Mittelstand ist stabil geblieben
20.09.2024 Wirtschaft, Region Wohlen, Region Bremgarten, Region Unterfreiamt, Region OberfreiamtDie Banken – AKB, Raiffeisenbank, Hypothekarbank Lenzburg – zum allgemeinen Preiskampf
Krankenkasse, Gesundheit allgemein, Energie, Lebensmittel, Wohnen – viele Preise sind in den vergangenen Monaten und Jahren gestiegen. Wie stark spürt das die ...
Die Banken – AKB, Raiffeisenbank, Hypothekarbank Lenzburg – zum allgemeinen Preiskampf
Krankenkasse, Gesundheit allgemein, Energie, Lebensmittel, Wohnen – viele Preise sind in den vergangenen Monaten und Jahren gestiegen. Wie stark spürt das die Bevölkerung? Wie geht es dem Mittelstand? Die Banken als Gradmesser.
Daniel Marti
Haben Herr und Frau Schweizer wegen der allgemeinen Teuerung am Ende des Monats weniger Geld in der Tasche? Oder eben weniger Geld auf dem Bankkonto? Und wie geht es dadurch dem Mittelstand, leidet dieser besonders darunter?
Die Banken können das recht gut einschätzen. Michael Wertli, Regionalleiter der AKB in Wohlen, relativiert: «Die Teuerungsraten in der Schweiz sind in den letzten beiden Jahren glücklicherweise deutlich weniger stark angestiegen als in der Eurozone.» Somit seien die Auswirkungen auf die Preise in den Geschäften oder der Gastronomie auch weniger stark spürbar. «Und an die steigenden Gesundheitskosten wie bei den Krankenkassenprämien haben wir uns leider schon gewöhnen müssen.»
Bauchgefühl und Realität klaffen auseinander
Die Aargauische Kantonalbank habe jedoch festgestellt, «dass der Zufluss an Passivgeldern bei der AKB im ersten Halbjahr 2024 geringer war als in der Vorjahresperiode». Dies könne durchaus darauf hindeuten, «dass unsere Kundinnen und Kunden mehr Geld für den Konsum, Wohnen und andere Güter und Dienstleistungen ausgegeben haben», so Wertli.
So ziemlich alle spüren den Preiskampf. Ob es dadurch dem Mittelstand besser oder eher schlechter geht, könne nicht schlüssig beantwortet werden. «Hier klaffen offenbar Bauchgefühl und Realität auseinander», glaubt Wertli. In zahlreichen Medien werde oft festgestellt, dass die steigende Inflation dafür sorgt, dass es dem Schweizer Mittelstand immer schlechter gehe. «In Tat und Wahrheit», so Michael Wertli, «sprechen die harten Fakten eine andere Sprache.» Gemäss Bundesamt für Statistik ist der Anteil des Schweizer Mittelstands «stabil geblieben».
«Viele müssen den Gürtel enger schnallen»
Für Erich Füglistaler, Vorsitzender der Bankleitung der Raiffeisenbank in Wohlen, «ist die Teuerung in der Schweiz deutlich spürbar, hauptsächlich in den Bereichen Wohnen, Essen und Reisen. Den Höhepunkt erreichte die Inflationsrate im August 2022, mit 3,5 Prozent so hoch wie seit Anfang der 1990er-Jahre nicht mehr. Allein im vergangenen Jahr haben sich die Preise um rund 2,1 Prozent erhöht.» Fürs Jahr 2024 wird eine Teuerung von rund 1,5 Prozent erwartet. «Viele Menschen müssen den Gürtel enger schnallen und ihr verfügbares Geld besser einteilen», weiss Füglistaler. «Dabei spüren Haushalte mit einem monatlichen Einkommen von weniger als 5000 Franken die Inflation besonders stark, jetzt, aber auch in Zukunft.» Denn je kleiner das Einkommen sei, desto kleiner auch der verfügbare Sparbetrag.
Der Teuerungs- und Preiskampf zeigt laut Füglistaler Spuren. «Leider gibt es Unternehmen und Privatpersonen, die dadurch belastet werden.» Befragungen und Kundengespräche zeigen aber, «dass sich der Mittelstand insgesamt nach wie vor wohlfühlt». Gemäss der Mittelstandstudie 2024 der Schweizer KMU, die mit der Raiffeisen als Partnerin durchgeführt wurde, «sind die Unternehmen optimistischer für die künftige wirtschaftliche Entwicklung als im Vorjahr».
Im laufenden Jahr wieder mehr Geld auf dem Konto
Auch Reto Huenerwadel, Direktor des Bereichs Marktleistungen bei der Hypothekarbank Lenzburg AG, verweist wie Michael Wertli darauf, dass sich die Preisanstiege «zuletzt relativiert» haben. Stichwort: Energiekosten, die runtergekommen sind. «Gleichzeitig verlief die Reallohnentwicklung 2023 gemäss den Daten des Bundesamts für Statistik je nach Sektor unterschiedlich. Am schlechtesten haben wissenschaftliche und technische Tätigkeiten abgeschnitten, am besten die Jobs in der öffentlichen Verwaltung», so Huenerwadel. Die Bandbreite der Reallohnentwicklung schwankte 2023 je nach Branche zwischen minus 2,4 und plus 1,5 Prozent. Im Schnitt über alle Branchen gingen die Reallöhne um 0,4 Prozent zurück.
«Diese Entwicklungen spiegelten sich auch auf den Konten unserer Kundinnen und Kunden», so Huenerwadel. «Im laufenden Jahr rechnen wir mit einer positiven durchschnittlichen Reallohnentwicklung.» Dies bedeutet, dass die Menschen im Schnitt im laufenden Jahr «am Ende des Monats wieder mehr Geld auf dem Konto haben werden.»
Unter den signifikanten Preisanstiegen habe der «untere Mittelstand am stärksten gelitten», glaubt Reto Huenerwadel, «zudem haben Personen, die keinen Inflationsausgleich erhalten, grössere finanzielle Herausforderungen als Personen mit Inflationsausgleich», so Reto Huenerwadel abschliessend.
«Das sind doch gute Nachrichten»
Hypothekarzinsen sind in Bewegung: Prognosen der Chefs der AKB, Raiffeisenbank und Hypothekarbank Lenzburg
Tiefere Hypothekarzinsen werden allgemein dem Bausektor und dem Immobilienmarkt entgegenkommen, betonen die Banken. Die Lage bleibt trotzdem angespannt – auch wenn die Prognosen eher verhalten positiv sind.
Der Hypothekarzins geht nach längerem Aufwärtstrend eher wieder etwas zurück. Das bedeutet, dass Eigenheime für die Kunden wieder besser erschwinglich und tragbar sind. Wie wichtig ist eine allfällige Hypozins-Reduktion im Herbst und Winter und schafft sie auch zusätzliche Anreize? Die drei Banken – AKB, Raiffeisenbank und Hypothekarbank Lenzburg – geben Auskunft.
Michael Wertli: «Baukosten immer noch auf hohem Niveau»
«Ein Rückgang des Zinsniveaus und damit auch der Hypothekarzinsen sorgt dafür, dass der Referenzzinssatz für Mietobjekte nicht mehr weiter steigt. Dies sorgt wiederum für eine leichte Entlastung bei den in den letzten Monaten spürbar gestiegenen Mietpreisen», sagt Michael Wertli, Regionalleiter der Aargauischen Kantonalbank in Wohlen. Inwiefern Wohneigentum in der Gesamtrechnung tatsächlich erschwinglicher geworden sei, werde sich zeigen. «Die Preisanstiege am Immobilienmarkt in den letzten drei Jahren waren doch enorm und die Baukosten befinden sich ebenfalls immer noch auf hohem Niveau. So gesehen helfen tiefere Hypothekarzinsen. Aber die Gesamtfinanzierungskosten dürften, wenn überhaupt, nur wenig sinken.»
Erich Füglistaler: «Überhitzung hat sich abgekühlt»
Die sinkende Tendenz bei den Hypothekarzinsen werde dazu beitragen, «dass die Bautätigkeit zunimmt und wieder mehr Wohnraum geschaffen wird. Das ist für das Freiamt wichtig», sagt Erich Füglistaler, Vorsitzender der Bankleitung der Raiffeisenbank Wohlen. Auch werde der Kauf von Wohneigentum «sicherlich wieder attraktiver als Wohnen zur Miete», so Füglistaler weiter. «Denn mit den Zinserhöhungen ab Anfang 2022 hatte sich die Überhitzung des boomenden Immobilienmarktes im Freiamt deutlich abgekühlt.» Füglistaler ist überzeugt davon, dass die «anhaltend hohe Zuwanderung und die Bauflaute die Wohnungsknappheit verschärfte, was die Mietpreise in die Höhe trieb.
Dagegen betont Reto Huenerwadel, Ökonom und Direktor des Bereichs Marktleistungen bei der Hypothekarbank Lenzburg AG, dass mit den Zinsen auch die Finanzierungskosten sinken.
Huenerwald: «Häusermarkt bleibt angespannt»
Huenerwadel weiter: «Aber die Immobilienpreise steigen gleichzeitig weiter an. Man dürfte erwarten, dass mit den sinkenden Finanzierungskosten die Nachfrage angekurbelt wird und die Preise für Eigenheime weiter steigen werden.» Laut Huenerwadel profitieren von den sinkenden Hypozinsen die bestehenden Immobilienbesitzer. «Wer hingegen eine Immobilie kaufen will, bekommt auch die steigenden Preise zu spüren und profitiert von den sinkenden Hypothekarzinsen weniger stark oder gar nicht. Die Situation auf dem Häusermarkt bleibt damit weiterhin angespannt.»
Und noch bitte eine Prognose von den drei Experten: Wo liegt der Hypothekarzins mittel- und langfristig?
Michael Wertli: Aus heutiger Sicht rechnet die AKB in den kommenden Monaten mit weiteren Leitzinssenkungen und damit tieferen Saron-Sätzen.
Somit werden auch die Saron-Hypotheken entsprechend tiefer liegen. Wir erwarten bis Mitte kommenden Jahres einen Saron-Satz von rund 0,5 Prozent, der als Basis für die Berechnung der Saron-Hypotheken, plus die individuelle Marge, dient. Die Festhypotheken-Sätze dürften nur leicht höher liegen, sodass die Gesamtkosten für eine 10-jährige Festhypothek Mitte des kommenden Jahres rund 0,5 Prozent über derjenigen der Saron-Hypotheken liegen sollten.
Erich Füglistaler: Unsere Expertinnen und Experten gehen dieses Jahr noch von einer weiteren Leitzinssenkung auf ein Prozent aus. Im kommenden Jahr wird nochmals mit zwei Zinsschritten von je 0,25 Prozent gerechnet. Die Konditionen für die mittel- und langfristigen Festhypotheken dürften sich daher weitgehend abwärts bewegen. Im Falle der erwarteten Zinssenkung sinken die Konditionen für Saron-Hypotheken im Gleichschritt zum Leitzins. Das sind gute Nachrichten für Eigenheimbesitzer und Bauprojekte.
Reto Huenerwadel: In der Regel geht man davon aus, dass sich der Hypozins aus dem neutralen Zinssatz plus einer Risikoprämie für die Kreditnehmerinnen und Kreditnehmer zusammensetzt. Der neutrale Satz entspricht dem Produktivitätswachstum, das mit dem realen Wachstum des Bruttoinlandprodukts gleichgesetzt werden kann. Dieses beträgt derzeit rund 1,5 bis 2 Prozent. Bei einem Risikozuschlag von 1 Prozent kommen wir auf einen Zinssatz von rund 2,5 bis 3 Prozent für eine zehnjährige Festhypothek. Mit den aktuellen Hypozinsen liegen wir derzeit unter dem langfristigen Durchschnitt. --dm