Thomas Stöckli, Redaktor.
6,1 Kilometer Stau vor dem Gotthard-Südportal. Für manche Ferienrückkehrer aus dem Tessin und dem Mittelmeerraum war das am Wochenende harte Realität. Der letzte Akt einer Reise von der ...
Thomas Stöckli, Redaktor.
6,1 Kilometer Stau vor dem Gotthard-Südportal. Für manche Ferienrückkehrer aus dem Tessin und dem Mittelmeerraum war das am Wochenende harte Realität. Der letzte Akt einer Reise von der sommerlich heissen Alpennordseite in den noch viel heisseren Süden. Und das in der Jahreszeit, in der man auch hier kaum aus dem Schwitzen herauskommt. Weshalb sich das so viele antun? Jedes Jahr wieder? Das werde ich nie verstehen. Muss ich ja auch nicht.
Wie schön ist es, an einem lauen Sommerabend das Söriker Tobel hoch zu spazieren. Durch eine Gegend, die schon Caspar Wolf, den hiesigen Pionier der Hochgebirgsmalerei, zu inspirieren vermochte. Und in jüngerer Zeit etwa die Macher des Kinderbuchs «Chnorrlimorrli». Im Schatten der Baumriesen ist hier das einzig Schweisstreibende der Anstieg. Dafür wird man durch den tosenden Bachlauf entschädigt, mit seinem kühlen, klaren Wasser. Und, ganz oben angekommen, mit dem Blick über das Klosterdorf und in die Weite.
«Wer das Orchester führen will, muss der Menge den Rücken kehren», soll schon der klassisch-griechische Philosoph Aristoteles erkannt haben. Wenn sich jemand ausserhalb der üblichen Verhaltensmuster bewegt, spricht man von antizyklischem Verhalten. Während am fernen Strand oder in der örtlichen Badi die verschwitzten Körper dicht an dicht liegen, die Haut an der Sonne brutzelt, fristen die wahrhaft Kühle spendenden Flecken in der Natur wortwörtlich ein Schattendasein. Zum Glück für jene, die sie zu schätzen wissen – und kaum zu teilen brauchen.
Von Albert Einstein ist folgende Aussage überliefert: «Wer der Masse folgt, wird nicht viel weiter kommen als die Masse selbst. Der, der alleine geht, wird an Orten ankommen, an denen noch nie jemand war.» Ein solcher Ort ist das Söriker Tobel sicher nicht. Und im Sinne der Natur wäre es auch nicht, wenn nun alle auf der Suche nach einem unentdeckten Fleck durch die hiesigen Wälder streifen. Und doch lohnt es sich, die Schönheit der Region wertzuschätzen. Das schliesst die Reise nach Süden nicht aus. Aber wenn schon, dann lieber im Frühling oder im Herbst. Nicht nur wegen des Staus am Gotthard.