Die effizienteren Bestäuber
26.07.2024 Region Oberfreiamt, BenzenschwilVielfalt im Garten
Wildbienen finden in Benzenschwil ein Zuhause
Die allseits bekannte Honigbiene ist nur eine von rund 600 Bienenarten, die in der Schweiz vorkommen. Allein 60 Arten hat Detlef Conradin im Raum Benzenschwil erkannt und fotografisch ...
Vielfalt im Garten
Wildbienen finden in Benzenschwil ein Zuhause
Die allseits bekannte Honigbiene ist nur eine von rund 600 Bienenarten, die in der Schweiz vorkommen. Allein 60 Arten hat Detlef Conradin im Raum Benzenschwil erkannt und fotografisch festgehalten. In seinem Garten stellt er ihnen einerseits Nektar- und Pollenquellen zur Verfügung, andererseits Nistplätze in Form von Totholz, Sand- und Erdflächen. Denn die grosse Mehrheit der hiesigen Wildbienen nistet im Boden. Was er im Garten und im Dorf erblickt, teilt der Benzenschwiler auf seiner Website. --tst
In seinem Garten in Benzenschwil heisst Detlef Conradin Wildbienen willkommen
Zahlreiche Blüten erfreuen das Auge, im üppigen Garten am Rand von Benzenschwil. Ein gefundenes Fressen für über 60 verschiedene Arten von Wildbienen. Für die interessierte Öffentlichkeit werden sie online akribisch dokumentiert.
Thomas Stöckli
Es herrscht kein Flugwetter, wie so oft in diesem feuchten Sommer. Entsprechend braucht es Vorstellungskraft, wie es surren und wimmeln könnte, im blütenreichen, üppigen Garten am Rand von Benzenschwil. Der Giersch, der hier gedeiht, ist bei diversen Bienen und anderen Insekten sehr beliebt. Weiter locken Hexenkraut, Glockenblume und Blutweiderich. «Man sollte etwas weniger jäten», nennt Gastgeber Detlef Conradin denn auch als wichtigsten Tipp für einen bienenfreundlichen Garten, wie er und seine Frau Katharina ihn hier unterhalten. Doch auch was für unser Auge gedacht ist, wird von den Nektarsammlern dankend angenommen, so tragen die Rose und die Sonnenblume zur Nahrungsvielfalt bei.
Die Vielfalt macht es aus
Wenn von Bestäubern die Rede ist, denken viele an die Honigbienen. Dabei decken Wildbestäuber in landwirtschaftlichen Kulturen bis zu zwei Drittel der gesamten Bestäubungsleistung ab. Die Mauerbiene etwa ist um ein Vielfaches effizienter im Bestäuben von Obst als die Honigbiene.
Selbst wenn die Honigbiene häufig ist, können Wildbienen durch ihre Vielfalt den Fruchtansatz erhöhen: Mehrere Studien belegen, dass der Anteil erfolgreich bestäubter Blüten einer Pflanzenart höher ist, je mehr verschiedene Bienenarten die Blüten besuchen, von der drei Zentimeter langen Holzbiene über die robuste Hummel – ja, auch sie ist eine Wildbiene – bis zur vier Millimeter kurzen Schmalbiene. So fliegen gewisse Wildbienen selbst bei mässigem Wetter, andere bestäuben Blüten, die von der Honigbiene nicht besucht werden.
Gartenbesitzer Detlef Conradin ist der Naturschutz schon seit Jahrzehnten ein Anliegen. Auf die Wildbienen sei er allerdings eher spät gekommen, verrät er und präzisiert: «Vor vier, fünf Jahren.» Zufällig sei ihm die gehörnte Mauerbiene mit ihrem auffallend rostroten Hinterleib aufgefallen. «Da habe ich angefangen, genauer hinzuschauen.»
Frisch pensioniert, stürzte sich der Alt-Gemeindeammann mit vollem Elan in sein persönliches Forschungsprojekt. Über 60 verschiedene Arten konnte er bisher allein im eigenen Garten unterscheiden. Schwieriger ist es, die genaue Art zu bestimmen. «Zum Teil müsste man sie sezieren, um die entscheidenden Unterschiede feststellen zu können», führt er aus. Ein Vorgehen, das für den Benzenschwiler allerdings nicht infrage kommt. Stattdessen baut er auf persönliche Weiterbildung durch Fachliteratur und Kurse sowie im Zweifelsfall auf die kostenpflichtige Expertise von Biologe und Wildbienenexperte Dr. Andreas Müller. Seine Beobachtungen hält Conradin fotografisch fest und teilt sie, unterstützt durch Sohn Flurin, auf seiner Website mit der Öffentlichkeit.
Mehrheitlich im Boden
Im Gegensatz zur Wespe ernährt sich die Biene rein vegetarisch. Die zuckerhaltigen Säfte des Nektars und Honigtaus liefern ihnen Kohlenhydrate und aus dem Pollen gewinnen sie Eiweisse, Fett- und Mineralstoffe sowie Vitamine. Von den Honigbienen unterscheiden sich die Wildbienen in ihrer Lebensweise. So bilden sie keine Staaten mit Zehntausenden Tieren, in denen die Aufgaben klar verteilt sind, sondern schlagen sich allein oder in Kleinvölkern von einigen dutzend bis hundert Tieren durch.
Mehrheitlich nisten Wildbienen im Boden. Dem wird auch Detlef Conradin gerecht. In seinem Garten und über der Garage hält er kleine Erdflächen bewusst unbewachsen und stellt Kisten sowie Pflanzentöpfe voller Sand zur Verfügung. Daneben werden Bohrlöcher in Totholz gerne angenommen, zum Ausruhen – dann zeigt sich der Hinterleib der Biene in der Höhle – oder zum Brüten. Dabei lässt sich die Art bestimmen, je nachdem, ob die Öffnung mit einem Kieselstein oder mit Harz versiegelt wurde. «Es gibt sehr unkomplizierte, aber auch äusserst anspruchsvolle Arten», weiss Conradin. Die Rostrote Mauerbiene brütet auch mal in einem Türspalt.
Parasitäre Kuckucksbrut
Besonders angetan hat es dem Naturfreund die Schmuckbiene. Eine solche hat er in Benzenschwil zwar noch nicht entdeckt – «ich weiss gar nicht, ob die hier überhaupt vorkommt», sagt er –, aber in seinen Ferien in Graubünden. Wie die hiesige Blutbiene und rund ein Drittel aller Bienenarten pflegt sie einen parasitären Lebensstil: Als «Kuckucksbienen» dringen sie in das Nest anderer Bienen ein und legen ihr eigenes Ei zu den dortigen Brutvorräten. Die Larve der Kuckucksbiene schlüpft schneller als jene des Wirts, ernährt sich von den Vorräten und gelangt so zur Entwicklung, während die Wirtslarve abstirbt.
Was Conradin in seiner Naturbeobachtung aufgefallen ist: Von Jahr zu Jahr unterscheidet sich das Vorkommen einzelner Bienenarten stark. Vor drei Jahren seien die Schenkelbienen häufig gewesen, darauf dann die Rostroten Mauerbienen und im letzten Jahr die Hahnenfuss-Scherenbienen. «Dieses Jahr konnte ich noch keinen Trend feststellen», sagt der Benzenschwiler. «Regenwetter haben sie halt nicht besonders gern.» Mittlerweile hat der Himmel ein Einsehen und zum Abschluss des Rundgangs zeigt sich auf dem reich bepflanzten Garagendach dann doch noch eine Hummel an einer Blutweiderich-Blüte. So soll es sein.
Weitere Informationen finden sich unter https://wildbienen.conradin.ch.