Ein Leben für die Bühne
17.04.2025 Region Unterfreiamt, VillmergenNiklaus Meyer wirkte über 50 Jahre im Vorstand der Theatergesellschaft Villmergen mit
Theater gespielt hat er schon im Kindergarten. Die Faszination für die Bühne hat ihn nie mehr losgelassen. Niklaus Meyer war nicht nur Schauspieler, sondern engagierte ...
Niklaus Meyer wirkte über 50 Jahre im Vorstand der Theatergesellschaft Villmergen mit
Theater gespielt hat er schon im Kindergarten. Die Faszination für die Bühne hat ihn nie mehr losgelassen. Niklaus Meyer war nicht nur Schauspieler, sondern engagierte sich auch hinter den Kulissen. In Zukunft will er nur noch spielen. «Aber man soll nie nie sagen», schmunzelt er.
Chregi Hansen
«Das Loslassen fällt mir leicht», sagt Niklaus Meyer und lässt den Blick durch das Gartenlokal schweifen. Er spüre langsam, dass er älter werde, fügt er an und stockt kurz. «Das Auswendiglernen fällt mir schwerer. Bei meinem letzten Gastspiel im Kellertheater bekam ich plötzlich das Nervenflattern. Ich war unsicher, ob der Text stimmt, den ich im Kopf hatte. Das kannte ich nicht von mir.»
Fast 70 Jahre lang hat er für das Theater gelebt. Mit grosser Leidenschaft. Und vollem Einsatz. In den verschiedensten Rollen. In den verschiedensten Funktionen. Nun ist er 75 und will es in Zukunft etwas ruhiger angehen. Wobei: So ein richtiger Klassiker, das würde ihn schon noch reizen. «Nathan der Weise» etwa. Überhaupt: Ohne Theater wird es sowieso nicht gehen. «Aber ich möchte nur noch spielen und mich nicht mehr um das Drumherum kümmern», erklärt er. Meyer freut sich, dass in Villmergen jetzt eine jüngere Generation übernimmt.
Bei der Theatergesellschaft als Beleuchter angefangen
Niklaus Meyer, er hat die Theatergesellschaft Villmergen in den letzten Jahrzehnten geprägt. Dabei kam er in einer «Nebenrolle» zum Verein, als Beleuchter. «Ich habe Elektriker gelernt. Darum hat man mich angefragt, ob ich diese Aufgabe übernehmen kann», schaut er zurück. 1967 war das, die TGV führte «s’Hotelgspängscht» auf. Der Rössli-Saal wurde danach zu seinem zweiten Zuhause. Hier wirkte er viele Jahre als Bühnenmeister, nicht nur bei den eigenen Produktionen, sondern er war auch vor Ort, wenn die grossen Tourneetheater in Villmergern haltmachten. Den Saal kannte er bestens, schon sein Vater spielte Theater und kümmerte sich als Coiffeur um die Frisuren und die Schminke des Ensembles. «Das Theaterspielen liegt bei uns quasi im Blut. Mein Grossvater war ein begeisterter Fasnächtler – das ist eigentlich auch wie Theater», lacht Meyer. Und wo hat er wohl seine Frau Elisabeth kennengelernt? Natürlich auch im Theaterverein. Sie hat ihm später immer den Rücken freigehalten für seine Projekte. «Ohne sie wäre das alles nicht möglich gewesen», gibt er zu.
Bestens vernetzt in der Szene
Als Lehrling kam er 1967 zur Theatergesellschaft. Auf der Bühne stand er aber schon viel früher. Mit leuchtenden Augen erzählt der frühere Hauwart des Schulhauses Dorf, wie er im Kindergarten unter Fräulein Hofmann ein sprechendes Tännlein gespielt hat. Wie er später bei den Aufführungen von Jungwacht und Blauring mitgewirkt hat unter Anleitung von Pfarrhelfer Boob. Von seinen Einsätzen bei den Theaterstücken des Jodelklubs, wo er einst sogar mit seinem Vater gemeinsam auf der Bühne stand. Wobei die Abstecher zu den Jodlern bei der TGV nicht gern gesehen waren. «Sie hatten eben das Gefühl, dass sie etwas Besseres sind, während die Jodler einfache Schwänke spielen.» Dieser Meinung schliesst er sich nicht an. «Einen guten Schwank zu inszenieren, das ist eigentlich hohe Kunst», so seine Erfahrung.
1969 bekam er seine erste Rolle in einem Stück der Theatergesellschaft. Im «Grochsi», der Mundartversion des «Eingebildeten Kranken» von Molière, spielte er einen Notar. Von der Perücke, die er tragen musste, bekam er Kopfweh – darum liess er sich später die Haare immer so wachsen, wie es die Rolle erforderte. Auch wenn das ab und an doch komisch aussah. 1970 wurde Meyer zudem in den Vorstand gewählt. Er besuchte viele Kurse des Zentralverbands Schweizer Volkstheater. Bildete sich aus in Schauspiel, Regie, Bühnenbau oder Stückwahl. Meyer wollte immer mehr, wollte immer besser werden. «Ich habe enorm profitiert von diesen Kursen. Und habe viele grosse Namen der Theaterszene kennengelernt», schaut er auf diese Zeit zurück.
Damals habe die TGV alle zwei Jahre ein neues Stück präsentiert. Kaum war die Dernière vorüber, fing die Vorbereitung für das neue Stück an. Dazu kamen die regelmässigen Besuche anderer Theaterproduktionen. Vor allem in Stans war Meyer immer gerne. Es folgten Gastspiele bei anderen Produktionen der Region. Im Kellertheater Bremgarten, im Sternensaal Wohlen («das kam in Villmergen gar nicht gut an») oder bei grossen Freilichtspielen wie «Amerika», «Mit Chrüüz und Fahne» oder dem «Freiämter Kaländer» aus Anlass der 700-Jahr-Feier der Schweiz 1991. Ein gewaltiges Projekt mit 200 Mitwirkenden und nur einer Vorstellung. Mit Meyer als Kalendermann auf hohen Stelzen. «Die wurden mir am Tag vor der Premiere geklaut und wir mussten in kürzester Zeit neue beschaffen», berichtet er schmunzelnd.
Sich selbst als Präsidenten vorgeschlagen
Niklaus Meyer war nichts zu viel. Er baute Bühnen, kümmerte sich um die Technik, übernahm die Produktionsleitung, suchte nach Geldgebern, liess sich 1994 zum Präsidenten wählen. «Niemand hat an mich gedacht, da habe ich mich selbst aufgestellt. Ich wusste genau, was ich wollte», sagt er heute. Nur eines lehnte er partout ab: Regie führen, das war nie Thema für ihn. Auch 1989 nicht, als der langjährige Regisseur Kurt Kaiser seinen Rücktritt gab und man ihn zum Nachfolger machen wollte. «Das habe ich mir nicht zugetraut», gibt er offen und ehrlich zu. Stattdessen hat er den Vorstand von der Idee überzeugt, einen Profi als Regisseur zu verpflichten. Empfahl auch gleich den Villmerger Theatermann Paul Steinmann – der Beginn einer langen und erfolgreichen Beziehung.
Viele grosse Produktionen, aber eine war ganz besonders
Seither kümmern sich in Villmergen Profis um die künstlerische Leitung, während das kongeniale Duo Niklaus Meyer und Hildegard Hilfiker die Produktionsleitung übernahm. «Wir haben gut zusammengearbeitet. Ich war für den technischen Bereich zuständig, sie für die Administration.» Es folgten viele erfolgreiche Produktionen. Sehr oft in einem besonderen Rahmen. Etwa «Di Himmlische» zum 150-Jahr-Jubiläum der TGV. Mit Adi Meyer als Regisseur und Autor. Gespielt wurde nicht im Rössli-Saal, sondern im stillgelegten Bahnhof. Die Produktion wurde ein riesiger Erfolg, das Publikum kam in Scharen. «Wir mussten ja jeweils nicht nur ein Theater aufführen, sondern auch eine Festwirtschaft betreiben, damit macht man Geld.»
In 50 Stücken hat Niklaus Meyer in den vergangenen Jahren mitgewirkt. Oft in grossen Rollen. Nicht immer war alles eitel Sonnenschein. «Im Theater menschelt es», hat Meyer erfahren. Wenn man ihn nach seiner Lieblingsproduktion fragt, winkt er ab. Jedes Stück hatte seinen Reiz, sagt er. Und doch: «Der Kammerdiener», die grosse Produktion 2018 zum Abschied vom Rössli-Saal vor dessen Abbruch, sie ist auch für ihn etwas Besonderes. Hier kommt er ins Schwärmen. «Wir konnten uns total austoben. Haben immer neue Ideen entwickelt. Die Geschichte auf ganz verschiedenen Ebenen erzählt, den gesamten Saal einbezogen», schaut er zurück. Die Theaterbeiz in einem richtigen Restaurant, mit einem Gourmetkoch im Team. Mehr geht fast nicht. Dazu die vielen Emotionen. Der Abschied vom Saal, in dem er so viel Zeit verbracht hat. So viele Erfolge feiern konnte. Ein solcher Saal fehle heute im Dorf, sagt er und wird kurz nachdenklich. Er hofft, dass das Schulraumprojekt der Gemeinde gelingt. Damit der Mehrzwecksaal bald nur noch den Vereinen gehört.
Erwartungen und Aufwand wurden immer grösser
Niklaus Meyer wünscht sich, dass die Theatergesellschaft Villmergen auch in Zukunft erfolgreich ist. Einfach sei das nicht. «In den letzten Jahren sind die Erwartungen gestiegen. Und damit auch der Aufwand», stellt er fest. Vielleicht sei es Zeit, wieder zu den Wurzeln zurückzukehren, wieder eher einfache Stücke aufzuführen. Doch das müssen jetzt andere entscheiden. «Es ist schön, dass die Jungen Verantwortung übernehmen. Wir haben in den letzten Jahren einige neue Mitglieder gewonnen», freut er sich. Wobei es eben nicht nur Leute auf der Bühne braucht, sondern auch im Hintergrund. Er selbst steht jedenfalls gerne beratend zu Seite. Und wenn es dann ums Anpacken geht? «Eigentlich will ich nur noch spielen. Und nichts mehr mit der Produktion zu tun haben», sagt er. Eigentlich. Aber man soll nie nie sagen, fügt er an. Der Theatervirus, er hält ihn immer noch fest. Wobei er gelernt hat, Nein zu sagen. Bei der neuen Hägglinger Produktion macht er nicht mit, nachdem er zu Beginn sein Interesse signalisiert hat. Alles geht nicht.
Theater hat es schwer
Bei all den vielen Stunden, die er für sein Hobby geopfert hat, stellt sich fast die Frage, warum er denn nie Profi geworden ist. Dass er eine Rolle perfekt ausfüllen kann, hat er schliesslich zu Genüge bewiesen. «Das war nie ein Thema für mich. Ich habe durch meine vielen Kontakte in die Szene gesehen, wie schwierig es ist, vom Theater zu leben. Und was es braucht, um ganz nach oben zu kommen», erklärt er. Die Kultur und speziell das Schauspiel haben es nicht einfach in der Schweiz. Und es werde nicht leichter. «In den Schulen werden leider nur noch selten Stücke aufgeführt», bedauert er. Dabei könne man die Jungen durchaus dafür begeistern, wie die verschiedenen Jugendtheater der Region beweisen. «Vielleicht sollte die TGV Workshops anbieten in diesem Bereich», schaut er nach vorn. Von wegen also ruhiger nehmen und nur noch spielen wollen. Niklaus Meyers Herz gehört weiter dem Theater. Er wird sich weiter einbringen. Und das ist auch gut so.