Ausflug in den Balkanfussball

  26.08.2022 Fussball

Der Wohler Laze Stojkovski wechselt vom FC Muri nach Nordmazedonien

Ein kurzes Intermezzo beim Team Aargau war die einzige Phase in der Fussballerkarriere von Laze Stojkovski, in der er nicht das Trikot des FC Wohlen oder des FC Muri trug. Jetzt schlägt der Wohler einen komplett neuen Weg ein und wechselt zu Sloga 1934.

Ende Juni vermeldet der FC Muri auf seinen Kanälen in den sozialen Medien, dass mehrere Spieler aus dem Aufstiegskader bleiben und mit den Klosterdörflern in die 1. Liga gehen werden. Unter den Namen ist auch Aussenverteidiger Laze Stojkovski. Beim Saisonstart gegen Xamax U21 steht der Wohler aber nicht im Aufgebot. Ein Blick auf die Fussballdatenbank transfermarkt.ch offenbart, dass der 24-Jährige zu Sloga 1934 in die zweite nordmazedonischa Liga gewechselt ist. Was war passiert?

«Der Vertrag des FC Muri lag bei mir zu Hause. Ich wollte ihn unterschreiben, sobald ich aus den Ferien zurück sein würde», erzählt Stojkovski. Die Ferien verlaufen aber anders, als sie sich der Fussballer ausgemalt hat. Der Abwehrspieler, der Wurzeln in Nordmazedonien hat, verbringt seinen Urlaub im nordmazedonischen Städtchen Vinica, wo seine Familie ein Haus hat. Fussballbegeistert, wie er ist, hält er sich beim lokalen Fussballclub Sloga 1934 fit. Der Trainer des Zweitligisten ist von Stojkovski beeindruckt. «Er hat mich angefragt, ob ich für sie spielen will.»

Ehemaliger U17-Nationalspieler

Die bisherigen Vereinsstationen von Stojkovski deuten auf eine treue Fussballerseele hin. Gross geworden ist er beim FC Wohlen. Der Abwehrspieler gilt als talentiert und wird in die Nachwuchsabteilung des Teams Aargau geholt. Zu dieser Zeit kommt er zum ersten Mal in Berührung mit dem Fussball in Nordmazedonien. Er kann drei Länderspiele für die U17-Nationalmann schaft des Balkanstaates bestreiten.

Danach stagniert die Fussballerkarriere des Wohlers ein wenig. Im Team Aargau kommt er nicht weiter und kehrt nach Wohlen zur U23 seines Stammvereins zurück. 2019 folgt der Wechsel zum FC Muri. Mit Ausnahme des Ausflugs zum Team Aargau blieben Wohlen und Muri die einzigen Vereine in seiner Karriere. Stojkovski war stets im Freiamt verankert. Nicht nur fussballerisch. Er lebt wie seine Eltern und seine Schwester nach wie vor in Wohlen und arbeitet in Bremgarten.

Spiele im Nationalstadion Nordmazedoniens

Umso überraschender wirkt der Wechsel ins Ausland. «Ich habe mir das Angebot von Sloga 1934 durch den Kopf gehen lassen. Sie waren schon letztes Jahr an mir interessiert. Damals war ich noch nicht so weit, zu wechseln. Meine Arbeitsstelle und der FC Muri waren mir wichtiger. Aber das ist vermutlich meine letzte Gelegenheit, ein fussballerisches Abenteuer zu erleben», sagt er. «Also habe ich dem Ganzen eine Chance gegeben.» Stojkovski hat bei seinem Arbeitgeber in Bremgarten unbezahlten Urlaub genommen und wird mindestens bis zur Winterpause für Sloga 1934 spielen.

«Meine Mutter war zuerst nicht so begeistert von der Idee», sagt der Wohler lachend. «Mein Vater stand schon eher hinter dieser Idee. Wenn es um Fussball ging, hatte ich ohnehin immer maximale Unterstützung von zu Hause. So war es für meine Eltern beispielsweise kein Problem, dass ich nach der Sekundarschule eine Logistikerlehre abschliesse, um mehr Zeit für den Fussball zu haben.» Nicht zuletzt war auch Stojkovskis Vater der Ansicht, dass sein Sohn sich auf ein solches Abenteuer einlassen soll, solange er noch jung ist. Und ein Abenteuer wird es definitiv.

Der nordmazedonische Rekordmeister Vardar Skopje ist wegen finanzieller Probleme vor zwei Jahren in die 2. Liga abgestiegen und wird einer der Gegner von Stojkovskis neuem Verein. Mit Pelister Bitola ist im Sommer ein weiterer grosser Name des nordmazedonischen Landes in die Zweitklassigkeit abgerutscht. «Ich freue mich extrem auf diese Spiele. Das sind Traditionsclubs, die in sehr grossen Stadien spielen.»

Das Stadion in Bitola fasst rund 8000 Zuschauer. Die Toše-Proeski-Arena, in der Vardar Skopje spielt ist gleichzeitig das Stadion des nordmazedonischen Nationalteams und hat 36 400 Plätze. 2017 fand unter anderem das Spiel um den UEFA Super Cup zwischen Real Madrid und Manchester United in der nordmazedonischen Hauptstadt statt. «Vor solchen Kulissen konnte ich bisher nie spielen.»

Leben vom Fussball ist möglich

Es kommen auch zahlreiche andere neue Erfahrungen auf den Fussballer zu. Während er Nordmazedonien bisher nur als Ferienland kennt, lebt er jetzt allein in der Ferienwohnung seiner Familie. In der 2. Liga arbeitet kein Spieler neben dem Fussball. «Wir sind sozusagen Profis. Es sind aber keine riesigen Löhne, die wir erhalten. Wir sprechen von Summen, von denen man in Nordmazedonien gut leben kann, aber sicher nicht reich wird. Dazu wird die Verpflegung übernommen. Gemessen mit anderen Clubs in der 2. Liga hat Sloga aber auch kein Riesenbudget.»

Den Fussball im südosteuropäischen Land beschreibt er als körperlich härter und direkter als in der Schweiz. «Obwohl es auch die zweithöchste Liga des Landes ist, sehe ich das Niveau aber dennoch tiefer als in der Challenge League.» Stojkovski selbst kommt damit offenbar bestens zurecht. In den Testspielen vor dem Saisonstart ist er nicht nur Stammspieler, sondern auch Teamcaptain.

Hotline gegen Spielmanipulationen

Doch es gibt auch die Schattenseiten bei den neuen Erfahrungen. «Wenn man wirklich hier lebt und das Land nicht nur in den Ferien besucht, wirken gewisse Dinge sehr kurios. Unser Alltag in der Schweiz ist so gut geregelt, dass man erst weiss, was man daran hat, wenn es plötzlich nicht mehr funktioniert.» Er beschreibt allein den Gang zur Gemeinde, um einen Ausweis zu verlängern, als Herausforderung. «In der Schweiz ist das eine Formalität. Hier läuft das alles nicht so reibungslos ab.»

Das bekommt man auch im Fussball zu spüren. Auf der Homepage des nordmazedonischen Fussballverbandes findet man die Nummer einer Hotline, bei der potenzielle Spielmanipulationen gemeldet werden können. Der Saisonstart in der 2. Liga wurde zudem mehrmals verschoben. Die Gründe: «Ganz ehrlich? Keine Ahnung.» Dass er das nicht weiss, liegt nicht an Stojkovski. Selbst die nordmazedonische Medienlandschaft tappt im Dunkeln, da sich der Verband bedeckt hält. Gemutmasst wird, dass mehrere Vereine die Wettbewerbsgebühren noch nicht bezahlt haben.

Zu wenig Einfluss auf den Aufstieg

Darum hält sich der Freiämter auch mit den Saisonzielen seines Teams zurück. Obwohl Sloga in der Vorsaison knapp am Aufstieg in die höchste Spielklasse vorbeigeschrammt ist, spricht er nur vom Ligaerhalt und einem Platz im Mittelfeld. «Leider spielt in Nordmazedonien die Politik eine grosse Rolle im Sport. Andere Vereine haben die besseren finanziellen Möglichkeiten und einen ganz anderen Einfluss im Land als wir, sodass wir kaum vom Aufstieg sprechen könnten.» Stojkovski geht dennoch davon aus, dass ihn die Erfahrungen, die er im kommenden halben Jahr machen wird, im Leben weiterbringen werden. «Ich denke auch, dass ich fussballerisch gestärkt zurückkommen werde.»

Und zurückkommen will er auf jeden Fall. «Man soll niemals nie sagen. Was in einem halben Jahr ist, weiss ich noch nicht. Aber der Plan ist bisher nicht, dass ich definitiv nach Nordmazedonien ziehe. Vorerst ist das Ganze wirklich nur auf die Vorrunde ausgelegt. Aber wer weiss, vielleicht erhalte ich noch einen Vertrag in der höchsten Liga in Nordmazedonien», ergänzt er mit einem Grinsen.

Rückkehr zu Muri ist eine Option

Wie es dann weitergeht, kann Stojkovski noch nicht sagen. Was er mit einem Augenzwinkern sagt: «Ich bin immer noch Mitglied des Gruppenchats beim FC Muri.»

Ein Comeback beim FC Muri ist eine Option für ihn. Laze Stojkovski hat sein bisheriges fussballerisches Leben komplett im Freiamt verbracht. Naheliegend, dass es für ihn auch in der Region weitergehen wird, wenn sein Ausflug im Balkanfussball zu Ende ist. --jl


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