Welt ein klein wenig besser machen
08.04.2025 Region Unterfreiamt, Villmergen«Villmärgerle»: Nimmermüde Theaterfrau trifft auf erfolgreichen Jungunternehmer
Bereits zum 8. Mal lud der Kulturkreis zur Talkshow «Villmärgele» ein. Moderator Jörg Meier entlockte mit seiner sympathischen und raffinierten ...
«Villmärgerle»: Nimmermüde Theaterfrau trifft auf erfolgreichen Jungunternehmer
Bereits zum 8. Mal lud der Kulturkreis zur Talkshow «Villmärgele» ein. Moderator Jörg Meier entlockte mit seiner sympathischen und raffinierten Fragetechnik Hildegard Hilfiker, Präsidentin der Theatergesellschaft Villmergen, und Jungunternehmer Oliver Meyer so manch spannende und auch amüsante Antwort.
Britta Müller
Hildegard Hilfiker ist im Murianer Hasli als Bauernkind aufgewachsen, machte eine Lehre bei der Post und lebt heute mit ihrer Familie in Büttikon. Sie wohnt rund vier Kilometer von Villmergen entfernt. Wie also kommt sie zu einer Einladung in diese Villmerger Talkshow? «Weil sie eine Art Institution ist, die man in Villmergen einfach kennt», stellt Jörg Meier sie vor.
Sie ist an vorderster Stelle, wenn es ums Theater geht. Seit Jahrzehnten ist sie an unzähligen Produktionen für die Theatergesellschaft Villmergen in einem unermüdlichen Einsatz. Bekannte Theaterarrangements wie «Mit Chrüüz und Fahne» (2012) oder «Der Kammerdiener (2018) im altehrwürdigen Rösslisaal in Villmergen hat sie initiiert, organisiert und mitgespielt – zuletzt in «Under em Milchwald» (2023) im Chappelehof in Wohlen. Und kaum waren diese Aufführungen beendet, war sie als Präsidentin der Theatergesellschaft Villmergen (TGV) schon wieder in der Planung der nächsten Anlässe. «Aber heute darf ich einen Generationenwechsel ankündigen», sagte sie und strahlt dabei ins Publikum. «Der Vorstand der TGV will die jüngere Generation zum Zuge kommen lassen und somit wird Pascal Meier, der hier im Publikum sitzt, mein Nachfolger werden».
Vom Bischof ausgezeichnet
Hilfiker legt also ihr Amt als Präsidentin nieder, aber nicht das Theaterspielen. Denn mit den Hägglinger Freilicht-Theater 2026 stehen die nächsten Termine an. Nicht genug damit, kümmert sie sich als Sakristanin seit vielen Jahren um die St. Nikolaus-Kapelle in Büttikon. Dort sorgt sie für den Unterhalt und die Pflege der Kirchenräume – öffnet diese jeden Morgen und schliesst sie jeden Abend wieder ab. Seit ihr Mann Ernst im Ruhestand ist, unterstützt er sie dabei. Zudem ist sie «nebenbei» als Katechetin tätig. Dafür und für ihren langjährigen Einsatz im Namen der Kirche wurde Hildegard Hilfiker vom Bischof mit der Goldmedaille geehrt und ausgezeichnet.
Zahlen und Namen als Farben sehen
Man spürt es, Hildegard Hilfiker liebt Menschen und möchte ihnen sowohl über das Theater als auch durch den Glauben Räume zum Leben, Lachen, Nachdenken und Energietanken ermöglichen. Eigentlich sind ihr Engagement und ihr Einsatz für die Gesellschaft schon besonderes genug. Sie verfügt aber noch über eine weitere besondere Eigenschaft, die sicherlich nicht jedem geläufig ist. Jörg Meier verrät «dass sie Synästhesistin ist. Das bedeutet, sie kann Farben sehen, wenn sie Namen, Zahlen oder ein Datum hört.» Grosse Fragezeichen sind im Publikum zu sehen – wie soll das gehen?
Hildegard Hilfiker erklärt, dass sie es schon immer beherrscht hat und somit nicht anders kennt. In ihrem Gehirn findet eine Kopplung von Sinneswahrnehmungen statt und zeigt automatisch eine Farbauswahl, wenn sie bestimmte Dinge hört. Bei Oliver Meyer, dem heutigen Talk-Show-Gastkollegen, sieht sie die Farben Braun, Rot und Weiss. «Selbstverständlich wollen alle wissen, wie das geht und ob man das lernen kann, aber viel wichtiger: welche Farben ich bei Ihrem Vornamen sehe», lacht sie diese seltene Besonderheit weg.
Schon im Studium erfolgreiche Firma gegründet
Ihr Gesprächspartner Oliver Meyer hingegen sieht keine Farben, wenn er Namen oder Zahlen hört, nein, er sieht Dinge, welche die Welt ein bisschen besser machen können.
Nach dem Vorbild seiner Mutter wollte er nach der Schule Banker werden und absolvierte erfolgreich als KV eine Banklehre. Nachdem er im Private Banking arbeitete und dann seinen Dienst beim Militär leistete, entwickelte sich der Wunsch nach einem Studium. Zudem engagierte er sich früh bei den Jungfreisinnigen. «Mir wurde aber schnell klar, dass es mich nicht reizte, in die Politik einzusteigen», erklärte Meyer. «Aber ich beobachtete die politischen Aktivitäten in Bern oder Aarau und dachte mir oft, dass man da mehr machen könnte.»
Meyer studierte an der HSG in St. Gallen und gründete 2022 im 3. Semester sein heutiges Unternehmen «storabble». «Während ich meine Bachelorarbeit schrieb, sprachen wir bereits mit Investoren, um unser Vorhaben zu finanzieren», erzählt er mit einem verschmitzten Lächeln. Das Unternehmen vermittelt und vermietet leer stehende Lagerräume. Er spricht von über 10 000 Räumen, die in der Schweiz leer stehen. Oftmals sind Objektverwaltungen damit überlastet. Dies hat er erkannt und bietet hierzu eine Art Raumvermittlung als Dienstleistung über eine Internetplattform an. «Zwischenzeitlich haben wir monatlich über 15 000 Anfragen zu diesen Räumen.»
Nicht Neues bauen, sondern Bestehendes nutzen
Sein Unternehmensziel? «Wir wollen ein Umdenken in der ganzen Industrie, denn allein aus Platz- und Klimaschutzgründen sollten keine neuen Logistiklager gebaut werden, sondern zuerst bestehende leer stehende Fläche sinnvoll genutzt werden», erklärt Meyer und fügt an: «Die Investoren glauben an diese Idee.» Wichtige Randnotiz: Oliver Meyer wird zwischenzeitlich in der Forbes-Liste der wichtigsten Unternehmer weltweit, geführt. «Das ist schon erstaunlich, was das für unser Geschäft ausmacht. Früher mussten wir die Investoren anschreiben und heute schreiben sie uns an und bitten um einen Termin», sagt er fast schon ein bisschen verlegen, aber auch zu Recht stolz.
Nachdem das Konzept in der Schweiz so erfolgreich ist, will die Firma ihre Dienstleistung auch in Deutschland, Österreich, Frankreich, Grossbritannien, Polen und Holland anbieten. Vermutlich ist das «gross Denken und Umsetzen» eine der Stärken von Olivier Meyer. So verwundert es nicht, dass er sich neben seinem Unternehmen auch für andere Dinge interessiert und einsetzt. Mit Kriegsbeginn in der Ukraine gründete er die Hilfsorganisation «St. Gallen helps Ukraine» mit, um in der Ukraine direkt mit Sachspenden und den jeweiligen Transporten dorthin zu helfen. Zuletzt organisierten sie ausgediente Busse in der Schweiz und frischten diese auf, um sie dann ins Kriegsgebiet zum Einsatz im Schulverkehr oder Ähnlichem einzusetzen. Da lastet schön viel Verantwortung auf seinen Schultern. Wo findet er seinen Ausgleich? «Mir macht das alles so viel Spass, dass es sich nicht wie Arbeit anfühlt – ich ziehe keine Linie zwischen Privat und der Arbeit», erklärt er und fährt fort: «Wenn ich aber in der Agenda ein längeres Zeitfenster von 1 bis 2 Wochen entdecke, gönne ich mir auch einen Flug in wärmere Regionen.» So war das wohl auch beim Briefing für die Talkshow zwischen Jörg Meier und ihm, als er in Agadir sitzend den Telefonanruf von Jörg Meier entgegennahm.
Engagiert und aktiv
Still und staunend sitzt nicht nur das Publikum, sondern auch Hildegard Hilfiker neben Oliver Meyer. Beide scheinen in unterschiedlichen Welten unterwegs zu sein, aber doch vereint sie nicht nur Villmergen als Herkunfts-, Wohn- und Schaffensort, sondern vielleicht Wichtigeres: Sie sind beide sehr engagiert und aktiv, bewegen Menschen, bieten ihnen Lebensräume auf unterschiedliche Art, setzen sich für sie ein und wollen damit doch nur eins erreichen: Die Welt durch ihr Tun ein bisschen besser zu machen.