Mehr Zeit für die Kunden haben
19.08.2025 Region Unterfreiamt, GewerbeDie Berg-Apotheke in Villmergen setzt auf einen Dosierroboter
Das Dosieren der verschiedenen Medikamente für eine ganze Woche war bisher Handarbeit. In Zukunft soll ein Roboter diese zeitaufwendige Arbeit übernehmen. Das bringt mehr Sicherheit, zieht weniger ...
Die Berg-Apotheke in Villmergen setzt auf einen Dosierroboter
Das Dosieren der verschiedenen Medikamente für eine ganze Woche war bisher Handarbeit. In Zukunft soll ein Roboter diese zeitaufwendige Arbeit übernehmen. Das bringt mehr Sicherheit, zieht weniger Abfall nach sich und ermöglicht es, das Personal da einzusetzen, wo es Sinn macht – beim Kunden.
Chregi Hansen
Selbst in den Sommerferien herrscht in der Berg-Apotheke Hochbetrieb. Gefühlt im Minutentakt öffnen sich die Türen und kommen neue Kunden vorbei mit einem Rezept oder einer Frage. An nicht weniger als sieben Verkaufstheken plus Drive-in-Schalter werden sie bedient. «Unser Ziel ist, dass niemand lange warten muss. Dazu müssen die Abläufe möglichst gut organisiert sein», erklärt Pascal Jost, der die Apotheke zusammen mit seinem Bruder Alain führt.
Dazu gehören auch die Arbeiten im Hintergrund. Das Bereitstellen der Medikamente beispielsweise. Oder das Bestellen derselben, so machen seit Jahren Lieferprobleme der Apothekerschaft das Leben schwer und verursachen immensen Mehraufwand. Aber auch das Bestücken der Wochenblister gehört dazu. Darunter versteht man die Medikamentenboxen, die eine komplette Wochenration enthalten, schön aufgeteilt nach Einnahmezeitpunkten (Morgen, Mittag, Abend, Nacht). Je nach Patient kommt da ganz schön viel zusammen, müssen unterschiedliche Medikamente zu unterschiedlichen Zeiten eingenommen werden. «Gerade ältere Menschen können ein Durcheinander bekommen, was sie wann nehmen sollen. Da bieten die Blister Sicherheit», weiss Apotheker und Geschäftsführer Pascal Jost.
Bisher viel Handarbeit nötig
Bis zu 180 Blister pro Woche stellt das Team zusammen. Einerseits für Privatpersonen, aber auch für Heime, allen voran die Obere Mühle in Villmergen. Tendenz steigend. Denn bis 2050 dürfte sich die Anzahl der über 80-Jährigen in der Schweiz verdoppeln. Bisher erfolgte das Bestücken der Wochenblister von Hand. «Das braucht Zeit. Und diese Mitarbeitenden fehlen dann im direkten Kundenkontakt oder für andere administrative Arbeiten», erklärt Betriebsökonom Alain Jost. Darum stellten sich die beiden Brüder die Frage, ob sich diese Arbeit nicht automatisieren lasse. «Es gab schon früher automatisierte Dosiersysteme, die waren uns aber nicht flexibel genug. Nun gibt es aber einen Roboter, der uns total überzeugt hat», so Pascal Jost.
Holländisches Modell hat Pascal Jost überzeugt
VBM 200F heisst der Roboter der holländischen Firma Global Factories, der seit einigen Wochen in Villmergen intensiv getestet wird. Das Team hat ihm den Namen Wobli gegeben, als Kurzform von Wochenblister. «Wir haben einen Wettbewerb durchgeführt. Wobli hat die meisten Stimmen erhalten und hat sich gegen andere Vorschläge wie Pillepeter durchgesetzt», erklärt Alain Jost schmunzelnd. «Das Gerät ist in anderen Ländern schon länger auf dem Markt, ist ausgereift und bewährt. In der Schweiz ist die Berg-Apotheke hingegen erst der vierte Betrieb, der diesen Roboter einsetzt. Er hat sogar die Bewilligung der strengen amerikanischen Gesundheitsbehörden», ergänzt Pascal Jost.
Seit Mai steht der Automat jetzt in der Villmerger Apotheke, ein kleines Team von fünf Mitarbeitenden testet ihn auf Herz und Nieren und etabliert die nötigen Abläufe. «Aktuell lassen wir erst einen Teil der Blister durch den Roboter herstellen, die anderen weiterhin von Hand. Aber die bisherigen Erfahrungen mit der Maschine sind sehr positiv», erklärt Pascal Jost. Ein kleines Problem sei, dass die von Wobli hergestellten Blister etwas anders aussehen als die bisherigen. Gerade ältere Menschen sind sich aber ihre Box gewohnt und tun sich vereinzelt schwer mit der Umstellung. Für sie wird weiterhin von Hand geblistert. Aber auch beim Einsatz der Maschine geht es nicht ohne Personal. Ein Teil der Medikamente muss nach wie vor von Hand ergänzt werden, auch die Endkontrolle wird weiterhin durch eine Apothekerin durchgeführt. Selbst wenn der interne Scanner quasi fehlerfrei arbeitet. «Da geht es auch um die Verantwortung bei der Medikamentenabgabe», macht Pascal Jost deutlich.
Trotzdem sehen die beiden Brüder im Roboter grosses Potenzial. Mit ihm lassen sich in Zukunft viel mehr Blister vorbereiten. Und die Nachfrage könnte schon bald steigen. Nicht nur wegen der demografischen Entwicklung. Sondern auch wegen der laufenden Revision des Tarifvertrags «Leistungsorientierte Abgeltung» (LOA). Da diese ein neues Finanzierungsmodell vorsieht, wird angenommen, dass mehr Heime das Blistern an die Apotheken auslagern. «Wenn das kommt, wollen wir bereit sein, um die grössere Nachfrage bewältigen zu können», sagt Pascal Jost.
200 Medikamente im Innern gespeichert
Dann kommt der grosse Moment: Gemeinsam geht es in den Raum, in dem Wobli gerade an der Arbeit ist. «Wir mussten die Tür vergrössern, damit wir ihn hineinstellen konnten», erklärt Alain Jost. Dabei wirkt die Maschine gar nicht so gross, aber sehr futuristisch. In ihrem Innern enthält sie bis zu 200 verschiedene Medikamente in speziellen Kartuschen, die individuell an die Tabletten angepasst sind, sodass exakt dosiert werden kann. Die Kartuschen werden regelmässig aufgefüllt. «Der Roboter trägt zur Vermeidung von Medikamentenabfällen bei, da wir immer die ganze Packung einfüllen und verwenden können», so Alain Jost. Auch das Auffüllen erfolgt vorerst von Hand.
Erfolgreiche Testphase
Der vorbereitete Blister enthält codiert den genauen Medikamentenplan des Patienten, der Roboter scannt den Plan und füllt die Fächer auf. Ist er mit seiner Arbeit fertig, zeigt er an, falls Medikamente noch von Hand nachgefüllt werden müssen und in welche Fächer. Es sind solche Medikamente, die nicht Platz finden im Roboter oder aus Sicherheitsgründen nicht in einer Kartusche gelagert werden. Damit hier keine Fehler passieren, muss die Apothekerin oder die Assistentin die Packung zuerst einscannen, und die Maschine überprüft, dass es die richtige ist. Danach findet eine optische Überprüfung durch den Scanner statt. Dabei identifiziert und bestätigt Wobli jedes Medikament anhand von Grösse, Form und Farbe. Sind alle Pillen drin, wird der Blister noch korrekt verschlossen und bedruckt, sodass der Patient alle Angaben direkt auf der Box hat.
Die bisherigen Tests verlaufen sehr erfolgreich. Schon bald soll das Blisterteam erweitert werden. Ziel ist, den Roboter ab Herbst voll einzusetzen. Während eine gelernte Fachkraft maximal 8 Blister pro Stunde schafft, kommt der Roboter im Optimalfall auf 30 bis 40. Die so eingesparte Zeit kann für die Beratung der Kunden eingesetzt werden. Alain und Pascal Jost sind überzeugt, dass sich die Investition lohnt. «Auch wir spüren den Fachkräftemangel. Darum müssen wir attraktive Arbeitsplätze bieten und innovativ bleiben. Dort, wo es um echtes Zuhören, Mitgefühl und individuelle Beratung geht, braucht es Menschen. Für Routinetätigkeiten darf ein Wobli gerne einspringen», sagt Pascal Jost.