Carmen Bärschi, wohnhaft in Zürich, vormals in Wohlen und Bremgarten.
Als Kind der Achtziger erinnere ich mich an die Anfänge des Internets. An das piepsende Modem, die Geduld, bis eine Seite geladen war. An amateurhafte ...
Carmen Bärschi, wohnhaft in Zürich, vormals in Wohlen und Bremgarten.
Als Kind der Achtziger erinnere ich mich an die Anfänge des Internets. An das piepsende Modem, die Geduld, bis eine Seite geladen war. An amateurhafte Youtube-Videos, die ganz offensichtlich noch von Menschen stammten. Nicht perfekt, dafür unperfekt echt. An Videotelefonate mit meiner Freundin in Australien. An Hashtags, um Begriffe auf Webseiten zu suchen – ohne Algorithmus, ohne KI-Zusammenfassung. Damals schien das Internet ein Ort zu sein, an dem Wissen aus aller Welt zusammenkam, ein Ort der Verbindung mit der ganzen Welt.
Heute, drei Jahre nach Einführung von ChatGPT und anderen zugänglichen KI, fühlt es sich an wie ein mit Rattenkot verdreckter Estrich: gesundheitsschädlich und überfüllt mit Zeug, das irgendwer – oder eher irgendetwas – hineingestellt hat. Ein Slop: ein matschiger Brei aus automatisch generierten Texten, Bildern, Videos. In der Arte-Doku «KI – Der Tod des Internets» sieht man, wie Bots in Sekunden ganze Webseiten mit Fake-News und schlechten Ratgeberbüchern füllen. Kein Mensch denkt mehr – Maschinen rülpsen Content, den wir gierig verschlingen. Früher suchte man in Foren nach Antworten, heute in einem verschmutzten Ozean nach Wahrheit. Rezensionen, Fotos, Artikel wirken echt, sind jedoch oft nur hohle Hülse.
«Verlieren wir die Kontrolle über KI?», fragt die Arte-Doku. Das versprochene digitale Paradies wird immer mehr zur Hölle. Wir wollten Effizienz auf Knopfdruck und haben vergessen, dass Qualität Zeit braucht. Dass Denken langsam sein muss, um bewusst neue Wege zu nehmen. Dass Sinn aus echter gefühlter Begegnung mit anderen Menschen entsteht. Nun überrollt uns jedoch ein Tsunami aus Bullshit. Bekanntlich kann man Tsunamis nicht stoppen. Der Gründer von OpenAI vergleicht ChatGPT mit der Entdeckung der Kernfusion – derselben Kraft, die zur Atombombe führte. Auch sie veränderte das Machtgefüge der Welt.
Wie tiefgreifend KI unser Leben, das Internet und die Welt, wie wir sie kennen, verändern wird, steht in den Sternen. Ich jedenfalls plädiere für Langsamkeit. Für Bewusstheit. Und dafür, lieber einmal mehr auf künstliche Intelligenz zu verzichten – als einmal zu spät zu merken, dass wir nicht mehr selbst denken können.