In Zukunft nur noch Kundin
09.02.2024 Region Unterfreiamt, VillmergenRenate Wirth gibt die Leitung der Dorf bibliothek Villmergen ab
Nach 23 Jahren Mitarbeit, davon fünf Jahre als Leiterin, beendet Renate Wirth ihr Engagement für die Dorfbibliothek in Villmergen. Sie hat die Entwicklung des Ortes in den letzten Jahren stark ...
Renate Wirth gibt die Leitung der Dorf bibliothek Villmergen ab
Nach 23 Jahren Mitarbeit, davon fünf Jahre als Leiterin, beendet Renate Wirth ihr Engagement für die Dorfbibliothek in Villmergen. Sie hat die Entwicklung des Ortes in den letzten Jahren stark mitgeprägt. «Unser Ziel ist, Hemmschwellen abzubauen und ein Ort für alle zu sein», sagt sie.
Chregi Hansen
Gelesen hat sie schon immer. Als Kind hat sie viel Zeit in der ehemaligen Volksbibliothek von Josef Meyer im Pfarreiheim verbracht. «Wenn mich meine Eltern bestrafen wollten, gaben sie mir keinen Hausarrest, sondern ein Buchverbot», schmunzelt Renate Wirth. Zum Glück für sie bezog sich das Verbot lediglich auf Bücher. «Eine Tante hat mir dann jeweils Romanhefte zugesteckt», erzählt sie weiter.
Und lesen, das tut sie auch heute noch gern. Und viel. Manchmal sagt sie zum Jux, ihre Stelle als Leiterin der Dorfbibliothek Villmergen sei ein bezahltes Hobby. Wobei das natürlich nicht ernst gemeint ist. Denn die fünf Frauen im Team leisten viel für das Dorf. Und wohl alle mehr als nur die Stunden, für die sie angestellt sind. Renate Wirth selbst besetzt ein 20-Prozent-Pensum. «Als ich das bei einem Austausch mit den anderen Freiämter Bibliotheken einmal erwähnt habe, wurde ich ausgelacht. Diese Arbeit sei mit einem solch kleinen Pensum nicht möglich», berichtet sie. Inzwischen hat die Gemeinde reagiert, Nachfolgerin Simona Steger wird im Rahmen eines 30- bis 40-Prozent-Pensums angestellt.
Mit einem Minipensum angefangen
Doch Jammern deswegen mag die abtretende Leiterin nicht. Sie freut sich, dass endlich eine Nachfolgerin gefunden wurde. Sie wolle etwas kürzertreten, sagt die bald 64-Jährige, die Ende Februar auch ihren 60-Prozent-Job bei der Koch Fuhrhalterei aufgeben wird. Beiden Stellen bleibt sie aber so lange zur Verfügung, bis die Nachfolgerinnen eingearbeitet sind. Sie freut sich auf das Leben im Ruhestand. Mehr Zeit haben für sich, ihren Mann, aber auch für ihre Enkeltochter. Lesen wird sie sicher weiterhin. Und sie wird die Bibliothek weiter besuchen, wenn auch nur noch als Kundin. Vor allem Krimis haben es ihr angetan. Kein Wunder, ist dieser Bereich in den letzten Jahren stark gewachsen.
Am 16. Oktober 2001 hat die Villmergerin ihre Arbeit in der Bibliothek mit einem Minipensum aufgenommen. Eigentlich wollte sie sich schon 1993 bewerben, als die alte Volksbibliothek und die Schulbibliothek zusammengelegt und im Schulhaus Hof neue Räume bezogen wurden. «Aber damals wurde ich erstmals Mutter. Das hat einfach nicht gepasst», schaut sie auf diese Zeit zurück. Acht Jahre später war es so weit. «In dieser Zeit erfolgte die Einführung der Computer, da konnte ich mich mit meinen beruflichen Kenntnissen gut einbringen.» Ein Jahr später erfolgte der Wechsel in der Ausleihe vom Ticketsystem auf EDV. «Das war eine grosse Entlastung für uns.» Vor Kurzem wurden alle PCs in der Bibliothek ersetzt und mit neuer Software ausgerüstet. «Jetzt sind wir gut ausgerüstet», freut sich Wirth.
Um Akzeptanz und Wertschätzung kämpfen
Sie hat ihre Arbeit immer gerne gemacht. Auch wenn sie in der Anfangszeit die Wertschätzung etwas vermisst hat. Die Mitarbeiterinnen waren zwar schon damals von der Gemeinde angestellt, gehörten aber irgendwie nicht richtig dazu. «Wir waren näher bei der Schule als bei der Verwaltung. Haben auch eher an Schulanlässen teilgenommen», berichtet sie. Das habe sich aber deutlich gebessert. Heute erfahre das Team mehr Wertschätzung und Unterstützung durch die Gemeinde. Auch den Austausch mit der Bibliothekskommission empfindet sie als wertvoll. Und doch geht die Bibliothek auch heute noch manchmal vergessen im politischen Denken. «Als die neuen Parkierungsregeln eingeführt wurden beim Schulhaus Hof, hat niemand an uns gedacht. Im Prinzip müssten unsere Kunden jetzt zwischen der Badi und der Bibliothek parkieren. Das kann es doch nicht sein», ärgert sie sich. Bisher wurde noch keine befriedigende Lösung gefunden. «Ich hoffe, da tut sich noch was», so Wirth.
Dies umso mehr, als die Bibliothek ihre Tätigkeiten sukzessive ausgeweitet hat. Sie ist nicht nur eine Bücherausleihe, sondern führt auch regelmässig Veranstaltungen durch. Möglich macht dies die räumliche Erweiterung im Jahr 2018. «Wir sind froh um den zusätzlichen Platz. Wir brauchen den nicht, um mehr Medien anbieten zu können, sondern um diese besser präsentieren zu können», sagt Renate Wirth. Auch Anlässe lassen sich einfacher durchführen. Natürlich könne man sich fragen, ob Events wie die Ladies Night hierher gehören, ist sie sich bewusst. «Wir wollen ein Ort sein für die ganze Bevölkerung. Und auch Leute anlocken, die sonst nie eine Bibliothek besuchen würden. Auf diese Art können wir Hemmschwellen abbauen.»
Und darum gibt es regelmässig auch Vorträge, Kurse oder Lesungen in diesen Räumen. Dazu beteiligt man sich an diversen Projekten wie Antolin, Buchstart, Kultur macht Schule, Bookstar usw. Wertvoll sei auch der Austausch mit anderen Bibliotheken, von denen man ab und zu auch ein Projekt übernehme. So gibt es in Villmergen bald auch einen Actionbound, wie man ihn an anderen Orten schon kennt. Zu den Angeboten gehören auch die Bücherboxen, die es neu auch im Gemeindehaus gibt. Auch in Sachen Leseförderung investiert das Team viel – seit der Verslimorgen am Samstag stattfindet, zieht er viel mehr Familien an. «Wir haben ganz viele Ideen im Team, was wir noch alles machen können. Aber nicht immer sind die Ressourcen dafür vorhanden», berichtet Wirth. Für das Engagement erhalte man viel Lob von den Kunden und Kundinnen. «Unsere Bibliothek hat einen guten Ruf, unser Einsatz wird geschätzt», weiss die Leiterin.
Viele Veränderungen erlebt
Sie hat viele Veränderungen erlebt in ihrer Zeit. Etwa die Einführung der Jahresgebühr, die teilweise für Unmut sorgte. Oder das Verschwinden der Kassettli, die doch einst ein Renner waren. Weniger gefragt sind heute auch Hörbücher für Erwachsene. Dafür sind Comics noch so beliebt wie eh und je. Etwas über 12 000 verschiedene Medien bietet die Dorfbibliothek Villmergen an, rund 10 Prozent davon werden pro Jahr ausgewechselt. Die Zahl der Benutzer liegt bei rund 1200. «Leider wird heute weniger gelesen als früher. Viele sind lieber in den sozialen Medien unterwegs, als zu einem Buch zu greifen», bedauert Wirth. Und das betreffe nicht nur die Jungen, sondern auch die Erwachsenen.
Sie gehört nicht dazu. Noch heute liest Renate Wirth täglich. Am liebsten ein richtiges Buch, auch wenn sie die Vorteile von E-Books anerkennt und ab und zu auch nutzt. Und Lesen bleibt ihr Hobby Nummer 1, auch nach ihrem Rücktritt per Ende Februar. «Ich bin froh, haben wir eine so erfahrene Nachfolgerin gefunden – und dass ich die Bibliothek weiter nutzen kann», sagt sie zum Schluss. Schliesslich braucht sie weiterhin einen Ort, um ihre Bücher auszuleihen. Jetzt nur noch als «unbezahltes Hobby».