Feinfühlig mit dem Taktstock
17.06.2025 Region Oberfreiamt, Jugend, MusikDas Jugendorchester Freiamt feierte in der Alten Kirche Boswil Premiere seines Programms «Zeitlos»
Junge Talente unter der Leitung der charismatischen Dirigentin Anne-Cécile Gross gaben ein gut besuchtes abwechslungsreiches Konzert mit Werken von Mozart, ...
Das Jugendorchester Freiamt feierte in der Alten Kirche Boswil Premiere seines Programms «Zeitlos»
Junge Talente unter der Leitung der charismatischen Dirigentin Anne-Cécile Gross gaben ein gut besuchtes abwechslungsreiches Konzert mit Werken von Mozart, Wagner, Górecki und anderen. Bereichert wurde der Event durch Stimm- und Stimmungsfacetten des Solisten Marcello Wick.
Albert Schumacher
«Wir sind eine Familie!», verriet die Dirigentin impulsiv, als sie sich nach dem Konzert herzhaft einzeln von den Musizierenden verabschiedet hatte. «Und wir haben Respekt voreinander; es wäre schön, wenn diese Familie noch wachsen würde! Wir brauchen ständig Nachwuchs. Es können nie genug Musiker sein.»
Zeitlose schottische Weise
Projektmanagerin Charlotte Lorenz stellte bei der Begrüssung das Konzertmotto «Zeitlos» vor. Dazu passt die ewige Ruhe, das «Requiem aeternam» von Mozart, mit dem das 23-köpfige JOF gleich einfühlsam sein Können unter Beweis stellte. Zeitlos ist aber auch die Generationen übergreifende Volksmusik. Mit Sir Granville Bantocks Stück «The Braes (Hügel) o’Tullymet» – gemäss Konzertmeisterin Manuela Völlinger ein harmonisch und rhythmisch anspruchsvolles Stück – reiste man gleich ins schottische Hochland. Der charakteristische «Scotch snap»- Rhythmus (Sechzehntelnote gefolgt von einer punktierten Achtelnote), macht das Stück so «lüpfig» und tanzbar.
Schon nur ein Blick auf die Gestaltungsanweisungen der Partitur verrät die Ansprüche an Dirigat und Orchester: Animato (beseelt) – capriccioso (scherzhaft) – animando (belebend) – accelerando (beschleunigend) – pizzicato (gezupft) – dolcissimo (sehr süss). Typisch schottisch waren auch die bordunartig an Dudelsäcke gemahnenden Bass-Passagen. Untermalt wurde das Stück durch einen Jodel von Marcello Wick, besonders effektvoll während den leise gezupften Stellen. Das Stück kam beim Publikum bestens an. Auch der Konzertmeister in spe, Niklaus Treyer an der 1. Geige, empfand eine Vorliebe für diese Komposition.
Nicht minder beliebt waren die «Drei Stücke im alten Stil» des Polen Henryck Górecki. Marcello Wick zog dazu mehrere Register: Er pfiff, sang, flötete, produzierte Urlaute wie ein Wolfsgeheul. Das Orchester gestaltete überzeugend die teilweise meditative Grundstimmung des ersten und dritten Stücks mit liturgisch mittelalterlichen Motiven, unterbrochen von einem unaufhaltsam vorwärts preschenden zweiten Teil mit der Partiturbemerkung: Tutti gli archi con molto arco (alle Streichinstrumente mit viel Bogen). Ein fesselndes Stück Musik, das die Dirigentin hier gewählt hatte.
Von «Take Five» zu Richard Wagner
Zeitlos ist mittlerweile auch das Stück «Take Five» von Paul Desmond aus dem Jahre 1959, von Maxine Culjak für Streicher arrangiert. «Das Ostinatomuster im 5/4-Takt konsequent einzuhalten, ist gar nicht so einfach», gestand Naoe Feller, Stimmführerin 2. Geige. Umso erfreulicher, dass das Ensemble auch diese Hürde meisterte und den Groove des Jazz-Standards ins Publikum trug.
Dann ging es zurück zur Romantik, zur zeitlos ewigen Liebe. Das «Siegfried Idyll» komponierte Richard Wagner als Geburtstagsgeschenk für seine Frau Cosima nach der Geburt ihres Sohnes Siegfried. Das Orchester intonierte das heikle Werk mit mehreren langsamen Passagen berührend. Auffällig war, wie die Dirigentin bei Pianostellen ihre Hände so zart einsetzte, als wolle sie ein imaginäres Spinngewebe bloss streicheln und um keinen Preis verletzen.
Vor Ort waren auch die Eltern des erst 12-jährigen Kontrabassisten Jona Siegel aus Lenzburg, welche alle Konzerte stolz und begeistert besuchen. «Wir fungieren – wegen der Grösse des Instruments – auch als Chauffeure für die wöchentlichen Proben in Boswil und achten zu Hause darauf, dass Jona regelmässig probt.»
Dass selbst das Zeitlose einmal enden muss, wurde mit «S’isch Polizeistund» von Artur Beul humorvoll demonstriert. Die Zugabe war wie immer beim JOF interaktiv – die Gäste waren gefordert und durften zünftig «überhöcklen»: Marcello Wick beübte den Publikumschor mit dem «Zäuerli», einer Form des Appenzeller Naturjodelns.
«Wie könnte ich nicht zufrieden sein?! Sie sind so toll!», so Anne-Cécile Gross. In der Bilanz verglich die Dirigentin das erste Konzert der Tournee mit einem gelungenen Abenteuer. «Aber morgen in Möriken werden wir viel lockerer sein. Ich bin immer nervös bei Sachen, die mir wichtig sind. Ich bin zufrieden. Das JOF ist mein Herzblut!»