti bereits nicht mehr am Künstlerhaus tätig.
Was ist passiert? «Im Zentrum stehen die Finanzen», sagt Christine Hehli. Wie aus dem öffentlich publizierten Jahresbericht ersichtlich ist, stand unter dem Strich ein Minus von rund 400 000 Franken, deutlich mehr als noch Anfang 2025 prognostiziert. «Als Geschäftsführer trägt Claudio Rossetti die Gesamtverantwortung. Dass nach einem solchen Resultat eine Trennung folgt, ist nichts weiter als logisch», sagt Christine Hehli.
Erste Veränderungen umgesetzt
Basierend auf einer externen Analyse der Finanzen wurde die Aufarbeitung vorgenommen. Nina Fleischle hat die Finanzbuchhaltung seit ihrem Stellenantritt neu aufgestellt. Der Blick gilt nun der Zukunft. Dem, wo sie etwas verändern können. «Das müssen wir auch», sind sie sich einig. Abgesehen von den Verträgen, die im künstlerischen Bereich weit im Voraus abgeschlossen werden, gilt schon für das laufende Jahr ein striktes Kostenmanagement. Erste Veränderungen gab es bereits. «Boswil aktuell» wird primär digital versandt statt gedruckt. Das Marketing wird nicht mehr via Agentur geregelt. «Wir können das mit einer schlankeren, internen Lösung nach unserem Verständnis mindestens gleich gut», sagt Christine Hehli. Irene Näf spricht von einem Übergangsjahr. Ein Übergang in – vor allem finanziell – bessere Zeiten.
Auf 2027 hin soll sich im Künstlerhaus einiges verändern. Auch in der Organisation. Dass mit Nina Fleischle eine Finanzexpertin die Geschäftsführung übernimmt, sehen sie als Vorteil. Mit ihr ist bereits zum jetzigen Zeitpunkt das Organigramm neu entworfen worden – mit künstlerischer Leitung und Leitung Betrieb, die beide Einsitz in der Geschäftsleitung nehmen. «Das Künstlerhaus übernimmt ganz unterschiedliche Aufgaben: Kurse, Konzerte, Nachwuchsförderung, Gastronomie, Hotellerie, Raumvermietung. Da ist es nur logisch, dass wir den künstlerischen Bereich vom betrieblichen trennen wollen, auch personell», findet Irene Näf.
Neue Geldgeber finden
Im personellen Bereich gab und gibt es weitere Veränderungen. Es werden künftig weniger Leute beim Künstlerhaus angestellt sein, dafür hochprozentiger und mit klarem Pflichtenheft. «Ja, das sind unpopuläre Entscheide, aber wir sind es uns aus unserem Berufsalltag und anderen Gremien gewohnt, solche zu fällen, wenn es notwendig ist. Und das ist es hier. Wir sind aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen, effizienter zu werden», sagt Christine Hehli. Nichts tun wäre für die Institution schnell existenziell geworden. Die beiden Co-Stiftungsratspräsidentinnen sind froh, dabei den Stiftungsrat hinter sich zu wissen. «Wir ziehen am selben Strick», betont Irene Näf.
Die Finanzen auf gesunde Bahnen bringen, es ist die wichtigste Aufgabe. Dabei gehe es nicht darum, grosse Gewinne zu schreiben. «Aber wir müssen die Verluste wieder ausgleichen», sagt Christine Hehli. Fundraising sei ein grosses Thema. Ein professioneller Auftritt ist dafür sehr wichtig. Und ein gutes Marketing. Das Künstlerhaus setzt vermehrt auch auf die sozialen Medien – und auf Werbung, die auf verschiedene Zielgruppen angepasst ist. «Das läuft bisher ganz gut», sagt Irene Näf.
Konzertangebot straffen
Weil eine noch besser gefüllte Alte Kirche bei Konzerten auch zu einer besseren finanziellen Situation beitragen würde. «Auch da gibt es Veränderungen», sagt Irene Näf und spricht die Tatsache an, dass es künftig leicht weniger Konzerte geben wird. «Ähnliche Konzerte während eines Jahres werden zu einem zusammengefasst.» Der Boswiler Sommer, die Meisterkonzerte, die Kinderkonzerte – alle Bereiche werden etwas gestrafft. Wo man aber ganz sicher keine Einsparungen machen wird, ist bei der Qualität. «Dafür sind wir, dafür ist dieser Ort bekannt. Und schliesslich haben wir als kantonaler Leuchtturm auch einen Auftrag zu erfüllen.»
An eine Zukunft des Künstlerhauses glauben beide uneingeschränkt. «Sonst würden wir uns nicht derart stark dafür einsetzen.» Die Einzigartigkeit des Ortes, des Ensembles – das sei der grosse Trumpf des Künstlerhauses Boswil. «Dazu sollen und wollen wir Sorge tragen.» Entsprechend blicken die Stiftungsratspräsidentinnen «verhalten optimistisch» in die Zukunft. «Auf dass der Weg positiv verläuft und wir irgendwann Freiraum schaffen können für neue Ideen und Projekte.» Denn nur Bestehendes verwalten, das reiche auf lange Sicht wohl nicht. Konkrete Themen gibts mehrere. «Etwa die Frage, wie wir jüngere Leute an unsere Konzerte bringen.» Dieses Themas nehme man sich intensiver an, wenn das Künstlerhaus wieder in ruhigeren Gewässern sei.


