Emotionen längst nicht abgeebbt
01.04.2025 Region Oberfreiamt, BoswilMitte Bezirk Muri lud zum Podiumsgespräch über die Schliessung der Geburtenabteilung am Spital
Dieser Entscheid löst ganz schön viel aus. Auch rund sechs Wochen, nachdem angekündigt wurde, dass per Ende Jahr am Spital Muri die Geburtenabteilung ...
Mitte Bezirk Muri lud zum Podiumsgespräch über die Schliessung der Geburtenabteilung am Spital
Dieser Entscheid löst ganz schön viel aus. Auch rund sechs Wochen, nachdem angekündigt wurde, dass per Ende Jahr am Spital Muri die Geburtenabteilung geschlossen werden soll. Das zeigte sich auch am Podiumsgespräch im «Chillout» in Boswil. Aufgegeben haben längst nicht alle.
Annemarie Keusch
Ihr Erscheinen freut Franziska Stenico, Präsidentin der Mitte Bezirk Muri, ganz besonders. Rund zehn Personen sind es. Allesamt betroffen vom Entscheid von Stiftungsrat und Spitalleitung, die Weichen am Spital Muri neu zu stellen und per Ende Jahr die Geburtenabteilung zu schliessen. Sie sind es auch, die Fragen stellen, die das Wort ergreifen. «Wir wurden am selben Tag informiert wie die breite Öffentlichkeit», betonte eine Mitarbeiterin. Vorher hätten sie immer wieder nachgefragt. «Die Antwort war immer dieselbe: Die Geburtenabteilung gehöre zur Grundversorgung und werde nicht geschlossen.» Mitte Februar luden Stiftungsrat und Spitalleitung zur Pressekonferenz und liessen die Bombe platzen: Ende Jahr ist Schluss mit der Geburtenabteilung am Spital Muri.
Natürlich löste das ein Echo aus, ein äusserst emotionales. Die Mitarbeitenden der betroffenen Station lancierten eine Petition – über 7000 Menschen haben diese online unterzeichnet. Der Entscheid löst nach wie vor viel Unverständnis aus. Dies wurde auch am Podiumsgespräch in Boswil deutlich. Franziska Stenico, Grossrätin und Präsidentin der organisierenden Mitte Bezirk Muri, sagte: «Uns ist es wichtig, dieses Thema aufzunehmen, die Emotionen zuzulassen. Dass die Geburtenabteilung auf Zahlen und Rentabilität reduziert wird, ist eben für viele nicht nachvollziehbar.»
Nicht immer noch mehr sparen
André Rotzetter ist ebenfalls Grossrat, präsidiert die Gesundheitskommission, sitzt im Zentralvorstand der Aargauer Spitäler und ist Präsident der Pflegeinstitutionen im Kanton – also ein Gesundheitsexperte. Immer wieder betonte er: «Der Entscheid der Schliessung wurde vom Stiftungsrat und von der Spitalleitung in Muri gefällt. Das kann und will ich nicht kommentieren.» Stattdessen versuchte er, Verständnis zu schaffen und Wissen zu vermitteln. Etwa über die Tarife, die zu tief sind. «Für deren Anpassung kämpfe ich seit Jahren.» Viele Spitäler seien in finanziellen Nöten, die Situation sei für alle anspruchsvoll. «Ich kann verstehen, wenn Stiftungsräte Angst haben, dass eine Schliessung des gesamten Spitals droht, und darum solche Entscheide fällen», sagte Rotzetter. Das Gesundheitswesen sei massiv unterfinanziert. «Es droht eine Unterversorgung. Statt immer weiter auf die Kostenbremse zu treten, müsste man die vielen Missverständnisse aus der Welt schaffen, die es rund um das Gesundheitswesen gibt», ist er überzeugt.
Linda Meier ist Medizincontrollerin, war bis vor drei Jahren am Spital Muri tätig. Für die angekündigte Schliessung der Geburtenabteilung hat sie kaum Verständnis. Sie spricht Klartext: «Die Geburtenabteilung rentiert nicht. Man muss sich die Frage stellen, warum denn werdende Mütter nicht ins Spital Muri kommen.» Meier hat 2021 tiefgreifende Analysen gemacht am Spital Muri, auch im Bereich der Marktanteile. «Damals waren es noch 50 Prozent, jetzt sind es 40. Man hat also verloren. Und das, obwohl die Geburtenhäufigkeit in den Bezirken Muri und Bremgarten höher ist als in anderen Bereichen.»
Wichtig fürs Marketing
Strategie überarbeiten und Prozesse optimieren anstatt aufgeben, das wäre ihr vorgeschlagener Weg gewesen. Zuerst zu kommunizieren, dass die Geburtenabteilung gefährdet sei, hätte auch André Rotzetter als besser erachtet. Zumal Linda Meier überzeugt ist, dass mit der Schliessung der Geburtenabteilung auch die Gynäkologie am Spital Muri keine lange Zukunft habe. «Ist diese nicht rentabel, schliesst man auch diesen Bereich. Und wenn der Rettungsdienst nicht rentabel ist?»
Man dürfe die einzelnen Bereiche nicht separat anschauen, weil die Zusammenhänge enorm seien. Stattdessen betont Meier: «Die Geburtenabteilung ist wichtig für die Verbundenheit mit der Region. Wer hier ein Kind gebärt hat, kommt vielleicht auch für andere Eingriffe.»
Und Meier nennt Zahlen, die im Publikum für ein Raunen sorgen. «Das Spital Muri ist im Vergleich zu anderen Spitälern reich.» Sie wisse, dass der Eigenkapitalwert bei 71 Prozent liege. Nicht nur die finanzielle Lage ist der Grund, weshalb auch Franziska Stenico wenig Verständnis hat für die angekündigte Schliessung der Geburtenabteilung. «Diese Abteilung ist doch ein Leuchtturm, ein Magnet, etwas Positives. Aus Laiensicht ist es nicht verständlich, warum diese auch defizitär nicht getragen werden kann.» Stenico gehörte zu jenen, die eine Interpellation und eine Motion einreichten. Etwa dafür, dass Vorhalteleistungen vom Kanton besser abgegolten werden. «Es gibt Nachholbedarf. Überall wird gespart, dabei sind die Töpfe des Kantons voller Geld.» Zudem kennt Stenico Lösungsansätze, die Geburtenabteilungen rentabler machen – etwa Belegshebammen.
Verwaltungsratspräsidentin äussert sich nur schriftlich
Aber seitens Stiftungsrat und Spitalleitung ist der Entscheid gefällt. Obwohl die Mitarbeitenden die Kündigung per Ende Jahr noch nicht erhalten haben. Ganz aufgeben will man also noch nicht. Auch Stenico nicht. Zuerst meinte sie, dass sie künftig den Politapéro des Spitals nicht mehr besuche, weil man dort auf kritische Fragen keine Antwort erhalte. André Rotzetter riet: «Gehen Sie dorthin. So kann man Einfluss auf den Stiftungsrat nehmen und dieser wäre in der Kompetenz, den Entscheid rückgängig zu machen.» Linda Meier ging noch einen Schritt weiter: «Der Stiftungsrat soll die Bevölkerung repräsentieren. Wenn die Bevölkerung nicht mehr zufrieden ist, braucht es dort vielleicht neue Vertreterinnen und Vertreter, oder auch in der Spitalleitung.»
Die Emotionen sind also längst nicht abgeebbt. Fortsetzung folgt. Übrigens liess sich Sabina Rüttimann, Stiftungsratspräsidentin des Spitals Muri, vor dem Podium nur schriftlich verlauten. «Mit einem ellenlangen Mail», sagte Moderator Pius Vogel. Darin brachte sie vor allem die Mitte Februar genannten Argumente nochmals ein. Eine Teilnahme am Podium schlug Rüttimann laut Vogel aus.
Zwei weniger im Vorstand
GV der Mitte Bezirk Muri
Wenig spektakulär verlief die GV der Mitte Bezirk Muri. Von den sieben Vorstandsmitgliedern stellten sich Präsidentin Franziska Stenico, Ueli Frey, Daniel Käppeli, Ralf Bucher und Claudia Burkard zur Wahl. Sibylle Muster und Stefan Frey demissionierten. Muster gehörte seit 2014 dem Vorstand an. «Sie hatte viele sprühende Ideen, wenn es um unsere Anlässe ging», würdigte die Präsidentin. Seit 2012 wirkte Stefan Frey im Vorstand mit, führte die Kasse. Für beide gab es neben lobenden Worten auch ein selbst geschriebenes Gedicht der Präsidentin. Ersatzwahlen für die beiden Zurückgetretenen gab es nicht. Stattdessen erhielt der Vorstand die Kompetenz, im Laufe des Jahres ein bis zwei Neue im Team aufzunehmen. Präsidentin Stenico gab sich im Hinblick auf die Zukunft kämpferisch. «Wir probieren alles, um dranzubleiben. Wir werden uns einmischen und nicht ruhig sein.»
Primär blickte Stenico aber auf das vergangene Jahr zurück. Dieses stand im Zeichen der Grossratswahlen, wo die Mitte im Bezirk empfindliche Defizite erlitt. «Wir mussten viel investieren, um überhaupt mit einer vollen Liste anzutreten», blickte die Präsidentin zurück. Es sei ein intensiver Wahlkampf gewesen. «Aber wir mussten feststellen, dass andere besser mobilisierten.» Im Vorstand habe man bereits Massnahmen besprochen, damit das bei den nächsten Wahlen anders ist.
Darauf hofft auch Karin Koch Wick, Bremgarten, Co-Präsidentin der Mitte Aargau. «Wir brauchen starke Bezirke. Bei euch ist das nötige Feuer spürbar», meinte sie. --ake