Mehr als nur Milchleistung
09.12.2025 Region Oberfreiamt, TraditionenHolstein-Tradition
Mit der Gründung ihres Holsteinzuchtvereins leisteten die Bauern aus dem Oberfreiamt vor 50 Jahren Pionierarbeit. Seither hat sich einiges getan. Zuchtziele wurden verfeinert, frühere Leistungsgrenzen massiv übertroffen. Gemäss ...
Holstein-Tradition
Mit der Gründung ihres Holsteinzuchtvereins leisteten die Bauern aus dem Oberfreiamt vor 50 Jahren Pionierarbeit. Seither hat sich einiges getan. Zuchtziele wurden verfeinert, frühere Leistungsgrenzen massiv übertroffen. Gemäss Markus Hitz, der Mitgründer der Aargauer Holsteinzuchtgenossenschaft war und zum Aufschwung massgeblich beigetragen hat, sei die Schweiz mittlerweile «das Holsteinland par excellence». Lukas Villiger, Präsident der hiesigen Sektion, betont, dass die Oberfreiämter insbesondere bezüglich Leistung glänzen. --tst
Die Holsteinzüchter Oberfreiamt dürfen auf ein halbes Jahrhundert Vereinsgeschichte zurückblicken
Vor 50 Jahren wurde im Restaurant Räber in Rüstenschwil der Holsteinzuchtverein Oberfreiamt gegründet. Die seitherigen Fortschritte in der Zucht sind beeindruckend.
Thomas Stöckli
Mit elf Mitgliedern und 137 Herdebuchtieren nahm der Holsteinzuchtverein Oberfreiamt 1975 den Betrieb auf. Die Anzahl Herdebuchtiere ist seither um mehr als das 15-Fache gestiegen. Das zeigt den Erfolg der schwarz-weiss gefleckten Kühe in der Region auf. «Die Aargauer Holsteiner gehören zu den leistungsstärksten», sagt Lukas Villiger, Präsident des Holsteinzuchtvereins Oberfreiamt, «insbesondere im Freiamt haben wir sehr erfolgreiche Betriebe.»
Meilensteine der Entwicklung
Das zeigte sich am diesjährigen Anlass von Holstein Switzerland. Da werden jeweils ausserordentliche Leistungen geehrt. Etwa die Abstammungslinien, in denen drei aufeinanderfolgende Generationen von Kühen auf jeweils über 100 000 Kilogramm Milch Lebensleistung kamen. Zwei dieser aussergewöhnlichen Grossmutter-Mutter-Tochter-Trios kommen aus dem Stall von Paul Villiger, Oberrüti, eines gehört dem Präsidenten selbst.
Das ist der jüngste Höhepunkt einer beeindruckenden Entwicklung, von der einige Meilensteine erwähnt seien: So erreichte Kuh «Ovomaltine» von Kaspar Frei 1984 als erste im Oberfreiämter Verein eine Standardlaktation – also Milchleistung pro Kalbung – von über 10 000 Kilogramm Milch. Mittlerweile sind es 541 Kühe, die diesen Wert übertroffen haben. Kuh «Grua» von Emil Müller war es, die 1990 als erste die magische Grenze von 100 000 Kilogramm Milch Lebensleistung überschritt.
Josef Villiger-Furrer erreichte 2000 als erster Betrieb einen Herdendurchschnitt von über 10 000 kg Milch. Im selben Jahr feierte der Verein sein 25-jähriges Bestehen, mit einem Festessen und einem Kälberwettbewerb. 2002 wurde dann die vorerst letzte Viehschau organisiert. Verbunden mit einem Tag der offenen Tür bei Familie Suter-Turk massen sich in Mühlau 70 Tiere in acht Kategorien. Kuh «Gala» von Hans Villiger wurde 2008 als «EX» eingestuft, was für die Annäherung an das Idealbild der Zucht steht. Mittlerweile haben sechs Tiere aus dem Verein diese hohe Hürde genommen. Und schliesslich wurde 2008 Daniel Heeb vom Lilienhof in Sins als «Meisterzüchter» geadelt.
Mehrwert bieten
Mit der hohen Kadenz, in welcher die Betriebe grösser und besser wurden, konnte die Anzahl Mitglieder des Holsteinzuchtvereins Oberfreiamt nicht mithalten. Sie hat sich seit der Gründung kaum verdreifacht. «Es wird eine Herausforderung sein, diesen Wert zu halten», ist sich Lukas Villiger bewusst.
In einer Zeit, in der Betriebe zusammengelegt werden oder ganz verschwinden, weil die Nachfolge nicht gewährleistet werden kann, geht das nur, indem man neue Betriebe dazugewinnt. «Das heisst einerseits, dass wir Milchbauern, die bereits auf Holstein setzen, in den Verein holen», sagt der Präsident. Da sei man gefordert, einen Mehrwert zu bieten, etwa durch ein attraktives Jahresprogramm, zu dem unter anderem der gemütliche Raclette-Höck im Herbst gehört.
Andererseits gehe es darum, Rassenwechsel zu fördern, so Lukas Villiger. Was hat ihn selbst dazu bewogen, auf die Holsteinrasse zu setzen? Die Tradition allein ist es nicht: «Wir hatten früher Braune», sagt er. Später setzte sein Buchackerhof auf beide Rassen. Mittlerweile sind da nur noch Holsteinkühe. «Ausschlaggebend war die Wirtschaftlichkeit», sagt er.
Genetische Vielfalt
Die Holsteinkühe sind besonders leistungsstark. Und zudem ist die Auswahl an Stieren weltweit sehr gross: «So kann man gezielt züchten und selektionieren.» Wobei das Zuchtziel, das jeder Betrieb haben sollte, viel mehr umfasst als allein die Milchleistung. «Wir wollen die Qualität der Euter noch verbessern», nennt Lukas Villiger ein spezifisches Ziel seines Buchackerhofs.
Weiter sei es zentral, dass die Tiere gesund, resistent und fruchtbar seien. Das sind wichtige Faktoren, um die Leistungsfähigkeit mindestens halten zu können. Weitere sind die passende Fütterung – «die Verdauung einer Kuh ist komplex», sagt der Vereinspräsident und erwähnt die für die Wiederkäuerin mit vier Mägen so wichtigen Rohfasern – und die optimale Haltung. «Kühe reagieren sensibel auf Stress», nennt er ein Beispiel. Entsprechend brauchen die Tiere genügend Platz, Tageslicht und Luftzirkulation. Im Sommer verschafft er seinen Kühen mittels Lüftung und Sprühnebel Abkühlung. Und schliesslich trägt auch die Sauberkeit im Stall dazu bei, dass die Kühe gesund bleiben und ihre Leistung erbringen können.
Herz für die Milchkühe
Auch wenn umsatzmässig mittlerweile die Legehennen der wichtigste Betriebszweig auf dem Buchackerhof sind, wird im Gespräch doch deutlich: Das Herz von Lukas Villiger schlägt für die Milchkühe. Das gilt ebenso für seine Frau Mathilde, die ursprünglich aus dem Fribourgischen kommt, der Schweizer Hochburg der Holsteinrasse. Die Faszination scheint schon auf die nächste Generation übergesprungen zu sein. Der sechsjährige Sohn Noah ist beim Besuch der Zeitung zwar in der Schule, die vierjährige Anaïs klettert im Stall allerdings selbstbewusst über das Tor zu den Kälbchen, derweil die bald jährige Nolwen die Äuglein kaum von den Tieren abwenden kann.
Erfolgsgeschichte
Das 50-Jahr-Jubiläum des Holsteinzuchtvereins Oberfreiamt wurde diesen Sommer auf dem Hof der Familie Bürkli in Muri gefeiert. Rund 100 geladene Gäste – Mitglieder mit ihren Familien, Milchwäger und Sponsoren – genossen einen launigen Anlass bei tollem Wetter. «Wir hatten nur positive Rückmeldungen», so Lukas Villiger.
Als Gastreferent liess Markus Hitz, Mitgründer der Aargauer Holsteinzuchtgenossenschaft und prägende Persönlichkeit der Entwicklung der Holsteinrasse in der Schweiz, die Pionierzeit und die beeindruckenden Fortschritte Revue passieren. Lobende Erwähnung finden unter anderem die Holsteinausstellungen der Freiämter Viehzuchtgenossenschaft Maiengrün.
«Die Schweiz ist das Holsteinland par excellence», so das Fazit von Hitz. So sei die hiesige Holsteingenetik erfolgreich und selbst im Ausland gefragt. Als Paradebeispiel nennt er den Schweizer Holsteinstier O’Kaliber. Er ist der Vater der zweifachen Weltsiegerkuh «Erbacres Snapple Shakira».



