Noch heute ist sie ein Vorbild
17.05.2024 Region Oberfreiamt, AuwEine Frau mit Strahlkraft
Vor 100 Jahren starb die Heilige Maria Bernarda aus Auw
Die Freiämterin Maria Bernarda wurde für ihre Wunder heiliggesprochen. Dafür wird sie noch heute in Südamerika verehrt.
...Eine Frau mit Strahlkraft
Vor 100 Jahren starb die Heilige Maria Bernarda aus Auw
Die Freiämterin Maria Bernarda wurde für ihre Wunder heiliggesprochen. Dafür wird sie noch heute in Südamerika verehrt.
Celeste Blanc
«La tierra santa» – die heilige Erde. Was für viele in der Region vermutlich kein Begriff ist, dient hingegen Ordensschwestern, Pilgern sowie dem Erzbischof aus dem kolumbianischen Cartagena als Beschreibung eines zentralen Ortes: Auw, dem Geburtsort der Heiligen Maria Bernarda. Die Verehrung jener Frau, die nicht nur Wunderheilungen vollbracht haben soll, sondern durch ihr Wirken in Teilen Südamerikas auch die Schulen, Krankenhäuser und Heime mitprägte, ist 100 Jahre nach ihrem Tod praktisch ungebrochen. «Dass diese Strahlkraft bis heute so stark anhält, ist etwas ganz Besonderes», weiss Gerry Imbach vom Verein Maria Bernarda.
Spuren hinterlassen
1848 als Verena Bütler im Oberfreiamt geboren, verliess sie ihre Heimat mit 19 Jahren, um im Namen Gottes das Evangelium in die Welt zu tragen. Aus finanziell gutem Hause stammend, entschied sie sich für ein Leben in Armut. Sie heilte Menschen – dafür wurde sie 1995 zuerst selig –, 2008 dann vom Vatikan heiliggesprochen. Vor allem aber wirkte sie, die ihre Spuren hinterlassen hat, in sozialer Weise. Zum 100. Todestag blickt diese Zeitung auf das Leben der Heiligen.
Kommenden Sonntag, 19. Mai, jährt sich der Todestag von Maria Bernarda zum 100. Mal
1848 als Verena Bütler geboren, wird die Franziskaner-Schwester Maria Bernarda heute für ihre Taten vor allem in Südamerika verehrt. 2008 wurde sie deshalb vom Vatikan heiliggesprochen. Eine besondere Geschichte, die ihren Ursprung im Freiamt hat.
Celeste Blanc
Der 12. Oktober 2008, er ist ein besonderer Tag: Tausende Gläubige haben sich auf dem Petersplatz versammelt, um der Oberin und Ordensgründerin Maria Bernarda Anerkennung und Ehrfurcht zu zollen. Dabei lauschen sie nicht nur den Ausführungen des amtierenden Papstes Benedikt XVI., sondern auch der Blasmusik, die so bisher noch nie im Vatikan über den Platz wehte. Als erste Brassband überhaupt spielt an diesem schönen Herbsttag die Musikgesellschaft Auw ein Ständchen für ihre wohl berühmteste Bürgerin. Denn der Freiämterin, die als Verena Bütler das Licht der Welt erblickte, wird in diesem Augenblick die grösste Ehre im christlichen Glauben zuteil: Sie wird für ihre vollbrachten Wunder heiliggesprochen. Und das 84 Jahre nachdem die Franziskaner-Oberin im kolumbianischen Cartagena gestorben ist.
Von Menschlichkeit und pädagogischem Verständnis
Dort, in Südamerika, hatte Maria Bernarda Anfang des 20. Jahrhunderts ihre Bestimmung gefunden. Nebst der Gründung eines Filialklosters des sankt-gallischen Altstätter Maria-Hilf-Klosters in Ecuador führte sie ihr Weg nach Kolumbien und Brasilien, wo sie verschiedene Schulen, Spitäler und Heime gründete. Insgesamt 36 Jahre wirkte Maria Bernarda in Lateinamerika, wo die Glaubensschwester in ihrer Person heute noch grosse Verehrung erfährt. «Eine faszinierende Geschichte», meint Gerry Imbach. Er war damals einer der Musikanten gewesen, die auf dem Petersplatz spielen durften – und das sollte für ihn der Startschuss eines leidenschaftlichen Engagements sein. «Im Grunde genommen bin ich ein ‹Sonntags-Katholik› gewesen, der vor allem an Feiertagen in die Kirche gegangen ist», lacht er. Bis dato habe er praktisch keine Berührung mit der Geschichte der Auwer Heiligen gehabt. «Doch je mehr ich daraufhin von ihr erfuhr, desto mehr hat es mich gepackt. Ich habe durch diese Geschichte meinen Glauben gefestigt. Wobei mich nicht nur unbedingt das ‹göttliche Wirken›, sondern die weltliche Ausstrahlungskraft, die ihre Taten bis heute haben, inspiriert hat.»
Nebst ihrem starken Glauben an Gott zeichnete sich Maria Bernarda vor allem durch Menschlichkeit und einen sozialen Geist aus. So setzte sie sich für eine adäquate Pflege von Kranken ein, wies sich durch ein progressives pädagogisches Verständnis aus und etablierte moderne pflegerische Konzepte. Ein Aspekt, der bis heute zu wenig beleuchtet wurde, so Imbach. Denn er ist überzeugt: «Ihr soziales Wirken ist einer der Grundpfeiler für ihre Verehrung.»
Pädagogisches Verständnis geprägt
Zu beobachten sei dies vor allem in den Schulen, etwa im «Collegio Biffi» in Cartagena, das Gerry Imbach selbst besuchen konnte. Mitte des 19. Jahrhunderts zeichnete sich die damalige Schulphilosophie vor allem durch die (körperliche) Strenge aus. Maria Bernarda hingegen förderte die Kreativität sowie den liebevollen Umgang miteinander, förderte die Qualität des Unterrichts. Auch heute noch funktioniert die Schule nach diesen Punkten. Interessant dabei: Im «Biffi» zahlen die reichen Familien für den Schulbesuch ihrer Kinder und subventionieren somit die Kinder aus armen Familien quer. «Das zeigt, wie hoch der Qualitätsstandard ist, sonst würden die Eltern nicht bezahlen.» Auch wenn man bei der Beschäftigung mit Maria Bernarda nicht mit allen Ansichten, welche sie teilte, einverstanden sein muss, habe sie in dieser Hinsicht Grosses geleistet. «Dass ihre Tat- und Wirkungskraft so in dieser Form heute noch besteht, ist in dieser Form sicherlich einzigartig.» Denn diese wurde auch in anderen Ländern wie Ecuador oder Brasilien übernommen.
In Südamerika prägte Maria Bernarda also die Ausrichtungen der Schulen – zu Hause in Auw, wo sie als Verena Bütler die Schulbank drückte, war sie hingegen alles andere als eine Spitzenschülerin. Dies erstaunt in Anbetracht ihres ökonomischen Verständnisses. So florierte das Kloster Maria Hilf unter ihr als Oberin stark sowie die sozialen Institutionen, die sie in Lateinamerika aufbaute. «All dies indiziert, dass sie eine gute Unternehmerin war.»
Solidarisch mit armen Menschen
Fröhlichkeit, grosses Charisma, ein liebevoller Umgang mit den Menschen – dass man heute so viel über den Charakter der Heiligen weiss, ist vor allem der Arbeit von Pater Beda Mayer zu verdanken. Unter seiner Leitung wurden in den 1950er-Jahren viele Dokumente, Zeugenaussagen sowie Quellen zusammengetragen, mit denen dem Vatikan ein Antrag auf die Seligsprechung von Maria Bernarda beantragt wurde. Diese wurde ihr 1995 zugesprochen, 13 Jahre später folgte für die Heilung einer weiteren Person dann die Heiligsprechung. «Hier wurde starkes ‹Lobbying› aus dem Schweizer Kapuziner-Orden betrieben, damit diese Heiligsprechung erfolgte», so Imbach. So bestätigen Zeugenaussagen aus dem Archiv die Heilungen durch Maria Bernarda. Auch zeichnen die Quellen eine hingebungsvolle Christin, die in ihrem Glauben und Vertrauen in Gott felsenfest war. Und die dadurch ihr Leben und ihr Missionarswirken in den armen Ländern dieser Welt ausüben wollte. So habe sie bei der Ankunft in Ecuador ihr letztes Geld verschenkt, um in «franziskanischer Bescheidenheit» einen Neustart anzugehen. Dies ist in Anbetracht ihrer Herkunft aus einer wohlhabenden Auwer Familie ein nicht ganz alltäglicher Werdegang. Und ein Charakterzug, der sich bereits in jungen Jahren manifestierte: Schon in ihrer Jugend zeigte sie sich in Auw mit den armen Mitmenschen solidarisch.
Nach Auw kehrte sie nie wieder zurück
Mitte des 19. Jahrhunderts war das Freiamt geprägt von Armut. Diese verbesserte sich zwar mit dem Aufkommen der Viehwirtschaft – dennoch suchten viele Menschen in dieser Zeit durch das Auswandern ein besseres Leben in der Fremde. Die Familie Bütler «Meissnen» aus Auw zählte hingegen zu den eher wohlhabenden Familien des Dorfes. Eine typische Grossfamilie, wo Maria auf dem Elternhof mit der Grossmutter, den Eltern, fünf Geschwistern, fünf Onkeln, drei Tanten und sechs Cousinen und Cousins aufgewachsen war.
Im Geburtshaus von Verena Bütler, das heute noch in Auw besteht und jährlich zahlreiche Besucherinnen und Besucher aus der ganzen Welt anzieht, wird den Armen immer wieder Essen vor die Tür gestellt. «Aussagen aus der damaligen Zeit zufolge soll Verena noch immer ein zusätzliches Stück Brot hinausgelegt haben», weiss Imbach. Dieses frohe, menschenfreundliche Gemüt – es wurde fortan zur Grundlage von Maria Bernardas Wirken. Mit dem Empfang der Kommunion gab sich die junge Frau fortan Gott hin. Auch kleidete sie sich – entgegen dem Stand der Familie – fortan ärmlich. Mit 19 Jahren verliess sie ihre Heimat Auw, um im Kloster Maria Hilf in Altstätten einzutreten, von wo sie 20 Jahre später auf einer zweimonatigen Reise über Frankreich mit dem Schiff Panama und von dort Ecuador erreichte. Ins Freiamt zurückgekehrt ist die Auwerin hingegen nie wieder. Lediglich durch regen Briefwechsel hielt sie den Kontakt zur Familie und damit in die Gemeinde. «Auch deshalb ist ihr Wirken in Auw weniger präsent: Das tatsächliche Wirken fand in Südamerika statt.
Auch heute noch ein Vorbild
Weil Verena Bütler in jungen Jahren ihre Heimat verlassen hat, sei ihre Präsenz im Freiamt weniger zu spüren. Kommt hinzu, dass sich seither in Europa eine starke Individualisierung des Glaubens zugetragen habe, gepaart «mit einer fortschreitenden Gleichgültigkeit», so Imbach. Gerade diese beiden Punkte stellen den Verein in seiner Hauptaufgabe – dem Aufrechterhalten ihres Andenkens – vor Herausforderungen. Gleichzeitig sei das individuelle Pilgern immer mehr im Kommen. Und zieht gerade wegen Maria Bernarda die Menschen aus der ganzen Welt nach Auw. Und so sei ihre Person im Freiamt, auch wenn nicht gross, immer wieder greifbar.
Dies merkt man auch seitens des Gemeinderats, wie Marlis Villiger bestätigt. Auch wenn die Zahlen nicht mehr so hoch sind wie zur Zeit der Heiligsprechung, finden heute noch viele Pilger ihren Weg ins Freiamt. «Dass sich eine solche Persönlichkeit aus der eigenen Mitte hervorgetan hat, erfüllt uns mit Stolz und Dankbarkeit», so Villiger. «Ihr Wirken kann heute jedermann und jederfrau, ob gläubig oder nicht, als Beispiel und Inspiration dienen. Auch deshalb sollte ihre Bedeutung gerade auch von uns heute nicht unterschätzt werden.»
In franziskanischer Bescheidenheit
Im Alter von 76 Jahren starb Maria Bernarda am 19. Mai 1924. Nicht nur verabschiedeten sich Tausende zu ihrem Todestag – auch die Übertragung in die Grabkirche 1956 wurde von Tausenden Menschen begleitet. Definitiv kleiner wird der Gedenktag am kommenden Sonntag ausgetragen, an dem zum Gedenkgottesdienst mit anschliessender Feier eingeladen wird.
Und auch wenn in der Schweiz und im Freiamt der Individualismus verbreitet und die Religion in den Hintergrund gerückt ist, ist Maria Bernarda noch immer bei den Menschen präsent: Die Gedenkfeier mit begrenzter Platzzahl ist schon seit drei Wochen ausgebucht.
Der Festgottesdienst findet am Pfingstsonntag, 19. Mai, um 10 Uhr in Auw statt.