«Viele profitieren davon»
20.09.2024 Wirtschaft, Region Wohlen, Region Bremgarten, Region Unterfreiamt, Region OberfreiamtKrankenkasse-Birchmeier-Geschäftsführer Markus Steinmann erklärt die Kostensteigerungen im Gesundheitswesen
Jahr für Jahr steigen die Prämien der obligatorischen Krankenkasse an – teilweise gar massiv. Die Krankenkasse Birchmeier hat ihren ...
Krankenkasse-Birchmeier-Geschäftsführer Markus Steinmann erklärt die Kostensteigerungen im Gesundheitswesen
Jahr für Jahr steigen die Prämien der obligatorischen Krankenkasse an – teilweise gar massiv. Die Krankenkasse Birchmeier hat ihren Sitz in Künten und betreut rund 4000 Kunden. Deren Geschäftsführer Markus Steinmann nennt die Treiber dieser ständigen Kostenexplosion.
Roger Wetli
«Die Möglichkeiten der Krankenkassen sind sehr beschränkt, der Kostensteigerung im Gesundheitswesen entgegenzuwirken. Dasselbe gilt auch für die Versicherten. Sie sollten zwar nicht sofort zum Arzt, eine Früherkennung bei Krankheiten ermöglicht aber, rasch einzugreifen und teure Folgekosten zu vermeiden», erklärt Markus Steinmann. Er betont, dass das Gesundheitssystem komplex ist und verschiedene Kostentreiber die Prämien steigen lassen. «Zum Beispiel bezahlen wir im Vergleich zum Ausland in der Schweiz für dieselben Medikamente massiv mehr. Es fehlt offensichtlich der politische Willen, das zu unterbinden.» Ein weiterer Faktor sei, dass die Bevölkerung immer älter werde und darum länger höhere Pflegekosten anfallen. «Ein Treiber ist aber auch die Einwanderung. Zwar zahlen diese Leute ebenfalls Prämien. Sie beziehen aber schneller Leistungen und entscheiden sich oft für tiefere Franchisen. Einheimische dagegen zahlen oft über längere Zeit ein, ohne dass sie das Gesundheitswesen benötigen, und ermöglichen so die Querfinanzierung von teureren Fällen.»
2023 durchschnittlich 5 Prozent höhere Pro-Kopf-Ausgaben
Der Geschäftsführer betont, dass die Prämienentwicklung auch die ständig steigenden beanspruchten Gesundheitskosten widerspiegeln. «Die durchschnittlichen Pro-Kopf-Auszahlungen stiegen in unserer Krankenkasse pro Versicherten im Jahr 2023 um 5 Prozent. Wollen wir kostendeckend arbeiten, müssen wir diese zusätzlichen Ausgaben unseren Kunden mit höheren Prämien weiterverrechnen.»
Markus Steinmann ist überzeugt, dass es etliche Möglichkeiten geben würde, um Kosten zu sparen. «Das Problem ist, dass viele Personen von diesen Geldströmen profitieren und einen Teil davon in politische Arbeit reinvestieren. Diese Interessenvertreter möchten in ihren Teilbereichen nicht sparen und verteidigen sie.»
Schuld an den steigenden Kosten trage aber auch die Kostenaufteilung Kanton/Versicherer. «Das Bestreben, Spitalbehandlungen ambulant statt stationär, also ohne statt mit Übernachtungen, durchzuführen, ist zwar grundsätzlich richtig. Dies, weil der anschliessende regelmässige Besuch der Spitex zu Hause günstiger ist als der lange Aufenthalt im Spital. Da wir als Krankenkasse bei ambulanten Behandlungen aber viel mehr Kosten übernehmen als bei stationären, treibt das die Prämien weiter stark nach oben.» Steinmann geht ins Detail: «Bei stationären Behandlungen übernimmt der Kanton 55 Prozent der Kosten und 45 Prozent die Krankenkasse. Im ambulanten Bereich wird die Leistung zu 100 Prozent durch die Krankenkasse bezahlt.» Würden beide Systeme gleich behandelt, würde das den Prämienanstieg verringern.
Einheitskrankenkasse nicht zielführend
Immer wieder flammt die Diskussion auf, für die obligatorische Krankenversicherung eine Einheitskasse einzuführen. Alle anderen Krankenkassen würden dann nur noch Zusatzversicherungen anbieten dürfen. Der Geschäftsführer der Birchmeier Krankenkassen ist gegen diese Idee. «Sie bringt nichts, da die Verwaltungsaufwände der Krankenkassen bei lediglich rund 5 Prozent der Gesamtkosten liegen – dies inklusive Angestelltenlöhne und Marketing. Die Kosten entstehen, bevor sie bei der Kasse abgerechnet werden. Unsere Arbeit führt nicht zu höheren Prämien. Zudem müssten die Abrechnungen auch von einer Einheitskasse durchgeführt werden.»
Willen zum Kostensparen
Markus Steinmann weiss, dass viele Entscheidungsträger den Willen bekunden, gegen die Kostensteigerung im Gesundheitswesen vorzugehen. «Unser Branchenverband Santé Suisse kämpft zum Beispiel dafür. Es dauert in der Schweiz aber lange, bis Reformen umgesetzt sind.»
Einen Spartipp für die Versicherten hat Steinmann aber doch noch: «Sie sollten Ihre Rechnungskopien unbedingt kritisch überprüfen. Denn nur Sie und Ihre Ärzte wissen, ob die abgerechneten Leistungen stimmen. Aufgrund der riesigen Menge an Rechnungen verfügen wir zwar über ein ausgeklügeltes, gut funktionierendes System und intervenieren, wenn uns etwas verdächtig vorkommt. Trotzdem können unsere Kunden mit einem kritischen Blick auf die Abrechnung verhindern, dass zu hohe, falsche oder nicht erbrachte Leistungen bezahlt werden.»