Kleine Massnahmen, grosser Erfolg
17.03.2023 Region Oberfreiamt, WaltenschwilDie Gruppe «Mir sind derbi» organisierte einen Informationsabend rund um das Thema Sicherheit
Unter dem Titel «Aktenzeichen ü60» informierte Kantonspolizist Marco Dössegger, wie man als ältere Person Betrugsfälle im Internet sowie ...
Die Gruppe «Mir sind derbi» organisierte einen Informationsabend rund um das Thema Sicherheit
Unter dem Titel «Aktenzeichen ü60» informierte Kantonspolizist Marco Dössegger, wie man als ältere Person Betrugsfälle im Internet sowie in der realen Welt erkennt und sich davor schützen kann.
Celeste Blanc
Bezirk Lenzburg. Eine 80-Jährige erhält am Tag der Beerdigung ihres Mannes ein Telefonat. Es ist die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt. Ihr Sohn, Toni, habe einen Verkehrsunfall verursacht, sei mit dem Auto in eine Gruppe Velofahrer gefahren. Und ist nun in Haft. Wenn die Witwe wolle, dass ihr Sohn zur Beerdigung des Vaters kommen kann, müsse sie ein Depot von 100 000 Franken hinterlegen.
«Was so präsentiert offensichtlich ein Betrug sein muss, kann in emotionalen Momenten, wie es in diesem Fall einer war, Betrügern schnell in die Hände spielen», weiss Marco Dössegger, Kantonspolizei Aargau. Im Dienst der Kriminalprävention beschäftigt er sich mit einem zehnköpfigen Team mit Betrugskriminalität, sowohl in der realen als auch in der digitalen Welt. Im Fall der 80-Jährigen hatte die Masche keinen Erfolg. Durch das viele Nachfragen der Frau hat der Täter aufgehängt. Kurz darauf stand Sohn Toni vor der Tür, wohlauf. «Doch nicht immer gehen solche Szenarien glücklich aus», weiss Dössegger.
Geld liegt bei älteren Menschen
Der Fall verdeutlicht, wie perfide die Täterschaft vorzugehen weiss. Alle Informationen, die sie für den Betrug benötigten, haben sie aus der Todesanzeige entnommen. Es ist eine Dreistheit, die sich auch in anderen Fallbeispielen, die Dössegger an diesem Abend präsentiert, zeigt: Egal ob Diebstahl, Enkeltrick, Einbruch oder finanzielle Zuwendung im Internet erschleichen – die Betrugspalette ist breit. Und findet trotz Aufklärungsversuchen seitens der Polizei oft einen erfolgreichen Abschluss. Nicht nur, aber hauptsächlich davon betroffen sind ältere Menschen. Einerseits, weil sie leichte Ziele abgeben. «Die Täter kennen sich aus mit der Psychologie des Menschen. Sie wissen allfällige Einsamkeit auszunutzen», so der Polizist. Andererseits liege bei ihnen das grosse Geld. «Und im Aargau scheint besonders viel davon zu sein.» Mehrere Millionen Franken ergaunerten sich die Betrüger im Jahr 2022.
Polizei über Situation entscheiden lassen
Dabei können Beträge einzelner Opfer schnell eine stattliche Summe annehmen. So auch bei einer 88-Jährigen aus dem Bezirk Bremgarten. Ein vermeintlicher Polizist in Zivil informierte die Frau darüber, dass die Tochter einen schweren Unfall verursacht habe. Mit Ausblick auf eine Kaution für die Tochter gab die Frau der unbekannten Person insgesamt 12 000 Franken mit. «Sie war ob der Information so extrem schockiert, dass sie nicht lange zögerte und dem vermeintlichen Polizisten das Geld einfach mitgegeben hat.» Die Schamlosigkeit der Betrüger kennt also keine Grenzen, auch nicht an der Haustür. Deshalb rät die Schweizerische Kriminalprävention davon ab, unbekannte Personen ins Haus zu lassen. Sollte sich jemand als Polizist in Zivil vorstellen, muss immer der Ausweis verlangt werden. Handwerker, die man selbst nicht bestellt hat, sollten nicht ins Haus oder in die Wohnung gelassen werden. Nebst diesen Selbstschutzmassnahmen appelliert Kantonspolizist Dössegger. auch daran, stets dem Bauchgefühl zu vertrauen. «Wenn eine Situation einen zwielichtigen Eindruck macht, vertrauen Sie auf Ihr Bauchgefühl, es behält recht. Vor allem bei älteren Menschen liegt eine geballte Ladung an Lebenserfahrung vor.» Kernbotschaft des Kantonspolizisten in jedem Fall ist, die Nummer 117 anzurufen. «Die Polizei soll über die Situation entscheiden. Lieber auf Nummer sicher gehen.»
Finanzielle Zuwendung erschleichen im Trend
Zunehmend beschäftigen die Kantonspolizei Betrugsfälle im Internet. Hier kam im Jahr 2022 bei sogenannten «Romance Scam»-Fällen das grösste Geld zusammen. Der englische Begriff «Romance Scam» bezeichnet eine Internetbetrugsform, bei der von gefälschten Profilen auf Sozialen Medien oder in Singlebörsen Verliebtheit vorgetäuscht, doch in Wahrheit finanzielle Zuwendung erschlichen wird. Bei 76Fällen im Aargau 2022 ergaunerten die Täter über vier Millionen Franken. Auch hier haben Opfer horrende Summen ausbezahlt: So überwies ein Opfer aus dem Bezirk Baden 463 000 Franken, jemand aus dem Bezirk Bremgarten 329 000 Franken und ein Geschädigter aus dem Bezirk Lenzburg sogar 980 000 Franken. «Schauen Sie sich die Fotos genau an», rät Dössegger weiter. Oft zeigen diese nämlich Schauspielerinnen und Schauspieler, meist aus Südamerika, von denen das Bild geklaut worden ist. «Und bei aller Liebe: Solche Personen suchen die Liebe nicht im Internet.» Während weibliche Opfer vor allem auf Männertypen hereinfallen, die einigermassen gut aussehen und einen Beruf wie Arzt in humanitärer Mission, Militarist, Pilot oder Schiffskapitän haben, ist es bei den Männern klischeehaft die junge, schöne Frau.
Bei vielen Fällen, die Dössegger anonymisiert vorstellte, mussten die Anwesenden lachen. Zu grotesk scheint die Vorstellung, auf solche Profile hereinzufallen. Doch Dössegger mahnt: «Das kann wirklich jedem und jeder passieren.» Denn auch hier spielen die Täter oder Täterinnen, die hauptsächlich aus Nigeria oder Ghana stammen, mit den Emotionen. Und zwar der wichtigsten für den Menschen: «Sie spielen mit dem, was den Menschen ausmacht: das Bedürfnis nach Zuwendung und dem schönen Gefühl, verliebt zu sein.»
Unbekanntes immer «googeln»
Neuen Bekanntschaften, die man im Internet kennenlernt, sollte man also nie einfach so Geld ausbezahlen. Auch Plattformen oder Nachrichtenportale, auf denen mit gewinnbringenden Investitionsmöglichkeiten geworben wird, sind in der Regel Betrugsseiten. Marco Dössegger rät: «Solche Seiten sollten immer ‹gegoogelt› werden. Da zeigt sich schnell, um was für eine Homepage es sich handelt.»
Auch vor Phishing bei E-Mails sollte man sich in Acht nehmen. Aktuell sind vor allem Mails im Umlauf, die vermeintlich von der Post stammen. Auch hier ist genaues Hinsehen angezeigt. «Immer die E-Mail-Adressen anschauen. Wenn sie ellenlang sind und kryptische Worte enthalten, sind sie ein Fake.» Auch sollte auf keine Links geklickt werden. «Im schlimmsten Fall lädt es eine Software auf den Computer.»
Weitere Informationen zu allen Betrugsbereichen, wie die Täterschaft vorgeht und wie man sich davor schützt, ist auf der Homepage der Schweizerischen Kriminalprävention einsehbar unter www.skppsc.ch.